• "Ou sont les neiges d'antan?" Weiß ich auch nicht. Zur Zeit liegen Frost und Raureif auf der Wiese, wo kürzlich ein echter Hase (ein ziemlicher Trumm, mit weißem Schwanz und den eher hasen-typischen Laufbewegungen) Schlittschuh lief,Tomatenpflanze in der Duschkabine natürlich auch auf den selten benutzten Autos in der Kurve unserer Ministraße, die nicht richtig weiß, wie sie heißt... seit kurzem steht da ein irreführendes Schild, das eigentlich erst für die Straße gilt, welche jenseits unserer "Straßenkreuzung" vor der Haustür ihren Anfang nimmt und bei der evangelischen Kirche endet. Und rauh ist mir auch der Hals geworden, eine böse Erkältung mit Dauernießen, -schniefen und -husten hat uns beide ereilt. Bei mir sind es mehr die flüssigen, willkürlich herauszuprustenden Emissionen, bei meiner Mitbewohnerin der hartnäckige Husten, der nach Zehnminutentakt fortdauert und dabei so klingt, als würde der Schauspieler Gert Haucke mit seinem fetten Bass in kurzen, heftigen Alarmrülpsern das Wort "Lungenspitzenkatarrh" wieder und wieder herausbellen. Den Herrn Haucke hab ich mal im Rundfunk kennengelernt, das ist ein ganz lieber, weicher und sensibler Kollege gewesen, der das Unglück hatte, aufgrund seiner Stimme und der eindrucksvollen Walter-Matthau-Physiognomie (wie aus Knetgummi gemeißelt) oft gräßliche Rollen von SS-Schergen, Wehrmachtsgeneralen, autoritären Vätern und fiesen Folterknechten zu kriegen. Tragik des Schauspielerberufs! Seine Hunde liebt er über alles und das mit recht, und, wie gesagt, er ist ein ganz lieber, kooperativer Schauspieler gewesen, der sich nicht zu schade für eine Unterhaltung mit niederen Chargen war (ich fungierte als ein kleiner Regieassistent - mußte den Sprechjern die Manuskripte zurechtlegen, Kaffee besorgen oder die Ratschlüsse aus dem Regieraum vermitteln - "Herr Larousse, ein Staubtuch!" lautete der legendäre Satz, den der Regisseur O. mal nach mir bellte).

    Kurz, der Winter schien neulich schon kurzerhand vorbei, bevor er erst zaghaft begonnen hatte, und nun kommt er Tomatenpflanze in der Duschkabineauch nur mal auf Stippvisite zurück, wie man hört. Aber die XXL-Tomate vom Sommer, die sich so himmelstürmerisch auf unserem Balkon gereckt und bisher eigentlich nur 2-3 allerdings eindrucksvoll große Früchte herausgerückt hatte, sie steht immer noch, und zwar in unserer sonst nicht benötigten Duschkabine. Und wahrhaftig, die winzigen grünen Knödel, die sich kurz vor dem ersten Dezemberfrost zeigten, inzwischen sind sie herangewachsen, aufgeplustert und gereift und können in Kürze geerntet werden. Vielleicht sind sie besonders schmackhaft, wie Eiswein oder Grünkohl, nach dem Frost geerntet? Die armen Blätter sind darüber - trotz Gießens - verwelkt, aber der Stamm steht noch, und ich will versuchen, Kerne aus den Früchten zu lösen und zu trocken, um eventuell im Frühsommer zu einer neuen Tomatenpflanze von solch überzeugender Standfestigkeit zu kommen. So hat auch der Winter seine Freuden - Vorfreuden, vor allem. Draußen eilen die Eichhörnchen über die Bäume auf der Suche nach Nußbergwerken, Rotkehlchen und Meisen pwechseln sich an den Knödeln ab, mitunter schaut ein Buntspecht vorbei. Heute abend freue ich mich auf passierte, frische Tomaten, auf pasta al sugo e al burro!


