• Bei Zeus, heute nacht träumte mir, die Tomatensorte "Sarah Palin" zu kultivieren, die aber in meinen kalten Füßen und im schmerzenden Knie nicht recht gedeihen wollte. Kalt war mir geworden, weil gerade Schafskälte herrschen soll, aber der Anzucht im Tomatenhaus macht das nichts aus, die von der Baumarkt-Durststrecke etwas angegilbten Blätter sind schon durch grüne, frische überwölbt. (Ja, die wachstums-ermüdenden Triebe zwischen den "Blattachseln" habe ich gelegentlich "ausgegeizt". Komplettenthaarung muss nicht sein, aber eine Tomatenpflanze, die was auf sich hält, lässt sich im Sommer die Achselhöhlen rasieren.) - Und das Knie tat weh, weil ich vorgestern abend, als ich nach einem sog. "Vollmondsalon" - die Mondfinsternis fiel wegen Wolkendecke aus - bei Frau P. im Harz-4-Weg wieder ins Linksrheinische heimgeradelt kam und vor lauter Freude den Boden geküßt habe, direkt am Heumarkt vor der Malzmühle, vor feixenden Rauchern mit Kölschgläsern in der Hand. - Frau P. ist übrigens auch die Spenderin der "Huckleberry Finn"-Tomate. Wie ich die aber nun in mein Knie eintopfen soll, weiß ich nicht. Im Gartenerde-Sack ist sie gut untergekommen gestern.

    Aufgewacht, sah ich bei google nach und ermittelte, dass zwar noch keine Tomate nach Sarah Palin benannt ist, wohl aber jemand mit Tomaten nach ihr geworfen hat! Fragmente der Tomaten allerdings nur den wachhabenden Schutzmann neben Frau Palin. Von diesem Ereignis im Dezember 2009 wusste ich nichts, kann mir auch nicht denken, es sozusagen unbewusst, irgendwie aus den Augenwinkeln wahrgenommen zu haben.

    Tomaten gibt es, die nach amerikanischen Politikern heißen, beispielsweise Abraham Lincoln. Andere heißen Prinz von Sachsen und Coburg, Principe Borghese oder Schmidt Olga. Nach einem amerikanischen Opernsänger heißt eine Sorte Paul Robeson, nach einer polnischen Sängerin Anna Herrmann. Ob das die Tomatensorten waren, die man bei Nichtgefallen der Darbietung auf die Bühne geworfen hat? Eins steht fest: der Name der Tomate, falls ich je eine züchten sollte. Er soll an die dümmste US-Präsidentschaftskandidatin erinnern, die womöglich noch ins Weiße Haus kommt.


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  • Voilà - das Tomatenhaus steht. Ein Palast für das rotfleischige Gemüse wurde es nicht gerade - im Stil eher Mies van der Rohe als Bruno Taut - ,Tomatenhaus, vom Eingang gesehen eine Bekannte fühlte sich gar an Onkel Toms Hütte erinnert und schärfte mir ein, die von ihr gestiftete "resistente" Aldi-Tomate mit "Huckleberry Finn" anzusprechen (sie meint, man müsse mit den Pflanzen reden - wogegen nichts einzuwenden ist - , und sich dabei gängiger Namenskonventionen bedienen). Außer ihrer Topf-Tomate haben wir bisher alles in Säcken eingepflanzt, die handelsüblichen Gartenerde-Plastiksäcke sollen sich problemlos für den Tomatenanbau auf Balkons oder Terrassen eignen - und hier haben wir zwar Boden, aber ich weiß nicht recht, ob wir gut daran tun, den Rasenstreifen am Garagenhof zu "bebauen". Man empfahl uns, "bierdeckelgroße" Löcher in die Plastiktüte zu schneiden und 2-3 Pflanzen pro 20-Liter-Sack einzusetzen, vorher natürlich die Säcke unten etwas perforieren, damit das Gießwasser ablaufen kann. Insgesamt dient das Tomatenhaus sowieso nur der Abwehr von Regenwasser aufs Haupt der südlichen Paradeiserfrucht, was sie so wenig schätzt wie nasse Füße vor dem Schlafengehen. Aber um auf die Architektur zurückzukommen: Erstens mussten wir auf das Vorhandene, d.h. einen wirren Bretterhaufen, zwei Seitengeländer und ein solides Dach zurückgreifen, abgerundet durch