• Zwei Weckmänner mit Leberwurst

    Was von der Pandemie bleiben wird, wenn das jetzt noch weitergeht, womöglich jahrelang? Keine schönen Aussichten: Ich kann ja mal - rein subjektiv, versteht sich - die Vor- und Nachteile, Pros und Cons der Neuerungen seit Mitte März 2020 zusammenstellen.

    Zwei Weckmänner mit Leberwurst

    Vorteile

    1. Hände waschen, als gesellschaftlicher Auftrag und Gebot der Stunde - die Befolgung von Hygieneregeln ist bekanntlich nicht angeboren - ist angesichts vieler Zeitgenossen immer eine sehr gute Idee, noch besser der Verzicht auf Händeschütteln, Schultermassage und sonstiges  soziales "Antanzen". Free (us from unnecessary) hugs today!

    2. Hemba-Hemba-Events wie Kölsch- und Oktoberfeste, Flashmobs, Rhein in Flammen, Massendemos, Hooliganbälle im Stadionformat u.ä. entfallen weitestgehend oder werden ins Internet verlegt. Selbst eine sog. "Nackt-Radel-Demonstration" in Köln fand neulich nur unter strengen Auflagen (Unterwäsche, Abkleben von Brustwarzen) statt.

    3. Gesichtsmasken sind in den meisten Fällen eher verschönernd - schöne Antlitze machen sie noch geheimnisvoller, längst empfohlen durch die Verfechter des Schleiertragens, und jetzt sind gottlob auch die meisten Männer betroffen, bei vielen bleibt 2/3 der Fläche besser unsichtbar.

    ...

    Nachteile

    1. Beschulende und erziehliche Beschilderungen, dies und das zu tun, zu beachten oder zu unterlassen, verschandeln den freien Blick auf die Landschaft (Und was da alles verlangt wird - Maske aufziehn, Händewaschen, Kämmen, Anstalt hapten, nicht aus der Reihe tanzen / gleichen Flasche trinken, für die Stabilität der EU-Währung beten...). Man merkt die Absicht und geht zur Strafe ohne Abendessen ins Bett.

    2. Auch die harmloseren oder annehmbaren Sozialvergnügungen (Floh- und Jahrmarkt, Pflasterschach, Straßen- oder Freiluft-Marionettentheater, gute klassische Musik, Motetten, Kantaten und Canzonen, Schauspiel- und Opernwesen) werden abgesagt oder durch die Begleitumstände madig gemacht. Von Ausstellungen zu schweigen - durch den Louvre geht man auf vorgeschriebenem Weg und zwangsweise zur Mona Lisa, auch wenn man die schon kennt!

    3. Der Umgang mit den Gesichtsmasken nach Gebrauch und beim Verlassen der Mundschutzzone (In-die-Haare- oder Auf-den-verschwitzen Hals-Brust-Ansatz-Schieben) wirkt so ekelerregend wie das Mit-den-Fingern-Begrabbeln und Vom-Rückspiegel-Baumelnlassen. Zwei Weckmänner mit LeberwurstWeggeworfene Einmalmasken in der Randbegrünung gesellen sich indessen zu dort schon angesammelten, nicht appetitlicheren To-Go-Bechern, Slipeinlagen, Hundekottüten, Einwickelpapierchen, gebrauchten Kondomen etc.

    ...