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  • Am Neujahrtag, wie hier berichtet, erregte ich mich über den Sylvestermüll am Rheinufer, und siehe da, schon am DreikRheinufer bei Hochwasserönigstag war alles weggespült worden, allerdings nicht von den Kehrmännchen, sondern von Vater Rhein, der soeben zu ungeahnten Möven am RheinMassen aufschwillt. Der Ort, wo wir gemütlich spazierengegangen sind, liegt jetzt schon einige Meter tief unter Wasser, und von den Baumkronen ragen gerade mal ein paar Zweige empor. Wir nutzten die letzten einigermaßen schönen freien Tage nochmal für einen Spaziergang durch die Südstadt und endeten am Rheinufer, wo wir viele, viele Möwen sahen. Eine Fütterungsaktion eines älteren Herrn bot uns die Chance, ein paar von den Tieren fotographisch zu verewigen. Wirklich hübsch, wie sie da auf der Stange saßen und erwarteten, dass es noch ewig so weitergeht mit dem Aus-der-Hand-Fressen (natürlich verstreute er auch Brotreste in der Luft, aber die geschicktesten pickten ihm die Streifen im Vorbeifliegen zwischen den Fingern weg). Mövenfüttern am RheinuferMöve am RheinuferEin bisschen wie am Meer wohnt man hier als "Anrheiner". Die Breite des Stroms erweckt wirklich diesen Eindruck.Möve auf dem Ufergeländer Auch dass er so schnell fließt, grau und bleiern, wie er von weitem aussieht, gibt mir manchmal ein Möven am Rheinuferunbehagliches Gefühl. Am Sylvesterabend wollte ich nicht gern hineinschauen in diesen schwarzen Mahlstrom, in den wer weiß was für Sauereien des Alten Jahres  versenkt werden von den Sündern. Aber mit Emmerich, wo der Fluß fast unüberbrückbar breit wird,Möven am Rheinufer lässt sich das hier natürlich nicht vergleichen. An der Stelle, wo man wirklich nicht mehr weiterkam (der obere Radweg an der Rheinuferstraße wird wohl bis 2030 durch die U-Bahn-Baustelle versperrrt bleiben), fand sich noch eine lustige Botschaft der Tiere an die Menschen.Tauben auf dem Rheinufer-GeländerMöven am RheinuferSchweinchen-GraffittiFlood on the tracksDas Leben am Fluss hat etwas Meditatives, kann aber auch unbehaglich stimmen, denn das Wasser ist eine meist unterschätzte Gewalt. Der Rhein ist ja immer ziemlich gewaltig, aber wie aus einem winzigen Bächlein in Südeuropa ein tückisches, Unmengen von Schlamm und Geröll transportierendes Lawinenungeheuer werden kann, wer das mal erlebt hat, kampiert im Frühjahr in den Pyrenäen nicht mehr in Hanglage. - Als vor Jahren mal dieser Campingplatz dort überflutete und die Leute in ihren Wohnmobilen ertrunken sind, habe ich mir geschworen, überhaupt nur noch zu zelten, weil man der Gefahr dann akustisch und sinnlich viel näher ist und schneller die Beine in die Hand nimmt. Überhaupt wird man sich im Moment der Gefahr von allem Besitz verabschieden müssen. Wer ein dickes Wohnmobil sein eigen nennt, ist sich dessen vielleicht weniger bewusst, weil er glaubt, zwischen ihm und der Naturgewalt seien noch vier schützende Wände. Über Karl Philipp Moritz berichtet Varnhagen in seinen vermischten Schriften (die erwähnte Freundin ist natürlich Rahel gewesen): "Zuweilen war er in seltsame Träume versunken, und lebte mit wunderlichem Eigensinn ganz in seinen Bildern. Die erwähnte Freundin fand ihn einmal in der Berlin auf einer Brücke am Geländer stehen, und übergelehnt unverwandt in das Wasser blicken. Sie redete ihn an, und hegte einige Besorgniß, ihn seinem Tiefsinne zu überlassen zu sehen; er aber grüßte sie freundlich, und sagte, auf das Wasser zeigend: 'Da unten sind viele Gesichter, und eins, das mir ganz besonders gefällt, sieht mich immer liebreich an, und wenn's mir noch lange so gefällt, so muß ich zu ihm.' - Solcherlei war in ihm der tiefste Ernst, und seine Freundin mußte ihn, trotz aller Bemühungen ihn mitzunehmen, allein auf der Brücke zurücklassen."