eine Wellplastikwand, die wir mal nach Norden ausgerichtet haben - insofern war der Gestaltungsspielraum gering. Und zweitens sind auch unsere eigenen Tomaten die bisher billigsten; am Anfang der Saison kaufte ich eine zu 55 Cent (Baumarkt-Lockvogelangebot, links hinten die im hohen grünen Topf), die jetzt die ersten noch unreifen Früchte trägt, nun haben wir vom Tomaten-Ramschverkauf im gleichen Baumarkt zehn ihrer Gesellen à 30 Cent erstanden. Dazu noch die resistente Aldimate (kostete 1,49 €) mit ihren grünfleischigen, gerillten Blättern - dagegen sehen unsere eher fimschig aus - , und heute kommen die Feinheiten dazu, von denen ein Kollege meiner Frau "zuviel" im Garten hat: besondere oder "historische Kultursorten" aus dem 19. Jahrhundert, wenn ich recht verstanden habe: Grüne, schwarze (!) - soll eigentlich dunkelviolett sein - und sog. Ananas-Tomaten, die bis zu 460 Gramm anschwellen sollen. Die kriegen wir gratis, so dass wir auf ein einigermaßen vertretbares Preis-Leistungsverhältnis bei den Tomaten rechnen können, denn was soll der ganze Anbau, wenn die Südfrüchte hinterher bedeutend teurer sind als im Supermarkt gekauft. Angeblich sollen sie besonders köstlich schmecken (ich finde, sie riechen schon interessant, und zwar nach Nikotin, mit dem sie verwandt sind), wenn man sie selber hochgezüchtet hat (ist ja mit Schweiß des Arbeiter- und Bauernstaats gedüngt), na schön, aber merk ich das noch bei einer Spaghettisoße oder auf dem Pizzabelag? Tomatenhaus von der SeiteBei der Ananas-Tomate allerdings soll das Gestell laut Internet bis zu 2,50 m hoch sein, das erreichen wir mit diesem Flachgewächshaus natürlich nie! Während die Tomatenplantage einigermaßen gedeiht, haben meine ebenfalls im Garagenhof deponierten Basilikumpflänzchen unter Raupen, Käfern o. ä. stark gelitten. Dieses gierige Völkchen durchlöchert ja schon die Keimlinge am Stängel, anstatt wenigstens abzuwarten, bis sich anständige bißfeste Blätter daraus entwickeln. Komischerweise gehen sie aber nur einzelne der Pflänzchen an, andere lassen sie unbehelligt, und selbst die angefressenen entwickeln sich manchmal ganz strebsam weiter. Meine ohnehin viel zu üppig gediehene Basilikum-Monokultur ist also bereits ein wenig dezimiert. A propos, eigentlich müssten wir jetzt noch einen Büffel vor den Garagen halten, um das nötige Mozzarella zu gewinnen. Aus Samen für 15 Cent entwickelte ich noch rund 15-20 Pflänzchen Origano, die behalte ich besser auf dem Balkon (wie einen Teil des Basilikums auch), wo sie weniger dem Schädlingsbefall ausgesetzt sind. Mein Traum wäre jetzt noch ein verbilligter oder vom Discounter möglichst vor den Abfalltransport-Container ausgesetzter Himbeerstrauch oder sonst eine waldboden-kompatible Staude, die wir vor einen unansehnlichen Bretterzaun setzen würden. - Und warum spricht der Volksmund von der "treulosen Tomate"? Angeblich sei das eine Übersetzung für "illoyale Italiener" - aus der Zeit des Ersten Weltkrieges, als Italien (wo man seit 1819 Tomanten in der Küche kennt, in Deutschland erst um 1900) gegen Österreich kämpfte - trotz des 1886 geschlossenen "Dreibunds". Dass man nicht von treulosen Mohrrüben oder treuherzigen Sellerie spricht, hat aber sicher auch mit Lust an der Assonanz zu tun, die uns Deutschen durch Wagners Weihfestspiele quasi in die Wiege gelegt ward ("Schabst du das Schello, schäbiger Schuft?"" - "Nein, ich gige die Goge, geifernder Gauch!"). Hoffen wir, dass keine spaßbremsenden Spinnmilben und tückischen Tomatenminiermotten einziehen: sonst herrscht, wie es in der Edda heißt, "Harm in der Halle".