    Ich merk schon, diese Aufzählung bereitet allenfalls flüchtiges Vergnügen, weshalb ich die Fortsetzung vorerst aufschiebe. Immerhin hat die Coronakrise eins gebracht, die zwei verknautschtesten Lobbyisten der Republik zu einem Doppelkopf vereinigt! "Wir verlieren tausende Menschenleben an eine immer wieder tödliche Viruskrankheit, wir verlieren Wohlstand und Arbeitsplätze an ihre Folgen", mahnten sie am 4. April im Berliner Tagesspiegel, in einem sog. WECKRUF - der eine noch ganz gestresst von der Tönnies-Beratungsarbeit, der andere verkatert von der SUV-PR. "Denn natürlich ist es nicht überall populär, die im eigenen Land hart erarbeitete wirtschaftliche Leistung mit anderen zu teilen." Der links hat zu der Zeit den coronaschleudernden Produzenten von Böklunder und Wiesenhof-Hähnchen beraten. Und war der nicht mal Kuschelrock-Beauftragter in der SPD? Hört, hört! "Krisen können Chancen für Europa sein – so wie die Balkan-Kriege der 1990er Jahre, die zum Beginn einer europäischen Außenpolitik führten." Das war schon einen Volltreffer per Farbbeutel voller Grundwerte und Prinzipien wert, stimmt's, Joschka?

    Zwei Weckmänner mit Leberwurst

    Sehen sie nicht wie gekränkte Leberwürste aus, die beiden Schnuckis? Weckmänner mit Leberwurst - so begannen die zwanziger Jahre!

     

    wird, wenn mir danach ist, fortgesetzt


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  • Lasse Leben auf mich regnen


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  • Die rote Linie überschritten ist auch so ein Quatsch. Ständig höre ich Anglizismen in den miserabligen Übersetzungen von Krimiserien. Und immer wieder wird ein Steak falsch serviert! Neulich hatte ich aus einem gedruckten Krimi das kulinarische Beispiel vom geschwungenen Fischfilet zum Steak gebracht. Vorige Woche kam in einer dieser TV-Serien, ich glaube es war "Vera", eine mißlaunige Polizeikommissarin aus Großbritannien, die erfreulicherweise nicht viel redet, aber ihre Kommentare zum Geschehen mit so pessimistischen "Mhm" und "Hach"-Lauten erkennen läßt (meine Frau und ich haben uns das seitdem regelrecht angewöhnt!), also da kam vor, wie ein junger Mensch von einer Dame auf ein Steak eingeladen wird, "Ich mach Dir auch ein Steak", so in der Art und es folgte "...mit Nierchen!" Und nicht nur das, der Blödsinn wurde am Ende der Szene noch mal wieder aufgegriffen, wie 'ne rennende Pointe: "Und vergiß nicht das Steak!" strahlte er sie bedeutungsvoll und lüstern an. Blinki, blinki, Augenzwinki: "Mit Nierchen!" Lecker, wenn man ein Steak hat und dann auch noch Saure Nieren in Sahnesauce dazu bekommt, mit KarlToffel-Püree als segondi piatti vielleicht? Dabei waren die Innereien, die Leopod Bloom seiner Nora am nächsten 16. Juni zum Frühstück mitbringt, gar nicht gemeint. Sondern, wie mir mein Rückübersetzerprogramm im Gehirn vorschlägt, aller Wahrscheinlichkeit nach "Kidney"-Bohnen, die ganz vorzüglich zum Steak schmecken, aber dann sollte das Gericht gefälligst Steak mit Bohnen heißen ("schon wieder Bohnen", wie die Wildwestleute am Lagerfeuer stöhnen, wo sie Nacht für Nacht von lauter lebenden Steaks umgeben, die immergleichen Dosenbohnen kriegen, die Andy Warhol dann zum Pop-Kult gemacht hat).

    Wegweiser zum Pfad des amerikanischen FreundesZurück ins Glied, bzw. auf Linie. Früher gab das keine "rote Linie" zum Überschreiten in der deutschen Alltagssprache, da hieß das meiner Erinnerung nach Grenze. Oder? Oder, oder, oder. Okay, da gab es die Oder-Neiße-Linie, eine wahrhaft "rote" Linie (ich sage nur: Linie mit Vorhang, der aus Eisen ist gemeint) - eine graniza, die man ungern eine "Grenze" nennen wollte, weil die Ewiggestrigen noch nicht ahnten, daß Schlesien auf jeden Fall "unser" bleibt, unser Schlesien nämlich in der Erinnerung, dem schönsten Paradies ohne Vertreibung. (Hatte ich nicht schon mal vorgeschlagen, das ewige "und, und, und", mit dem man eine sinn- und endlose Folge von Aufzählungen abzukürzen vermeint, jedesmal mit "oder, oder, oder" zu substituieren, um den Schwachsinn gleich ins Extrem zu steigern und dadurch aufzuheben?)