    Möven auf dem Geländer am Rheinauhafen


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  • Über die Weihnachtstage kam mir endlich nach langer Durststrecke ein Auftrag ins Haus, passend zum Thema "Salonkultur", passend auch zum Scherenschnitt-Wesen,Shampoowerbungdas mich in Form von Vereinssatzungen auch die ganzen Feiertage über beschäftigte (telefonisch, schriftlich). Im einen Fall war es ein Vorstand, der nie gültig gewählt wurde und außerdem keine Beschlüsse fassen kann, da er die Mindestkopfzahl nicht erreicht, im anderen eine Shampoo-Traditionsfirma, die seit Jahren mit dunklen Gestalten wirbt. Inzwischen zeigt sie in ihren Prospekten lieber schlanke blonde Lichtgestalten mit allerneuester Mode,Türkisches Sylvester u. a. inspiriert von einer Typenlehre, wie sie anachronistischer nicht sein könnte. Aber nichts da mit Pyknisch-leptosom-athletisch, wie ich das noch gelernt hatte, sondern dunkle Engel, kühle Jäger, wohlhabende Hippies und Menschen, die süchtig nach Leibesübungen sind, so könnte man die Namen dieser vier Gruppen übersetzen, die derzeit stilprägend für die Mode sind (nur 2011, für 2012 gibt's bestimmt wieder was neues). Aber wozu Übersetzen? Übersetzer werden gar nicht mehr gebraucht, heute können alle Denglisch. Die Überschriften bleiben original, der Text wird den Schopfkosmetikern eh deutsch und englisch geboten. Und deshalb bSchilder in Bayenthaleschränkte sich das Auftragsvolumen auch aufs Korrekturlesen, was natürlich bei weitem nicht so gut bezahlt wird, dass man sich, wie typisch für meinen Modetyp (weder Jäger noch Engel noch sportief), einen hippen und trotzdem opulenten Lebensstil leisten könnte. Also saß ich für eine vergleichsweise bescheidene Überweisung, die glücklich noch im alten Jahre versteuert werden kann, über einen Text gebeugt, der in vielen schönen Worten ungefähr das aufgriff, was Doc Doxey, dieser Quacksalber auf den Wildwest-Märkten in "Lucky Luke" verspricht. Eine Statistik immerhin war interessant, sie besagt, dass nur ein Drittel der Besucher eines Koaförs (so und nicht anders die Ortographie des türkische Salons "Flash" an der Bonner Straße) blond sind, aber 60 % des Umsatzes mit Blondprodukten gemacht wird. Natürlich ging ich die Korrekturarbeit ruhig an, am Heiligmorgen wurde erstmal Wäsche gewaschen, wie heute, am 2. Januar auch wieder (zwischen Weihnachten und Neujahr soll man bekanntlich keine aufhängen - und zwar entweder, weil sich sonst garantiert jemand erhängt, wenn die Leine gespannt wird, oder, weil sonst der Weiße Reiter kommt und Unglück über das Haus bringt, da hilft auch kein Weißer Riese mit Riesenwaschkraft). Daher beschäftigte ich mich am 1. Weihnachtstag erst mal mit Ausdrucken (neuer Drucker, dann, weil ich den noch nicht richtig bedienen kann, auf den alten umgewechselt), druckte nur die Textseiten aus, die ich mir dann auch noch hochkopieren musste, weil sie viel zu klein waren, das wird ein stattliches Vierfarbprodukt mit Zeitschriften-Anmutung, mit vielen leichtbekleideten Miezen und Muskelmännern drin. - Den Heiligabend verbrachte ich indessen bei meinen Schwiegereltern, auf einer traditionell-familiären deutschen Weihnachtsfeier, Übergabe der Geschenkewo nicht weniger als 18 Personen ihre beschrifteten Pakete unter den Baum legten - die Kleinsten hatten auf dem Weihnachtsmarkt Ente und Gans an die Krippe gebracht, wo auch Schäflein, Ochs und Esel das Wunder der Menschwerdung Jesu bestaunen. Weihnachtsgaben unter dem BaumEbenfalls wie durch ein Wunder waren die Geschenke im Handumdrehen an die richtigen Empfänger verteilt, das war, obwohl es auch die Kleinsten erledigten, eine Sache von Sekunden. Na, und wenn sich jemand über ein Geschenk gefreut hat, war es mein Schwiegervater, dessen Tochter von der Pferdemetzgerei drei Häuser neben dem Koaför Flash (das sh wird übrigens türkisch, mit so einem diakritischen Punkt unter dem s geschrieben) eine Dose Sauerbraten mitgebracht hatte. Dieser nette, aber nicht leicht