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  • Man muss früh beim Discounter sein, dann verschenken sie das Pflanzenzeug, was sie nicht mehr verkauft kriegen. Neulich jede Menge Buchsbäume, aber mir fehlt die entsprechende Allee vor dem Haus, ich nahm statt dessen Oleander und irgendwas Margeritenähnliches mit. Gedeiht beides gut. Heute hab ich mir 2 Blumen mitgenommen (ich hätte sechs haben können und ärgere mich jetzt), und zwar eine Salbei- und eine Origano-Variante, aber nur zum Gucken, nichts zu essen. Den schönen Rosenstrauß, der im wasserfreien Verkaufseimer vor sich hin mickerte, hat mir die Oma, die vor mir an der Kasse war, weggeschnappt.
    Gestern stieg ich in die abwaschbaren Radler-Regencapes plus Arbeitshandschule und große Treter und mühte mich ab, die Müllhalde hinterm Brachlandzaun zu bereinigen. An Christi Himmelfahrt war ein Schwarzbauer (so ist das nun mal, es gibt Schwarzarbeiter und -bauern, aber auch Schwarzangestellte und Schwarzunternehmer. Aber Weißarbeiter? da muß ich nachdenken) aufgetaucht und hatte mit seinem quietschbunten Traktor die Wiese gemäht, holte auch mit einem anderen Gerät die "Mahd" ein und ließ das Zauntor offen (eigentlich kann man hinten ganz bequem einsteigen, aber mir war's recht so für den Fall, dass mich jemand von der Schmierfettfabrik erwischt - dann hätte ich sagen können, bitteschön, das Tor war auf). Es gab zuvor ein paar innereheliche Argumente über "Prioritätensetzung" und ob das, was hinterm Zaun vor-, uns etwas angeht, aber mir war nach einer Generalreinigung, auch wenn es nicht "unser" Mietshaus-Grundstück ist. Ich möchte nun mal nicht neben einer Müllhalde wohnen, ich sammle ja auch Bonbonpapier vom Vorgartenrasen weg und bin außerdem Anhänger der "broken window"-Theorie: wenn irgendwo ein Fenster eingeschlagen ist, muß eine Woche später die nächste Scheibe dran glauben und in Nullkommanix wohnt man in einem Elends-Ghetto.
    Meine Nachbarn kennen die Theorie nicht. Offenbar benutzten sie das Brachfeld seit etlichen Jahren zum Entsorgen ihrer Gartenabfälle - na gut, ein bissl "Mahd" von der Vorgartenwiese, das könnte angehen, aber auch Altholz vom Birkenstamm und  abgewelkte Blumentopfinhalte finden sich auf der anderen Seite des Zauns. Sie nehmen nicht mal das Plastikzeug vorher ab! und das stört mich dann wirklich, auch kaputte Schaufeln mit Plastikgriff, der nie verwesen wird, und jede Menge Pöttchen, sogar die Tabletts, wo diese Pöttchen am Blumenmarkt verkauft werden. Ein Blumenhändler war's nicht, dafür ist es wieder zu wenig. Oder es sind nicht die hier aus dem Haus gewesen, eigentlich ganz anständige Leute, sondern die Besitzer der Autos in den Garagen (das ist nicht unbedingt Personalunion, wir haben auch keine Garage). Alte Flaschen, rostige Eimer, Coladosen aus der Vor-Bepfandungsepoche, und allerlei mehr. Ich finde das nicht so ästhetisch und hielt den Zeitpunkt, wo eh schon die Wiese gemäht wurde, für gekommen, Ergreifendes abzumessen bzw. Maßnahmen zu ergreifen.
