• Gestern hat der von der Bundesregierung eingesetzte Prekariatrat, ein Gremium von Fachleuten, den geistigen Armutsbericht veröffentlicht. Das Ergebnis ist niederschmetternd: die Geistesgaben sind, wenige einzelne konnten sich das schon denken, höchst ungleich verteilt! Bei größeren Zusammenschaltungen von Generationen und Milieus sinkt das Niveau. Für unterfunktional Hirnaktive sind zwar eine Reihe von Prothesen erfunden worden, ich denke an Zwitter, Juhutjub, Fratzbuch, Duhmm und andere Computerspiele zum Dauerdaddeln auf dem Smartphone. Schwierigkeiten macht nicht nur der Erfassen zusammenhängender Texte, sondern Einsicht in die Notwendigkeit der inneren Struktur des Weltganzen als solchem überhaupt, wie man ja auch bei mehrfachen Einschüben parataktischer Nebensätze, die der Erläuterung weder bedürftig noch fähig sind, bei Nichtbeachtung der übergeordneten Regelhaftigkeit des Satzganzen, gefolgt von mehrfachen einschränkenden Negationen, nur unschwer den Überblick aus den Augen zu verlieren sich nicht entbrechen kann. Drum kauen wir meist lieber ein und dasselbe mehrmals durch, statt zu wirklich neuen Gedanken aufzustreben. Nehmen wir das Kommunistische Manifest von Karrrrl Marx und Friedrich Engels. Das fängt doch mit dem herrlich schlichten Satz an: "Die Geschichte aller bisherigen Gesellschaft ist die Geschichte von Klassenkämpfen." Zack, bumm! Nix mit "Goldenes Zeitalter", Vertreibung aus dem Paradies, früher alles besser, wir lebten nur in dem "Mittel"alter dazwischen, das die Wiederherstellung des dann für ewig verheißenen Utopias, das volle Programm mit Jungfrauen, Manna und Gratis-Downloads, vorbereitet, nä nä nä, "Alle bisherige Gesellschaft", verstandibus? hat nur eine Geschichte, nämlich "die von Klassenkämpfen." Kein Rütteln und kein Deuteln, erst als Marx richtig tot war, nämlich am Beginn des Zeitalters der Sozialdemokratie, die für das Himmelfahrtskommando der Abschaffung seit jeher existierender unnatürlicher Zustände keine Freiwilligen mehr rekrutieren konnte, fügte Engels in der englischen Ausgabe von 1888 für Armleuchter die begütigende Fußnote hinzu, das heiße, "genau gesprochen, die schriftlich überlieferte Geschichte" etc., und ließ das alte Eiapopeia folgen von einer angeblich "urwüchsigen kommunistischen Gesellschaft" mit (ausgerechnet!) indo-germanischen Bio-LPGs von Neanderthaler-Kommunarden, wo, immer noch Engels, "Dorfgemeinden mit gemeinsamem Bodenbesitz die Urform der Gesellschaft waren von Indien bis Irland", und so heiter, und so doof.

    Türchen zehn

    Als oller Skeptikus nähre ich den Verdacht: Plus ça change, plus c'est la même chose. Ein Satz, der gemeinhin Jean-Baptiste Alphonse Karr, dem Erfinder der Karrnerarbeit zugeschrieben wird. Er war Schriftsteller in Paris, Herausgeber des Figaro und Gründer von Le Journal, bevor er sich in Nizza dem Blumenzüchten widmete und in Saint-Raphaël verstarb. Unter anderem schrieb er eine Voyage autour de mon jardin, sicherlich ein Fortschritt nach der Reise um mein Zimmer in 48 Stunden des Xavier de Maistre, Bruder des bekannten ultrakonservativen Staatsmanns. Aber was ist überhaupt Fortschritt? Als das Kommunistische Manifest herauskam, war de Maistre schon in Sankt Petersburg und Karr sorgte sich, "que les femmes ne se dénaturent en voulant se perfectionner, et n’abdiquent les plus belles prérogatives de la nature, en aspirant à exercer les tristes privilèges du sexe qui lui fait envie". Ewig währt nichts, außer der Geschlechterrollenverteilung: Männer in die Politik, Frauen ans Herdfeuer!