zu beeindruckende Mann, der sich eigentlich nie was wünscht, setzte sein sonnigstes Lächeln auf und stieß fast unhörbar (nur von mir wahrgenommen, der ich ihn durch die kreischende, geschenkeauswickelndeWeihnachtskrippe Kinderschar hindurch beobachtete) einen recht von Herzen kommenden kölschen Seufzer der Genugtuung hervor, der nach Heinrich Böll in der Öffentlichkeit mitunter zu Mißverständnissen einlädt. Als aber die gesamte, teils von weither angereiste Familie, zu der gefühlte vier Generationen hier versammelt waren, dazu einige Gäste, Freunde, ein Austauschschüler aus Martinique und so weiter, am Wohnzimmertisch Platz nahm, um eine gewaltige Fondue anzuleiern, irgendeiner hat immer noch keinen Stuhl, verabschiedeten wir uns freundlich, obwohl für alles und alle im Überfluss gesorgt war, wie immer wieder beteuert wurde. Trotzdem war der Trubel bei 18 Personen natürlich viel zu groß, und wir hatten schon unsere ebenfalls traditionelle Fondue für zuhause eingekauft. -Sylvesterfeuerwerk Die nächsten Tage vergingen relativ untätig, ich wollte eigentlich Jahresendgrüße auf den Weg bringen, was mir zu mühsam war, außerdem hielt mich der Scherenschnittverein in Beschlag und auch die als "dschipacks" zu Dutzenden an meinen Auftraggeber versandten Korrekturen hielten mich noch in Atem, weil die Bilder durch das Internet teils schadhaft auf der anderen Seite ankamen - so unzuverlässig ist auch die elektronische Post, der ich aber dann trotzdem unseren Meeresglückwunsch anvertraute. Zwischendurch Spaziergänge durch das trübe Jahresendgrau, bei ungewohnt warmen Temperaturen, teils im Grünen, teils in der Stadt, wo wir bereits verbilligte Abreißkalender (Großvaters Grüne Gartentipps, jetzt täglich!), auf Halde schimmelnde Terminplaner und gratis-Apothekertaschentücher besorgten, dazu Tischfeuerwerk mit GoldnussschokoladeNordseekrabben, türkische Vorspeisen und allerlei für Sylvester: Beim Discounter wurden Eier mit Haltbarkeitsdatum zum 8. Januar verschenkt, weil schon die Lieferung mit denen angekommen war, die erst zum 15. Januar ihre Mindesthaltbarkeitsfrist erreicht haben! Wenn das kein Glückszeichen ist, dann ist es der Groschen (auf deutsch gesagt, das 10-Pfennig-Stück), den ich an Heiligabend vor einer geschlossenen Glühweinbude gefunden hatte. Genauer gesagt, die Bude war nicht von der Weihnachtsaufsicht geschlossen worden, sondern hatte nie aufgemacht, in der Südstadt stellen sie jetzt schon prophylaktisch Buden hin und schreiben eine Telefonnummer dran, dort kann sie mieten, wer sich am Weihnachtsgeschäft mit der Ausgabe von Weihnachtsbenzin beteiligen will, sowas nennt man "Stadtmöblierung"! Sylvestermüll am RheinuferWahrscheinlich hätte ich damit besser verdient als mit meinen Korrekturen. Die Kölner haben ein merkwürdiges Verhältnis zu ihren Plätzen - ich würde es mit "horror vacui" beschreiben - , kaum ist mal einer freigeschlagen, wird er mit Würstchenbuden, Bierzelten, Eislaufflächen, Straßengastronomie nebst Heizpilzen, Saison- und Flohmärkten vollgemüllt. Und wo sonst nichts ist, nämlich am Rheinufer, hinterlassen die Betrachter des Sylvesterfeuerwerks eine solche Unmenge an HundekottütenspenderFlaschen, Plastik-Sektkelchen, Raketenplastik, Kracherpapier und sonstigen festiven Überresten, dass man sich richtig heimisch fühlt als Bewohner des Schweinestalls, als die sich die Bewohner meiner Heimatstadt gern zeigen. Gegen die Hinterlassenschaften ihrer Köter kann man wenigstens Müllsäckchen kostenlos beziehen (wenn mir auch das Wort Hundekottüten, an zahlreichen Stellen im Stadtbild prägnant gepostet, wenig angenehm auffällt, die Wiener "Trümmerlsackerl" klingen wenigstens harmloser). Aber auf die naheliegende Idee, zu Sylvester auch den Haltern der vierbeinigen Freunde welche auszugeben, damit sie ihren Dreck selber mitnehmen und zuhause oder meinetwegen in öffentlichen Mülleimern entsorgen, kommt die Stadtreinigungsbehörde nicht. - 'Aber zurück zu Sylvester, wir verbrannten dann noch ein wächsernes Glücksschwein, das uns ein Gast beim großen Muschelessen vom 29. 