    Unmittelbar neben dem Grundstück, links von der Ausfahrt des Garagenhofs, steht zudem so ein blöder Altkleider-Container (aus Brettern zusammengeleimt; eine Freundin aus Bayern, die uns besuchte, dachte schon, es wär das Häusel mit eingeschnitztem Herz-Luftloch). Und auch das verführt offenbar die Leute dazu, irgendwelchen Krempel, dessen sie sich gern entledigen wollen, rings um den Holzkasten abzuladen, wo es sowieso am Brachlandzaun steht, vor und dahinter sammeln sich nun regendurchweichte Kinderbücher, Kitschbilder, Geschirr und andere überflüssige Sachen an. Wenn da nichts passiert, haben wir demnächst das Ambiente einer Favela in Rio vor unserer Terrasse. Nicht, dass hier nur Umweltschweine wohnen, so ist das auch wieder nicht, das alte Ehepaar neulich hielt sich eine Viertelstunde lang an dem Holzcontainer auf (ich dachte schon, da will jemand unsere Terrasse ausbaldowern), und las sich genau durch, was mit den Altkleidern geschieht. Endlich fassten sie sich ein Herz und warfen ein schmuddeliges Bündel in die Klappe (hoffentlich war's nicht der in den Anorak des Opas gewickelte neugeborene Enkel...).
    Kaputte alte Vogelhäuschen liegen auch in dem Brachfeld, daher weiß ich, dass leider auch unser Vormieter (ein echter Vogelliebhaber) am Entstehen der Müllhalde mitgewirkt haben muss, vielleicht beim Auszug und die Sperrmüll-Servicediense der Stadt nehmen ja auch nicht alles mit. Desto dringender mein Anliegen, für Abhilfe zu sorgen. Ich ließ die ebenso liegen wie den gammeligen Schlafsack etwas weiter hinten, wo das Grundstück dieses Hauses längst zu Ende ist. Darum dürfen sich gern die Anwohner von dort kümmern. Aber ich lege mich demnächst mit eingespanntem Film in der Kamera auf die Lauer, wehe ich erwische mal jemanden bei der wilden Entsorgung, das gibt 'ne Anzeige! Bei dieser Gelegenheit haben sich an unserem Teil des Zauns drei Blumenkästen aus Ton gefunden (mein Gott, wer schmeißt denn teure, schmale terracottarote Ton-Blumenkästen weg? anstatt sie an den Straßenrand zu stellen, wo sie sofort Abnehmer finden?), die habe ich mit den blaublüh-tigen Gratis-Pflanzen vom Discounter be"spielt". Dabei erwischte mich ein Hausbewohner, der aus Pflegefallgründen die Wohnung seit längerem nicht mehr verlassen kann. Vom Balkon her wollte er wissen, ob ich sein Tomatenhaus brauchen könnte. Das also ist das Dachlatten-Mikado, das (so eine andere Nachbarin) der Sperrmüll nicht abholen wollte und das - noch? - nicht in der Wildnis liegt, sondern diesseits am Bretterzaun, der die Bank vor Wind und neugierigen Blicken schützt. Das wäre demnach so ein Gerüst nebst einem transparenten Wellplastikdach wie hier (geklaute Abbildung ähnlich)Tomatenhausblog, denn Tomaten soll man offenbar vor direkter Sonnen- und Regeneinwirkung schützen. "Wat glaubense, wat ich da an Tomaten hatte", rief mein Nachbar und stieß ein paar Verwünschungen aus, dass er nicht mehr herunterkommt. Vielleicht mache ichs? Schnecken gäb es angeblich hier nicht, dafür Igel (die den Schnecken wohl den Garaus machen?).