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  • Hoppla, heute etwas später am Sender...  und ein richtiges Thema fällt mir auch nicht ein! Da aber heute Filmstart für den dritten Teil von Peter Jacksons Tolkien-Verfilmung Der Hobbit ist, setze ich diese geradezu unanständige Baumwurzel hinter das Türchen! Die F. A. Z. feiert die Uraufführung durch ein Interview mit einer Dame, die abwechselnd als "Mittelerdkundlerin", "Koryphäe" und "größte Kennerin" belobhudelt wird. Unter ihrem Foto mit der Nerd-Brille steht, sie sei "Lektorin, Übersetzerin und Herausgeberin", aber Khazâd ai-mênu*), sind wir das nicht letztlich alle? Sie lobt John Ronald Reuel Tolkien vor allem wegen seiner Sprache (nicht der von ihm erfundenen Sprachen wegen) und benutzt selber die abgedroschensten Wendungen à la "eine Art Blaupause",  "leichtfüßig" (wenigstens ohne das unfehlbare "daherkommen") und "noch in der Pipeline". Diese Art Forschung, die Tolkien "immer wieder und immer noch" vor der Literaturkritik rechtfertigen wolle, über die ist sie längst hinaus, denn der Herr vom Herrn der Ringe sei doch längst "in den Kanon der modernen Literatur eingeordnet" usw. (* lat. "Zwerge über euch!"

    Türchen neunTürchen neun

     

    Aber mal langsam. Als kleiner Junge dachte ich auch immer, das würde Pipeline ausgesprochen und nicht Peiplein. Und ich wollte auch immer alles lesen und wissen und später, wenn ich groß bin, nächtelang mit den anderen Intellektuellen herumintellektualisieren. Das hab ich einigermaßen geschafft. Aber in Bäumen lebende Wesen zu sehen, hab ich nicht erst seit den Ents von Peter Jackson oder den Baumumarmerinnen in Tom's Taz-Cartoons drauf. Schon früh hab ich angefangen, in Baumwurzeln Zwerglein hineinzuprojizieren, wie die da in Miniaturmöbeln wohnen und ihren Tee aus himmelblauen gepunkteten fingerhutgroßen Täßchen trinken... süüüß, ne? Und abends hab ich mich armschwenkend von denen verabschiedet und wurde von meinem Bruder verpetzt und war einmal mehr die Lachnummer in der Familie. Unter "Tolkien-Forschung", die das Moderne am Hobbit herausgearbeitet haben soll, und von der man sich weitere Studien wünscht, z. B. "wie Sprache und Wirklichkeit und Sprache und Mythos zusammenhängen" (wollen wir das nicht alle wissen?), stell ich mir retrospektive Psychoanalyse vor, die bei dem ewigen Elben-und-Orks-Gezanke endlich mal die garantiert zugrunde liegende frühkindliche Mißbrauchserfahrung herausarbeitet. Oder fragt mal die Ents, die sog. Baumhirten aus dem Dingsbumswald, Fangorn, die Peter Jackson im zweiten Teil von Herrn der Ringe optisch geglückt sind. Laurelindórenan lindelorendor malinornélion ornemalin, kann ich da nur sagen. Und noch dies: Taurelilómëa-tumbalemorna Tumbalelaurea Lómëanor! Aber fragt mich nicht, wie man das ausspricht.