    Jetzt aber Trump, der dafür ja schließlich Präsident geworden ist, uns jedenTag mit neuen Lach- und Sachgeschichten zu überraschen. Törööö! Gestern soll er zu dem Giftgasmord des Massaker-Assads gesagt haben, es seien "mehrere rote Linien" überschritten worden, wie der SPON-Videokommentator höflichst übersetzte, ich hab es aber im Radio zuerst gehört, da blieb der O-Ton länger stehen, und es hieß doch wirklich und wahrhaftig "MANY, MANY LINES!"Ampelwunschknopf

    Dass wir die Sch%*!#%&!metaphern aus dem amerikanischen Politikerspech eins zu eins übernehmen, schlimm genug, aber Trump hat echt nicht begriffen, wie die Metapher funktioniert. Also nochmal für Doofe. DA ist eine rote Linie -------------------------------------------------------------------

    und WEHE du überschreitest die, dann gibt's Kasalla, d.h. Boykott, internationaler Steckbrief, Einmarsch von Bodentruppen, Absetzung, Kriegsverbrecherprozess und notfalls den Strang oder bei zeitigem Abschied von eigenen Gnaden das gutdotierte Exil auf Sankt Helena oder am neutralen Genfer See.

    EINE rote Linie, wenn schon, denn schon. Nicht zwei, drei, oder vier. Man merkt es gleich, wenn man "Grenze" dazu sagt, dass es anders nicht funktioniert. Mit den vielen Linien, das war Chamberlain in München 1938, das klappt nicht. Hier ist die Grenze, und jenseits davon ist Schluss.

     

    P. S. es war natürlich doch nicht Schluss. Keine zwei Wochen später kam ein Krimi mit Inspektor Banks, und was passiert kurz nach Beginn? Bilder von losdüsenden Blaulicht-Polizeiwagen, Lautsprecherdurchsage: "Achtung, an alle Einsatzkräfte: Leiche im Moorgebiet!" Ich denk schon, jetzt muss sich die Truppe aber mit Gummistiefeln ausrüsten und einen schlammverkrusteten Ertrunkenen im Bodybag bergen, aber nein, man spazierte trockenen Fußes durch... erika-überwucherte Heidelandschaft. Der Übersetzer kannte wohl den schönen Folksong - most beautifully rearranged for Hohner organ and guitar by Paul Brady - nicht,  "Heather on the moor, over the heather, over the moor and among the heather...": da setzen sich der Schürzenjäger und die schöne Schäferin direktemang hinein ins Moor.