    Der Kleintierzoo rund ums Haus ist wieder um einige Arten reicher. Am Abend meines Müllabfuhrsonntags habe ich auf der Straße eine flinke Ratte im Regen gesehen, die unter einem roten Sportwagen den Regen abwartete und später auf dem Brachfeld verschwand. Vielleicht habe ich die aufgescheucht? Auf dem Brachland entpuppte sich auch der Grund, weshalb sich die Eichhörnchen hier so gern einstellen. Da wächst ein schöner Walnussbaum und trägt auch bereits - derzeit noch flaschengrün & wattiert eingepackte - Früchte. An einer Stelle fand ich eine Eichhörnchen-Nußschalenhalde. Ich dachte erst, das wären Wespennester, da lag eine Walnuss neben der anderen, mit ziemlich großen Löchern drin. Im Beet vor dem Haus, wo wir unsere Blumen stehen haben, entdeckte ich am Sonntag einen größeren krummen Vorderzahn, der könnte von einem Eichhörnchen stammen, oder auch von einem anderen Kleinnager (einer von Raben erlegten Ratte vielleicht).
    Ansonsten sehen wir das Vogelkino jeden Morgen vor dem Fenster: Meisen, Schwalben und ein sonderbarer (rabenähnlicher) Vogel, der dauernd rhythmisch Prr-Prr ruft, der schwirrte gestern Abend hier herum. Echte Raben sowieso, dazu Amseln und Elstern. Ein Rotspecht verscheuchte heute früh kurz mal eine Meise vom Knödel und bediente sich selbst. Und das Besuchskaninchen war am Sonntagmorgen im Hof, und da fiel mir ein, dass es vielleicht doch keine gute Idee war, meine 42 Töpfchen mit Basilikumpflanzen in den Hof zu stellen, die sind vielleicht die rechte Zutat für eine Karnickelsalatmahlzeit! Andererseits stehen die Töpfe auf Behelfspodesten, um auch an die Sonne zu kommen, und von kletternden Karnickeln habe ich noch nie gehört, und so schlau und klandestin wie die Raben, die einander notfalls auf die Schulter steigen, um an irgendwas heranzukommen, sind die Hoppelmänner nicht. Weiter hinten in der Straße wird das Brachfeld auch für Küchenabfälle benutzt, da schmeißt jemand seine Mohrrüben weg, vielleicht aus Angst vor Erregern? Kaninchen, die virenverdächtigen Salat knabbern, möchte ich allerdings auch nicht gern mit Backpflaumen und Rotwein im Römertopf schmoren lassen. Salat ist ja inzwischen rehecabilitiert, aber wie steht es mit Sprossen? Fressen Kaninchen Sprossen? Es wird Zeit, einen Rohkost-Rehabilitationsbestseller zu schreiben. Nach "Makel Maulwurf" nun im selben Verlag, in gleicher Aufmachung "Genosse Sprosse"...


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  • Den Raupen entrann ich
    Gegen Pilze bekam ich Medikamente
    Aufgefressen wurde ich
    von der Blattlaus
    So frei nach Brecht könnte das Gedicht der Nachkriegsrose lauten, die in Adenauers Rhöndorfer Garten das Licht der Morgensonne erblickte und von der sich ein Ableger nördlich nach Köln in den Vorgarten unseres Mietshauses verirrt haben muss, so hochgewachsen und blütenreich nimmt sich der prachtvolle Stamm neben unserem Terrassenbalkon aus. Blüte über Blüte poppt auf und krönt in luftiger Höhe den Stock. Allerdings erfordert die Pflege dieses Pflänzchens nicht nur tägliches Gießen, sondern ständige Leibesvisitationen. Ich wusste schon immer, dass Gärtnerei was Perverses hat. Der widerspenstig Kratzenden mit behandschuhten Fingern unter den Blütenrock fassen - Blatt für Blatt befingern - die Stängel auch in Bodennähe mit süßem Tau benetzen - und, ja, den holden Duft einatmen und das Gesicht in volle Blüte versenken wie dieser Opi, dessen Frau von hinten ruft: "Machsten du da?" in einer der letzten Karikaturen des verstorbenen Satirikers Chlodwig Poth (nach dem in Frankfurt übrigens schon eine Grünanlage benannt ist). Vor über 200 Jahren hat das ja auch schon Christoph Martin Wieland in klassischer Schweinkramlyrik angedeutet:

    Das Gärtlein still vom Busch umhegt,
    Das jeden Monat Rosen trägt,
    Das gern den Gärtner in sich schließt,
    Der es betaut, der es begießt,
    Es lebe hoch!