12. mitgebracht hatte, und verzehrten wahnsinnig kalorienhaltige Nußschokolade aus Italien,Maternuskirche in Köln, Rückseite ebenfalls ein Gastgeschenk aus gleichem Anlass. Die Knallerei hielt sich in unserer Gegend in Grenzen, wenn es auch sehr laut war je eine halbe Stunde vor und nach dem Jahreswechsel. Das Kabarettprogramm war abscheulich, die ganze Ohnmacht der dummen Auguste, die nur noch herumschimpfen, wurde quälend deutlich. Eine so korrupte und biedermeierliche Regierung wie die unsere müsste frontal angegriffen werden, nicht mit hautfreundlichem Priol pelzig-weichgespült werden (verdammt, welchen Haarfestiger benutzt der nun wieder?), Eisentür am HindenburgparkSt. Maternus in Kölnwährend der sogenannte Kult-Kabarettist mit dem nuhralgischen Pokerface sich vor einer riesigen transparenten Kulisse, die seinen Namen und die Zahl 11 trug (kommt bestimmt als 12 am nächsten Jahresende wieder), von einer vollbesetzten Halle goebbelsschen Ausmaßes dermaßen bejubeln ließ, noch bevor er auch nur den ersten Witz aussprechen konnte (wir wissen aus eigener Erfahrung, dass bei Live-Übertragungen entsprechende Signale zum KLATSCHEN auffordern, wahrscheinlich auch zum Lachen oder Gemüsewerfen), dass wir vor Ekel ausgeschaltet haben. So beendeten wir das Jahr mit Radio (warum wird eigentlich jeden 31. 12. im Klassikprogramm kurz vor 12 die schöne blaue Donau aufgelegt? wahrscheinlich kann man die gut zugunsten des Zeitzeichens ausblenden, wenn's pressiert) und schliefen bis 10 durch. Der Spaziergang durch das Neujahr führte uns dann zum Rheinufer und endete unter der Südbrücke vor einer sonderbaren, rostigen Tür, die wohl noch vor Jahrhunderten in einen spätmittelalterlichen Kerker geführt haben mag, und den man der dann einem dieser herzigen Motoristenklubs überlassen hat, die ihre Mitgliedsbeiträge im Drogengeschäft und im horizontalen Milieu erwirtschaften lassen. Im Hindenburgpark trafen wir bei feinem Nieselregen unbeirrte Boule-Spieler, die sich hier jeden Sonntag verabreden. An den Art-déco-stilisierten Fassaden der Südstadthäuser findet man die merkwürdigsten auskragenden Gargoyles, darunter eine Eingang Notkirche St. MaternusWindsbraut, die für Rückenwind sorgt, die soll ein Symbol für das Neujahr sein. Und ganz am Ende besahen wir noch die Maternuskirche, wo der Vater von Heinrich Böll die Kirchenbänke getischlert haben soll - aber es war geschlossen und wir konnten trotz Sonntags nicht hinein! Einst war dies eine stattliche heilige Versammlungshalle für die rheinischen Arbeitermassen, die hier sonntäglich die Messe hörten - 1914 war der Bau vollendet, gerade rechtzeitig, bevor der Krieg ausbrach und die Waffen gesegnet wurden. Die Moderne kam, und mit ihr die fortschreitende Säkularisierung, nach dem zweiten Weltkrieg (vermutlich), als alles in Trümmern lag, wurde hier eine "Notkirche" eingerichtet,  inzwischen müssen Maternus- und Severinsgemeinde zusammengelegt werden, um das Kirchenwesen überhaupt noch zu unterhalten, und den rückwärtigen Teil, vielleicht früher mal Hospiz oder Klosteranlage, hat man als ganz normale Apartmentwohnungen vermietet. Und damit kamen wir so wieder auf die Bonner Straße zurück, wo der Koaför ist und die Pferdemetzgerei, und wo der Bus hält, der uns Richtung Zollstock (beim Nachdenken über die richtige Schreibung von Hundekottüten fiel mir allerdings ein, dass der Name dieses Stadtteils, rückwärts gelesen, Kotzlotz lauten müsste) nach Hause brachte. Diesmal entwertete ich noch keine der kostbaren, am 31. 12. auf Vorrat gekauften Fahrscheine, und genoß den Neujahrsluxus des Schwarzfahrens  auf dieser cityfernen Strecke erst recht, denn der Tarif ist über Nacht um 3,5 % geklettert, da lohnt es sich richtig.

    Art-déco-Fassadenelement in der Südstadt


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  • Allen meinen Lesern wünsche ich ein paar frohe, müßige und angenehme Feiertage!