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  • Die abgebildete Postkarten-Collage (anders kann man es nicht nennen, denn mit dem ursprünglichen Bildmotiv hat es nicht viel zu tun) bekam ich heute ausgehändigt, allerdings nicht porto franco, sondern gegen Einzahlung einer passablen Gebühr.Allegorie an der alten Hamburger Post Merkwürdigerweise ist auf dem "Benachrichtungslabel" (spricht man läibäll aus, nicht wie "Labello") der Betrag nicht wie einst als Nach-, Straf-, oder wie-auch-immer-Porto, sondern als "Zollentgelt" bezeichnet. Und ich dachte, Zollentgelte seien mit der Gründung des deutschen Zollvereins 1834 und der Vereinigten Staaten von Europa abgeschafft worden!Postkartencollage Ich hätte die Zustellung natürlich ablehnen können, in einem Fall, wo ein etwas bescheuerter Verwandter mir eine Postkarte ganz ohne Porto sandte, wurde ich vor die Wahl gestellt. Diemal war ich nicht zuhause und bekam eine Benachrichtigung. Natürlich braucht man da nicht hinzugehen, dann wird vermutlich das Zustellungsgut nach irgendwelchen Absender-Indizien untersucht und anschließend, wenn man keinen Absender findet, geschreddert. - Da ich aber ahnte, dass diese Postkarte von zarter Hand (eben genau der unten links) in den Briefkasten (Abbildung ähnlich) geworfen worden war, ließ ich mich nicht lumpen und gab der Schalterbeamtin, was der Schalterbeamtin zusteht und erfreute mich der Lektüre einer wohlvertrauten Handschrift. Die Absenderin ist übrigens begeisterte Postcrosserin, und hat eine eigene Webseite für die öffentliche Abbildung. Stempel auf der TextseiteIch crosse zwar nicht Post, aber schon weil mir das Postwertzeichen so gut gefällt, wollte ich das Belegstück für meine wachsende Sammlung von Freundesautographen haben und es soll hier teil-veröffentlicht werden - der Zusteller wird schon kein Copyright für seine Zutaten verlangen! Also schön, die Marke war "veraltet", aus einer längst aufgegebenen Serie bedeutender Frauen der deutschen Geschichte, und die Angabe 80 bezieht sich auf Pfennig und nicht Cent. Das darf nicht sein: Diese Marken sind seit 1.7.2002 ungültig, las ich vor einiger Zeit. Es gibt in der Sprachregelung der Post AG auch "Verdorbene" Briefmarken, das sind solche, die versehentlich nicht gestempelt wurden. Neulich dankte mir jemand per e-Mail für einen Brief... und darin führte dieser Jemand u. a. aus, Briefe "mit der Hand" und von solcher Länge!!! schreiben, nein, das ginge nicht mehr. Schade eigentlich, ich möchte meine Feinmotorik noch eine Weile in dieser alten Technik schulen, bevor ich nur noch über Displays wische. Demnächst soll man ja alle möglichen Funktionen im Auto beim Fahren mit so einer Wischbewegung auslösen, und wenn erst das "autonome" Autofahren kommt, freu ich mich schon auf das autonome Einparken! Schon als es noch die autonomen Jugendzentren gab, hab ich mich immer gefragt, was demnächst noch alles autonom genannt wird. Bis dato ist der Autofahrer ja das unfreieste Wesen der Welt, geradezu verknechtet! Eben erst wurde ein Gesetz beschlossen, das ihm demnächst die Benutzung eines Tablet-PCs während der Fahrt verbietet. In meiner Jugend wurde merkwürdigerweise nie darüber nachgedacht, dem Autofahrer das Schreibmaschineschreiben