    Aber halt! was ist das, was da unter dem Kelchrand krabbelt, durch die noch eingerollten, rötlichen neuen Triebe wurmt, sich zu Kolonien unter den Blättern ballt! BLATTLÄUSE und anderes Ungeziefer, das wir Tag für Tag bekämpfen müssen. Das zarte, duftige Wesen verlaust, löchrige Risse in der Haut oder gar aufquellende schwarze Quaddeln sind dem Lustgewinn des Gärtners abträglich. "Euch werd ich's zeigen!" (Chlodwig Poth) Die Raupen, Käfer und die schwarzen Blattläuse lassen sich noch einigermaßen bequem durch die Wasserwerfermethode (Spritzkanne) beseitigen, selbst in großer Höhe. Über Kimme und Korn visieren, Zielpunkt nehmen und zack! abdrücken, kein Flächenbombardement, versteht sich, sondern kurze, effektive Luftschläge. Heißa, da purzeln die ungebetenen Gäste von ihrem schwankenden Chlorophyllfloß und stürzen ins Ungewisse hinab! Bei den weißlichen Blattläusen, ein schleimiges Gezücht, muss man die härtere Tour fahren, die klammern sich geradezu verzweifelt an die Unterseite gerade der Blätter, wo man sie am wenigsten vermuten möchte, und müssen einzeln abgerieben werden, hinterher kann man allenfalls die Finger, an denen sie saugnapfartig klebenbleiben, mit der wassergefüllten Spritzpistole reinigen. Raupen - na schön, die schleudern wir ins Gras, gegen Schmetterlinge haben wir ja auch nichts. Aber alles Unnütze, das der reinen Schönheit der Rose abträglich ist, wie dieses vermaledeite Blattlausvölkchen, gehört gnadenlos ausgemerzt. Ich wusste schon immer, dass Gärtnerei was Faschistoides hat.

    Dazu gehört auch die Einteilung in "unerwünschter Schädlingsfraß" und erwünschte, ja bewillkommnete und bewirtete Gäste. Die Meisen führen zu festen Tischzeiten ihren Akrobatenzirkus auf, aber gestern, bei starkem Wind und unberechenbaren Böen, hielten sie sich auffallend zurück. Dafür kam gegen 16.00 - wir saßen gemütlich bei Gemüsepizza und grünem Thee -, ein bräunlicher Vogel direkt auf uns zu, vielleicht wollte er an den Knödel? Aber er war viel zu schnell, mir schien, dass er schon unsicher trudelte, und plonk! knallte er gegen das Küchenfenster und fiel rücklings in den Balkon runter. Ich stürzte hinaus, wollte ihn in die Hand nehmen, da zuckte er noch was und legte den Kopf zur Seite. Dank google-Bildsuche wissen wir, dass es eine Amselin war. Unser Fenster wird ja auch von Elstern angesteuert, die sich - zum Ausbaldowern der Entfernung zu den darüber hängenden Meisenknödeln - in die Küchenkräuter setzen (lässt sich durch Wäscheklammern am Blumentopfrand verhindern), und heute früh sah meine Frau einen prächtigen Buntspecht, der keine Schwierigkeiten hatte, sich am Meisenknödel zu bedienen. Einen Grünspecht und einen Eichelhäher hatte ich schon neulich in der Vogelbadewanne entdeckt - leider auch ein Amselweibchen, das vor Tagen noch lustvoll herumplantschte, vielleicht war's dasselbe, das auf unserem Balkon verunglückte und binnen Sekunden den Tod fand? Oder war es in der Vorgartentanne nistende Mutter, vorn, direkt vor dem Rosenstock (neulich erst hörten wir den Nachwuchs fiepen)? Litt sie gar an einer postnatalen Depression, sah sie, nachdem die Brut sprechen gelernt hat und womöglich flügge geworden ist, keinen Sinn mehr im Dasein und raste absichtlich ins Verderben? Gut, wir haben große Fenster, aber nie hat sich ein Vogel an die Scheibe verirrt, und eine Warnsilhouette drankleben wollen wir auch nicht, nachher trauen sich die Meisen nicht mehr an den Futterplatz... Wenigstens hat sie nicht lange leiden müssen wie das Tier in diesem fast schon unappetitlich rührenden Vogelschützerblog. Wer weiß, wenn sie überlebt hätte, wäre ich genauso verzweifelt gewesen und hätte versucht, ihr zu helfen, sie zum Tierarzt geschleppt... aber so luden wir den kleinen Leichnam auf die Kehrschaufel und schleuderten ihn über den Zaun in das Brachland. Unfreiwillig verhalfen wir dadurch wohl auch noch den gefiederten Räuberbanden zu einer Abendmahlzeit. Sie werden's uns nicht zu danken wissen, die sich gegenseitig in Schach haltenden Elstern und Raben, oder die hochmütigen Falken, die in den Schornsteintürmen der ehemaligen Ziegelei nisten.


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  • "Rose, oh reiner Widerspruch", dichtete Rilke, und in der Tat: zwischen den beiden Erziehungsmodellen, die da lauten: Führen oder Wachsenlassen kann sich jemand, der diese Pflanze pflegen will, irgendwie nicht sinnvoll entscheiden. Terrasse straßenseitigIst das schon wieder dialektisch zu verstehen? Jedenfalls zeigte meine zweite Rosenkur (nach zehn Tagen soll man das Bestäuben mit Pilzgift wiederholen), dass am Rosenstock, dem es zwischenzeitlich besser ging - weil oder obwohl ich ihn in Ruhe ließ? - , doch wieder einige gelbende oder schwarzbepunktete Blätter bemerkbar sind. Inzwischen waren die meisten Knospen in aller Herrlichkeit aufgegangen und wir haben mehrere Dutzend Blüten am Strauch (einzelne abgeblühte Zweige habe ich nach der Drei- bzw. Fünf-Blätter-Regel zurückgeschnitten). Blattläuse habe ich nur noch an einem Blütenstamm entdeckt Rosenschnittund auf dieselbe Weise entfernt, wie die Stuttgarter Eingreiftruppe den Stuttgart-21-Bauplatz von Demostranten "säuberte" - mit gezieltem Wasserstrahl, allerdings nur aus meiner mikrofeinen Zerstäuberdüse. Dann ging ein neues Blättersammeln und -entfernen an, und zum Schluss wurden die stehengebliebenen Stängel mit dem anderen Zerstäuber voll milchigen Teufelszeugs eingewölkt.Küchenkräuter Übrigens fand ich einzelne häßliche Käferlein, die sich frech in den blütenwärts gelegenen Blättern einquartiert hatten - gemeine oder goldglänzende Rosenkäfer (im Jahr 2000 "Insekt des Jahres", my god!) waren das nicht, ich konnte sie nach Herzenslust und ohne Übertretung irgendwelcher Naturschutzbestimmungen zerquetschen. Es war mehr so eine eklig-orangefarben-schwarzgemusterte Variante (vielleicht Kongo-Rosenkäfer?), die bei Berührung mehr oder weniger zu Staub und weißem Schleim zerfiel, vielleicht waren sie auch schon tot oder geschlüpft oder was.