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  • Mei, das geht ja wie die Feuerwehr, in nullkommanix ist schon ein Drittel der vorgesehenen Türenmenge geöffnet! Heute geht es fröhlich-moralisierend weiter: Ich interessiere mich seit Jahren für den Stuß, der in Gebrauchsanweisungen bzw. "Bedienungsanleitungen" steht, weshalb ich die letzteren akribisch sammele und archiviere, von der ältesten Kleinbildkamera ("Wenn Sie ihren Finger vor Ablauf der 4 Sekunden heben, wird der Verschluss sofort geschlossen") bis zum jüngst von der Genossenschaft installierten Rauchmelder ("Einen Fehlalarm (lauter Warnton ohne erkennbaren Grund) quittieren Sie durch Drücken der Prüftaste)". Das Beste sind ja die Formulierungskünste, in den achtziger Jahren nur übertroffen vom Manufaktum-Katalog und Zweitausendeins-Versand. In einer kabarettistischen Zwischeneinlage habe ich auf der Tournee meiner Jugend auch mal aus der Gebrauchsanweisung der Thermoskanne vorgelesen, Erfolg garantiert, bäuchehaltend lag das Publikum am Boden. Nicht die ungelenken, teils komplett unverständlichen Übersetzungen, sondern die immer wachsende Anzahl an Warnhinweisen interessiert mich.

    Türchen acht

    Neuerdings habe ich einen neuen Klodeckel installiert, gesässfreundliches Holz statt Plastik usw., da wurde drauf hingewiesen, daß nur eine Person auf das Klo gehen sollte (vielleicht zur Abwehr der gleichzeitigen Inbetriebnahme von Zwillingskindern?), außerdem, natürlich, auf der Rückseite, dass man die Plastikumhüllung von Kindern fernhalten, wie man den Sitz montieren und dass man anschließend nicht draufsteigen sollte, um z. B. ein hoch gelegenes Klofenster zu öffnen (mit Durchstreichungs-Balken im Bild zu sehen). In letzter Zeit ist ja viel die Rede vom Untergang der Gutenberg-Welt, die (endlich, seufzt jetzt mancher) von einem bunten, bildergeschmückten Informationszeitalter abgelöst wird, in dem sich die vielen Hundertmillionenmilliarden Info-Segmente, "Daten" genannt, in großen Datenbanken besser akkumulieren lassen als im heimischen Sparstrumpf der Vernunft. Wogegen die Klippschüler von Hegel und Kant mit nichts anstinken können als mit dem Hinweis, dass es mit dem Akkumulieren der Daten, mit dem zufälligen  "Aggregat von Kenntnissen" nicht getan ist, dass es der Durchdringung lebensweltlicher Tatsachen und ihrer fasslichen Darstellung im Wort bedarf, wenn sie denn fruchtbar sein soll. Uwe Jochum hat hierzu einen interessanten Artikel geschrieben, etwas herunterscrollen, dann findet man ihn hier. Ich hab keine Ahnung, auf was für Einfälle die Käufer  kommen, was sie mit dem Klodeckeln sonst noch anstellen, aber das Lesen zusammenhängender Texte ist nicht ihre Stärke, weshalb vieles mit leicht fasslichen Symbolbildern oder allenfalls Zahlen illustriert ist, wie das obige Beispiel zeigt. Aber ob die Leute mit dem folgenden doch etwas akademischen, ja kantianischen Imperativ etwas anfangen können, der (leider!) nicht illustriert wurde? "Die Produktverpackung besteht weitgehend aus recyclingfähigen Materialien. Entsorgen Sie diese umweltgerecht. Werfen Sie das Objekt am Ende seiner Lebensdauer keinesfalls in den normalen Hausmüll. Über die bestehenden Rückgabemöglichkeiten in Ihrer Nähe informiert sie der zuständige öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger."


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  • Mit diesem Türchen möchte ich einen Spruch unter die Leute bringen, den ich mir vor Jahren selber ausgedacht habe, obwohl er längst von einem anderen aus der sog. Frankfurter Neuen Schule überholt worden war, von dem von den Elchen, die früher zu den "selber welchen" gehörten. Mein Spruch lautet: "Nur notorische Linkesspur-Fahrer ärgern sich über notorische Linksspur-Fahrer". Gut, ne? Der Satz ist wie von Descartes gemeißelt, selbsterklärend, des Beweises weder bedürftig noch fähig, er hat das Gepräge der Wahrheit. Ihm liegt natürlich eine Beobachtung von Tatsachen zugrunde, die wir alle erleben, wenn wir die deutschen Autobahnen benutzen, und ich habe ihn mir nicht am Steuer ausgedacht, sondern als Beifahrer. Heute will ich mich aber selber damit ermahnen, denn ich ärgere mich in letzter Zeit recht oft über Autofahrer, die an ziemlich unübersichtlichen Kreuzungen Gas geben, auf ca. 60 bis 70 km/h beschleunigen und die Ampel gern auch noch bei Gelb auf Rot überfahren.