während der Fahrt zu verbieten. Einen Brummi-Fahrer aus Tschechien haben sie mal erwischt, der las während der Fahrt Bücher und hatte ein eigenes Regal unterm Steuerrad.aus Illustrierten recycelter umschlag Ich hab auch das nie gemacht, es ging nicht so richtig. Denkmal für Heinrich von StephanVorgelesen, als Beifahrer der Fahrerin am Steuer, das schon... Ich konnte allerdings früher mal freihändig Radfahren und dabei Gitarre spielen, das ging auf längeren ampelfreien Radwegestrecken ganz gut. Gitarrespielen soll übrigens auch gut sein, um der Verknorpelung der Fingergelenke entgegenzuwirken, genauso wie mit der Hand schreiben. Das denken wohl auch diejenigen, die die obige Postkarte außer mir in der Hand hatten und der maschinellen Beförderung in letzter Sekunde entzogen haben. Ich liebe ja Bearbeitungsspuren und kaufe mir im Antiquariat nicht ungern Bücher mit Anstreichungen, Kommentaren, Exlibris und Co. Historiker sind dankbar, wenn Briefe mit Umschlag aufbewahrt werden, schon weil man das Datum am Beispiel des Stempels überprüfen kann, im Januar setzen die Briefschreiber gern die falsche Jahreszahl... Und hier? Gelb heißt anhalten - vor dem ReinwerfenErstmal wurde die Ansichtskarte (eigentlich gemein, wieso überhaupt, wenn die Marke eh nicht anerkannt ist?) ziemlich unvollständig und wie mir scheint, mit der Hand gestempelt, da steht was von Briefzentrum und 16. 11., aber mehr ist nicht zu erkennen. Reichen die vielen Portoerhöhungen der letzten Jahre nicht mal aus für nasse Stempelkissen? Oder war der Stempel schon "abgenudelt" (Fachausdruck aus dem Bleisatzgewerbe)? Das untere Rund des Stempels hat meinen Nachnamen voll eingekreist, könnte auch eine Art Sympathie-Magie sein, will ich hier nicht abbilden - bei Faust auf der Türschwelle muss ja der Drudenfuß an einer Stelle offenbleiben, damit der Kernpudel rein- aber nicht wieder rauskann. Dann hat noch jemand mit starkem Edding die Ziffern G 2 und 28. zugesetzt, dazwischen einen Winkel, der verdächtig nach Galgen aussieht. Briefkasten in der LandschaftUnd schließlich wurde die Briefmarke von einem blauen Buntstift links eingerahmt (das Kleberlein mit dem komischen Vogelgesicht links daneben nicht, das war vermutlich unstrittig und ich hätte mich beschweren können, wenn das moniert würde), und daneben schrieb dieselbe Hand die nunmehr fällige Summe auf, nämlich 115 (Cent oder dann doch Pfennige? ich hätte noch genug, glaube ich... und der Kupferanteil ist höher) eingetragen. Wie die auf die Summe kommen, ist mir auch ein Rätsel, das sind ziemlich genau 70 Cent mehr als eine Postkarte mit Centmarke kostet. Und diese Einnahme verbucht die Post AG als "Zollentgelt"? Wenn ich mir vorstelle, wie viele Leute schon mal falsche Marken aufkleben, da kommen sicher stattliche Summen zusammen. Kann es sein, dass da eine gigantische Einnahmenverschiebung in Richtung Steuerfreiheit abläuft, nach Art der cum-cum-Geschäfte u. a. der Deutschen Bank und diverser Landesbanken...? Wundern würde es mich nicht, wo wir Steuerbürger jetzt die illegal von Auslandsinvestoren aus unserem Staatshaushalt abgezogenen Umsatz- bzw. Kapitalertragssteuererstattungen aus eigener Tasche zahlen müssen, statt das Geld von den Banken zurückzuverlangen.