    Hinten am Garagenhof blüht auch eine Rose als Beispiel für "Wachsenlassen". Dort verspritzte ich den Rest von dem Pilzgift, aber insgesamt ist dieser "naturbelassene" Strauch, der sich vermutlich aus hinter den Zaun gekippten Gartenabfällen entwickelt hat (und jetzt mit einem Brombeerstrauch konkurriert) bedeutend gesünder, hatte nur minimal verpilzte Blätter und gar keine Blattläuse, dafür aber eine größere Zahl von Käfern. Viel machen musste man da nicht. Aber damit nun keiner denkt, ich würde mich nur mit dem Hochadel der Blumen abgeben ("das Vollkommenste, das die Erde in unserem Klima hervorgebracht hat", J. W. v. Goethe über die Rose): Heute früh hab ich beim Discounter zwei lila Margeriten begnadigt, die schon auf den Gratis-Abstellplatz ausgesetzt waren und entsprechend vermickert wirkten. Sie wurden erstmal kräftig gewässert, dann vorläufig eingetopft, nochmal begossen und besprüht und in die Sonne gestellt, die sie in der Pflanzenfabrik bestimmt noch nie gesehen haben. Eine hat sich zumindest bis jetzt erkräftigt und wirkt ganz lebendig, ob's auch die andere schafft, zwei maulhängcholische Blüten sind dran, die ich mit je einer halben Wäscheklammer stütze, mal sehen... eine der Wäscheklammern ist grade umgefallen und, sapristi, die nickende Blume hielt den Kopf weiter oben als zuvor.

    Boltens SchallplatteUnser Kräutergarten ist inzwischen auch herangewachsen; während meine Saaten - vom Basilikum abgesehen - nur sporadisch aufgingen (die Kresse, okay, die haben wir schon abgeerntet und ich habe neue in gesäuberte Frischkäse-Plastikpackungen angesetzt), bilden die Rühlemannskräuter in ihrer Zinkwanne geradezu einen Dschungel. Wir benutzen sie nur zuwenig, eigentlich sollte man jeden Tag Melisse-Pfefferminztee zu Pesto-Nudeln und Ruccolasalat servieren - aber was wird dann aus dem Bohnenkraut, Estragon, Liebstöckel? (Von letzerem habe ich vor kurzem verdächtige Pünktchen, die ich für Blattläuse hielt, einfach mit den Fingern abgestriffen - die sind seither noch nicht wiedergekommen.)

    Mich erinnert der Anblick der Balkon-Oase - nur die Petersilie fehlt, die wäre aber besser im Boden angesiedelt, und da müssen wir mit Hundebedüngung rechnen - an das schöne, freilich tieftraurige Lied Scarborough Fair von Simon & Garfunkel, das mein Freund Oliver Bolten auf einer seiner verschollenen Vinyl-Schallplatten (Und bin doch immer noch hier) in feinfühliger Übersetzung kongenial eingespielt hat. Mein Liedermacherkollege tritt übrigens immer noch in seiner alten Verkleidung als Wiedergeburt des François Villon auf und begeistert das Publikum mit den Jammerballaden und Hasstestamenten des Argot-Barden, in den bekannten und vielvertonten, von Bolten teils überarbeiteten Nachdichtungen von Paul Zech. (Zech war der sprachkräftigste Eindeutscher des Villon-Balladenwerks, allerdings nicht so romanistisch korrekt wie Karl Klammer, genannt K. L. Ammer, dem Brecht seine Anleihen in der Dreigroschenoper verdankt. Kürzlich wurde in der Ausstellung von Karikaturen des Karl Arnold, der eine frühe Ausgabe dieser Villon-Nachdichtungen illustriert hat, in einer Beschriftung im Kölner Käthe-Kollwitz-Museum doch tatsächlich spekuliert, K. L. Ammer sei ein Pseudonym für Karl Arnold! Im Katalog fand sich dieser Fehler gottlob nicht wieder.) Der Text soll demnächst auf Boltens Webseite eingestellt werden: Das Lied heißt Zwischen Rosenduft und Jasmin, und ist genauso traurig wie die Paul-Simon-Version: eine Aufzählung unlösbarer Aufgaben, die ein Verlassener seiner Verflossenen stellt, und - in Gottes Schöpfung kein Gewächs / blüht so giftig wie der Ex - jedesmal mit dem Kehrreim schließen lässt: "...mag sein, dass ich dann wieder gut zu dir bin!"


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