    Türchen sieben

    Wieso ich bei fortgesetztem Adventskalender-Türenöffnen immer moralisierender werde, weiß ich nicht - vielleicht liegt es an der Emblematik, die mir als Form den Inhalt vorgibt, oder daran, daß ich mir keinen Plan mache und diese Einträge Tag für Tag spontan formuliere. Das Abfüttern mit moralinsauren Gurken aus dem Glas ist einfacher als das Zubereiten von Spaßhäppchen. Das Überfahren der Kreuzungen ohne Freischaltung durch "Grün" ist vor allem im Berufsverkehr und in der dunklen Jahreszeit (gut, manchmal auch im Sommer direkt nach den Großen Ferien, wenn die Fahrer die schlechte Angewohnheit aus dem Süden mitgebracht haben) eine ebenso tägliche Erscheinung. Manche Fahrer sind auch vom sog. "grünen Pfeil" verführt und biegen mit qualmenden Reifen in die Zebrastreifen hinein, ohne vorschriftsmäßig abzubremsen, nicht selten stoppen sie dann kurz vor einem Radler, den sie nicht gesehen haben, oder sie machen sich durch gewaltsames Weiterfahren Platz, welcher Radler nimmt es schon mit einer Tötungsmaschine von soundsoviel Hubraum auf. Natürlich gebe ich zu, daß auch ich als Pflastertreter auf zwei statt vier Gummisohlen mitunter die Fußgängerampel mißachte - aber nur, wenn seit mehreren Minuten völlig freie Bahn und keine feindliche Erscheinung in Sicht ist, also sonntagmorgens um halb sieben oder auf dem plattesten Land. Meine Bitte an alle Autofahrer, tut es nicht! Geht nicht über Rot bzw. zieht nicht ggf. bei Vorhandensein einer Blitzanlage einen Strafzettel über 500 Mark ein. Ihr gefährdet nämlich euch und andere, z.B. mich!


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  • Das heutige Bildchen spricht auch nicht für sich. Mit den Doppelbuchstaben ist das so eine Sache, hier möchte man ein Z dazwischenschieben! Seit es diese orangefarbnen Tüten gibt, die manche Hundebesitzer demonstrativ um den Griff der Hundeleine wickeln, beweisen sie einem damit: Wir DÜRFEN alles verdrecken, denn wir machen es ja hinterher sauber. Und ich frage mich immer, mit welchen Gartengeräten sie die vom Urin kontaminierten Rasenstücke ausstechen, um sie anschließend in ihre orangenfarbenen Tüten einzufüllen. Und ob sie die dann gereinigt zurückgeben. Denn, so ist es nun mal im göttlichen Ratschluss der Peristaltik beschlossen, was hinein muss, muss auch wieder hinaus, und es kommt nicht immer in aufsammelbarer Form heraus. Interessant sind bei dem Bild unten auch die Größenverhältnisse Hund - Herrchen - Tüte!

    Türchen sechs

    Aber auch die zahlreichen Autofahrer, die früher ihren Ölwechsel auf dem Grüngürtelparkplatz gemacht haben, dachten, das versendet sich. In der Tat riecht man das, was die Umwelt zerlegt und vergiftet, meistens nicht. "Mach dir schon mal Sorgen, Einzelheiten später" lautet ein Telegramm im bekannten Witzwort. Und das passt eigentlich immer, so auch zur Energiewende, zur Klimakatastrophe und zum Mautchaos. Jetzt wollen sie die Autofahrer "befreien" von einer Zahlungsverpflichtung, die erst mühsam durch Gesetze hineinkonstruiert wird. Aber die Befreiung wird gottlob turnusgemäß von der nächsten Bundesregierung wieder ausgesetzt, damit Frau Merkel nicht gelogen hat, als sie das Gegenteil versprach.


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