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  • Du wirst es nicht glauben, aber in all meinen anarchistischen, bürgerlich-demokratischen oder gar protosozialistischen Phasen bin ich doch eigentlich heimlich Royalist geblieben. Nicht wegen der "Royals", das ganze Familiengezumpel wurde mir schnell zuviel, habe selber eine unübersichtliche Höllenstaffage von Verwandten. Aber die Wiedereinführung des erblichen Herrscherthrons z. B. in Bayern dünkt mich ein lohnendes politisches Ziel, ich wüßte, welche Partei ich dort wählen würde, schon damit sich Bayern endlich auf dem dritten Weg so langsam an die Demokratie gewöhnen kann, das ging 1919 einfach ein bißchen schnell für die Bewohner, man hätte Rücksicht auf das Deutschland der 35 Geschwindigkeiten nehmen müssen. Kurz, ich war auch schon vor einem halben Jahrhundert begeistert von der Queen, die damals Deutschland besuchte, und als ich zwei Jahre später nach England kam, um den Buckingham Palast, das Kaufhaus Harrod's, den Tower und die London Bridge zu sehen (und den Piccadilly Circus! Carnaby Street!! Swinging London, Miniröcke, Plattenläden, alles! Mann, es war 1967!!!), und ich jede Menge Posters mitnahm, von den Beatles, von Lord Kitchener, der vor den wunderbar britischen Union Jack Farben mit dem nackten Zeigefinger auf mich zeigte und I WANT YOU sagte, da hätt iThey say it's your birthdaych mich sofort eingemeinden lassen und wär' Engländer geworden, ich war nah dran. Ich hielt das Londoner U-Bahn-System für einen Beweis der waltenden Weltvernunft und es gab nichts Logischeres und Einsichtigeres als das Umsteige-Relais "Clapham junction", wo ich umsteigen mußte um das Reihenhaus (immerhin, jeder hat ein Haus!) meiner eher dem Proletariat angehörenden Gastfamiile wiederzufinden. Treppenbrücken über den Gleisen! Mind the gap! Dagegen wie unübersichtlich der Nahverkehr in meiner schmuddelligen usseligen Heimat! Hier in England war alles sauber und beschildert, angstfreie Orientierung ohne jedesmal irgendwen fragen zu müssen, für mich war das ein Phantasialand der Aufklärung und des Rechts auf Meinungsäußerung, z. B. im Hyde Park konntest du die Verrückten predigen hören und kein Polizist (alle nur mit Gummiknüppel bewaffnet, kein Schießgewehr) brüllte "Runter von der Teekiste!". Auch dass man auf der Fähre förmliche Einwandererpapiere ausfüllte und unterschreiben musste, keinen Hund einzuführen und keine ansteckenden Krankheiten, fand ich gerecht und nützlich. They say it's your birthdayEs war allerdings noch vor den Briefkastenbomben der IRA, und von Drogen hatte ich keine Ahnung. Und die Engländer waren so höflich, sprachen mich Schüchternen offen an, nach einer Weile verstand ich sie auch einigermaßen. Mit der Gastfamilie war ich in Blackpool, die Beatlestexte konnte ich bald alle auswendig, Ehrenwort! Als es so weit war, lösten sie sich auf, abgeschlossenes Sammelgebiet. Ich hatte die buntesten Poster (Beatles-Fotos mit Farbverzerrung), die Sgt.-Peppers-LP mit dem Starschnitt und die Let-It-Be-Kassette mit den eingelegten Fotos! Alles beim Erwachsenwerden umstandslos verschenkt, heute Tausende wert.They say it's your birthdayThey say it's your birthday Der Linksverkehr war mir noch ganz egal, und gut, das Zwölfersytem mit der verdammten Pfund, Shilling- und Pence-Rechnung, na schön, das fand ich nicht ganz so logisch. Aber wenn ich mir beim Kiosk ein Comicheft (englisch!) besorgte, dann ließ mich der Kioskbesitzer immer grundsätzlich das Wechselgeld ausrechnen, damit ich das lerne, sagte er, fand ich wahnsinnig nett, wie überhaupt alle sehr auf mich eingingen und mit mir viel Englisch redeten, damit ich das endlich mal lerne, später hab ich dann eine Zeitlang meinen oxfordisierenden Gymnasiallehrer mit Cockney verärgert, in der Hinsicht brachte mir der Aufenthalt nichts. Aber ich war eingeschworener Engländer mit Schirm, Charme, leider ohne Melone, und weil Hamburger damals noch völlig unüblich waren, investierte ich mein Taschengeld in "Wimpy's", woher ich (in der Londoner Zentrale) übrigens gelbe Senf- und tomatenförmige Ketchup-Spender als Mitbringsel nach Hause brachte. Kurz und gut, die Queen wurde vorgestern neunzig und sei von dieser Stelle aus von ihrem wohl treuesten deutschen Anhänger gegrüßt und beglückwünscht, ich hab noch den Ersttagsstempel (sowas sammelte ich eigentlich gar nicht, schon damals nicht) zum Gedenken an ihren Staatsbesuch vom 19. Mai 1965, boah, sah die mal hübsch aus, die war ja noch sehr jung im Gegensatz zu Adenauer oder Lübke oder Erhard, der bald darauf, glaube ich, Kanzler war. Aber der war bekanntlich "Atlantiker" und Adenauer mehr nach Frankreich orientiert, und ich bald auch, denn Frankreich lag doch viel näher, und ich kehrte erst Jahrzehnte später in Großbritannien der Queen zurück, in das mein Vater einst hatte sowieso auswandern wollen. Ich war also eigentlich desinignierter Brite, nicht wahr?


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