    Express-SchlagzeileMittel No. 1: Weniger spachteln?

    Mittel No. 2-49: Augen auf bei der Menüplanung!

    Soll der Weihnachts-Engelsbraten
    tafelfestlich wohl geraten,
    nimm das Freiland-Mastgeflügel
    vom Parnaß, dem Himmelshügel!
    Ausgenommen, gut gerupft
    und mit Knoblauchöl betupft,
    Pfeffern, salzen und im Bräter
    angebräunt, im Backrohr später
    übergießend gar gesotten
    mit Nelke, Lorbeer und Schalotten.
    Beide Flügel, rechts und links,
    mariniert für "angel wings".
    Wer im Backrohr Umluft hat,
    stellt auf hundertfünfzig Grad.
    Nach Geschmack und Neigung kann
    auch ein Quäntchen Beifuß dran.
    Wer die Haut schön knusprig will,
    legt das Englein auf den Grill
    kurz, bevor man es tranchiert
    und mit Apfelmus serviert.
    Dazu Klöße, einen milden
    Rotwein aus Provence-Gefilden.
    Dann fragst du dein Leckermäule:
    ob es Brust will? oder Keule?

     

    Mittel No. 50: Salbeitee oder Fernet-Branca


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  • Wenn man nicht grade auf dem Land lebt, gibt's eigentlich immer in der Nähe irgendwelche Kulturangebote, bloß geht man nie hin. Wer selber gelegentlich zu Lesungen, Ausstellungen und dgl. einlädt, kennt das. Immer ist irgendwas anderes wichtiger. Selbst wenn es nix kostet, die Theaterkarten gleichzeitig für Busse und Bahnen gelten und man schon eine Ewigkeit nicht mehr in der Stadt war - gähn, irgendwie geht der Feierabend vor, und ein andermal ist ja auch noch Gelegenheit. Dabei sind die meisten Kunstmomente ausschließlich im Hier und Jetzt möglich, und wer nicht kommt & live dabei ist, kriegt das Beste nicht mit. Nehmen wir nur die Musik! Und da wollen die meisten auch nur, wenn schon, denn schon, ins Musicaldome oder zur Arena in Verona oder aufs Heavy-Metal-Festival nach Wacken (oder in den Film zur Musik) oder zu diesem TV-Kabarett-Heini hart an der Grenze, dessen Programm sie doch von Rundfunk und Fernsehen schon in- und auswenig kennen. Erlebt man auch bei Lieblingsfilmen: Manche NacLandesjugendorchester Schleswig-Holsteinhbarn bewegen die Lippen, weil sie den Text mitsprechen. Klar, keiner will als verschnarcht gelten, alle haben das neueste App auf dem Ultra-Smartphone. Aber wehe, jemand kommt ihnen mit sogenannten "Neutönern" (von Klingeltönen ist hier nicht die Rede), grusel, grusel! Wenn sie sich überhaupt mal in ein e-Musik-Konzert verirren, soll das schön Tschaikmozarthoven und Händelsohn-Bacholdy sein. Das allermodernste, was sie sich antun, ist vielleicht ein klitzekleiner Strawinsky, der muss aber auch schon zwischen zwei dicke Ohrwurmbrötchenhälften mit Klassikertunke gepackt werdAuftritt des LandesJugendEnsembles Schleswig-Holsteinen, am besten gleich als zweites, oder drittes Stück (damit nicht alle schon bei den ersten Takten türenschlagend rauslaufen) und erst nach der Pause kommt der Promiteufelsgeiger mit der Punkfrisur und dem entzückenden Vier-Jahreszeiten-Vivaldi. Wie gut, dass es die GEMA gibt. Wenn die Leute, die über GEMA-Gebühren stöhnen, wüssten, WAS damit alles finanziert wird, sie würden sich noch vor dem Grabe rumdrehen bzw. freiwillig reinhopsen: z. B. Konzerte für (brrr!) zeitgenössische Musik! Aus einem besonderen Fond kann sich der Künstler,"Thoughts of ChAnGEs" von Krampe der es mit einer Komposition der Gegenwart aufnimmt, was abholen, um die Aufführung zu finanzieren! Dasselbe mit den Rundfunkgebühren, die GEZ-Kohle ist auch nicht nur dafür da, die Dienst-LKWs zu betanken, mit denen hochdotierte Intendanten tonnenschwere Ladungen von Bambis, Grimme- und Echo-Preisen zur Abwurfstelle transportieren, sie finanzieren damit auch, höret und staunet, Musik der Gegenwart! Selbst der Bundesbeauftragte für Kultur und Medien hat dafür eine offene Börse, und bezahlt mit den so dringend für die Bankenrettung benötigten Steuergroschen das atonale und unrhythmische Gefiepe, Gejaule und Getrommel.... Und weil das ja bekanntlich kein Mensch hören will außer ein paar Frequenztechnikern, bekifften Dadamaxen (die sich hierzulande gern mit einem fröhlich schallenden "Max Ernst!" verabschieden, worauf man mit "Max Bruch!" antworten muss) und sonstigen Wirrtuosen aus der Musikhochschule, locken Sender wie der Deutschlandfunk dann auch noch mit kostenlosem Eintritt, wie wir jetzt erfahren durften, sowie Gratis-Sekt, -Saft und -Kaffee in die Säle! So geschehen letzten Samstag im Raderberger Kammermusiksaal beim "Netzwerk Neue Musik" unter dem kryptischen, Außenstehende und Uneingeweihte von vornherein abschreckenden Slogan "08*n*n*m*11". Sollte das wohl heißen, es findet 2011 zum 8. Mal statt? Hier und in der Kunststation St. PeterAuftritt des LandesJugendEnsembles Schleswig-Holstein gab es allerlei von Mauricio Kagel (das berühmte Zwei-Mann-Orchester, komponiert im Zeichen erster Einsparmaßnahmen als Auftragsarbeit zum Thema "Zukunft des Orchesters" für Donaueschingen), John Cage und Yannis Xenakis zu hören. Im Rathaus-Glockenturm ertönte am Samstag um 12 noch Karlheinz Stockhausens Tierkreis. 12 Melodien der Sternzeichen, aus dem mir mal die nette US-Flötistin und Stockhausen-Schülerin Camilla Hoitenga privat vorgespielt hat (eines der Tierkreise ist ihr gewidmet, wenn ich mich recht entsinne). Gut, alle drei Komponisten sind keine ganz unverbrauchten Schößlinge mehr, sondern gestandene Festmeter in der Baumschule der Klassischen Moderne. Aber trotzdem: "Der Eintritt zu allen Veranstaltungen ist frei. Die Plätze sind begrenzt - wir empfehlen frühzeitiges Erscheinen", haha! da lachen ja die Hühneraugen, so drohte man wie Kindern mit dem Zeigefinger auf den Flyern und Plakaten, aber außer uns zweien und waren grad noch fünf, sechs bebrillte pensionierte Alt-Existenzialisten (schwarzer Rollkragenpulli!) gekommen, die übrigen Enthusiasten hatten ihren Messestand im DLF-Foyer zu betreuen, kamen von der Redaktion der Zeitschrift für Instrumentenbau oder gehörten dem zahlreich aus Schleswig-Holstein erschienenen Orchesternachwuchs an, der gleich aufspielen sollte, nach der Podiumsdiskussion, die kaum beachtet im Hintergrund plärrte. (Aus Kiel war eine Playmobil-Ausstellung angereist, die Werke von Mauricio Kagel mit einer Straßenlandschaft, Autos, Fahrrädern, vielleicht auch Stuttgart-21-Demonstranten kombinierte.) Leider gab es, als alles saß, eine selbstverliebte Endlos-Laudatio des Redaktionszuständigen - man umhalste sich und übergab CD-Pakete - auf den mutmaßlichen "Macher" des Festivals, der daran erinnerte, wie man den Verein, der es veranstaltet, in einem schalldichten WDR-Konferenzraum gegründet habe, ich weiß es noch wie gestern, als zur selben Zeit das Sturmtief Kyrill das Gerüst vom Kölner Dom ins darunter liegende Dionysos-Mosaik krachen ließ, und jetzt, wo man sich im DLF treffe, wüte Sturmtief Joachim, aber der DLF-Turm stehe noch usw. usf. Aber irgendwann war das anekdotische Gesabber von Anno Dunnemals vorbei und konnte die "Jetztmusik" starten: Varèse & Boulez waren schon am Nachmittag drangewesen, man begann mit John Cagens Variations I, dann ein mir bisher ganz unbekannter Robert Krampe, der 1980 als Stipendiat der Villa Massimo geboren wurde (na schön, von John Cage weiß ich auch hauptsächlich, dass er mal für den WDR eine aleatorische Komposition nach den Ergebnissen seiner I-Ging-Stäbchenbefragung zusammengewürfelt hat), und dann wieder Cage: Konzert für Orchester und "präpariertes Klavier", was ich besonders liebe, weil wir das im Musiksaal unseres Gymnasiums auch immer gern gemacht haben, z. B. ein Plastiklineal in die Innereien des Flügels legen, um die Kieler Kagel-Aktion im DLFReferendare zu schocken. Obwohl ich immerhin eingestehen muss, dass es nachträglich gesehen vielleicht ein Fehler war, sich durch entschlossenes Falsifizieren der Tonlage beim Vorsingen vor dem Schulchor zu drücken, immerhin gehört ein großer zeitgenössischer Komponist zu meinen Mitschülern, der heute gern mal in New York, London oder Peking dirigiert, er hieß so ähnlich wie Krawuttke, und mir fiel fast der Kitt aus der Brille, als es mal im Radio hieß, die Philharmoniker brächten nunmehr Werke von Beethoven, Rachmaninoff und Klauspeter Krawuttke zu Gehör... so weit hab ich es als Bänkelsänger nicht gebracht. Nun aber dirigierte mit schwungvoller Gestik ein Mensch namens Johannes Harneit das ca. 25köpfige LandesJugendEnsemble Neue Musik (die schreiben das so, mit den unvermittelt das Wort aufsperrenden Großbuchstaben), und der ließ die Quietsch-, Jaul- und Blubbertöne und perkussiven Knaller wie mit Zauberhand herauswachsen aus vielen Instrumenten. Wobei das Stück von Krampe (Thoughts about ChAnGEs), vermutlich als hommage in den Tonarten "C A G E", eben nicht dirigiert wurde und daher besonders anspruchsvoll war, denn die Musiker sollten möglichst zwanglos auf der Bühne herumlümmeln und ihre Einsätze kamen danDeutschlandfunk am Abendn ziemlich unvermittelt, man guckte sich so um und zack, schon war mit "plidderdamplom" die Harfe, "dremmeldibumm Klickboms" das Schlagzeug oder "bröööööööööötz" mal wieder die Basstuba an der Reihe. Im Cage-Finale wurden zwei weiche Bleche hochgehalten, wie sie sonst der Theaterdonnerer zu brauchen pflegt: wudel-wudel-brommelbrommelBROMM!, das fiel sehr ins Ohr. Mit Inbrunst bearbeitete hierzu Solistin Ninon Gloger die Klaviatur, doch statt perlender Brillianz kamen, dank präparierter Saiten, nur mehr gequälte, stumpfe Ächzer aus dem Flügelkasten. Und die hübsche Harfenistin mit dem langen Haar hätte sicher lieber melodische Weisen gezimbelt, anstatt nur ab und zu mit der Hand hineingreifen und "twäng" machen zu dürfen. (Warum hab ich eigentlich noch nie eine geschorene Harfenistin mit Irokesenbürste gesehen? Wegen Pentangle: "They took three locks of her yellow hair, / Lay the bairn tae the bonnie broom, /And wi' them strung that harp so rare..."?) Aber alles in allem war es sehr angenehm zu hören, wirklich. Ein bißchen wie Strecken und Recken nach langer Bettlägerigkeit: Ungewohnte Klänge im Ohr sind auch ein Genuß! Die seltsamsten Fiorituren und unvermutete Konsonanzen... Kaum zu glauben, dass das alles streng nach Noten in der Partitur stehen soll. Bei den letzten Variations von Cage vor der Pause wurde mir wohl etwas zu meditativ zumute, da duselte ich im Zuschauersessel ein - das passiert mir, sei's Tosca, sei'sTraviata, selbst in den schicksalhaft-tragischsten Opern - und schmatzte selig und satt (war wohl der Schampus, der mir noch auf den Lippen lag), bis meine Frau mich mit dem Ellbogen anstieß, ansonsten blieb ich aufmerksam und konzentriert sitzen, hatte richtig Spaß an der Sache und nicht die mindeste Neigung, türenschlagend aus dem Saal zu stürmen.

    Die Musiker waren jedenfalls mit Feuereifer und rührendem Ernst bei der Sache, handhabten ihre wunderschönen Instrumente mit der jungen Menschen nun mal eigenen und eine Zeitlang fast unveräußerlichen Grazie und, wie meine Mutter immer sagte: "Was man mit Butter und Eiern verdirbt, das kann man immer noch essen!" Dieser Satz scheint mir vollumfänglich auch für die Neue Musik zu gelten. Und dann auch noch bei freiem Eintritt und mit Gratissekt - das lassen wir uns nicht mehr zweimal sagen!


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