• Wer hat Angst vor dem (Jean Paul Friedrich) Richter??? Heute ist sein 250ster Geburstag, und dass der heute am häufigsten zitierte Germanistikprofessor, ein echter Kenner des Lebens und des Werks und sogar der Zettelkästen Jean Pauls, ausgerechnet "Pfotenhauer" heißt, hätte dem Dichter mit Sicherheit gefallen. Er selber hieß nun mal "Richter", und weil ihm das wenig behagte, nante er sich ausschließlich Jean Paul, angeblich aus Verehrung für (ausgerechnet) Marat - und nach dessen Erdolchung durch Charlotte Corday, über die Jean Paul auch geschrieben hat, hat er es nicht geändert. Nun las ich aber auch heute in FAZ die Unterstellung, es sei ein vergebliches Unterfangen, auch nur einen Roman von Jean Paul in eigenen Worten wiederzugeben, wörtlich: "Niemand kann die Handlung eines Romans von Jean Paul oder auch nur die ersten hundert Seiten des Titan (1800) komplett nacherzählen" - na gut, ob in allen Verästelungen und Abschweifungen, will ich jetzt nicht sagen, aber ich habe in den Endsiebziger Jahren, als ich zu studieren begann, ein Lesetagebuch geführt, immer mit ungefähren Inhaltsangaben und einer kurzen Bewertung, und darin u. a. den Quintus Fixlein nacherzählt, bitte, wer den Roman einigermassen kennt, urteile selbst. Wenn's gefällt, bringe ich unter der Rubrik "Lesetagebuch" noch öfter Einträge dieser Art, sind teilweise lustig zu lesen. Darin auch Rahel Varnhagen, Lichtstreifen und Glutwege, Schmidts Kaff, de Sades Juliette, Sternes Tristram Shandy  komplett mit einer stammbaumähnlichen Übersichtskarte der Protagonisten. Im ersten dieser Hefte habe ich auch noch korrekt datiert, was ich gelesen habe, später war ich nachlässiger, und das zweite Heft brauch ich in der Mitte ab und ich hörte irgendwie auf mit Lesetagebuch-Führen. Schade eigentlich, damals - so mein Eindruck - hab ich bewußter und urteilsfreudiger gelesen. Das Lesetagebuch bewahre ich übrigens zusammen mit einem Heft mit Briefabschriften auf. In einem Brief vom 2. 8.1983 schrieb ich einer Freundin (übrigens inzwischen verstorben): "Ich sah gestern einen Film im TV, er hieß 'Das Spiel ist aus' & handelte von zwei Liebenden im Reich der Toten, sie dürfen es für 24 Stunden verlassen. Das zugrundeliegende Buch ist von Sartre. Im Film sah es so aus, daß die Toten immer so auf der Straße dastehen und den Lebenden zusehen, bloß die Lebenden sehen & gehören ihr Gelächter nicht. Alles passiert immer gleichzeitig."

    Aus meinem Lesetagebuch (10. August 1978)

    Jean Paul, Leben des Quintus Fixlein

    (mit allen Beigaben und Vorreden wie 1800)

    Erste Vorrede: er erklärt seinen Freunden, was alles enthalten ist, und gibt ein bißchen Lebensbelehrung. Auf kleinste Dinge achten (Mikroskop) und so weit übers Alltägliche rausgehen, daß die Große Welt ganz klein wird. (Großes -> kleinem, Kleines zu größerm) und der dritte Weg zum Glück: beides wechseln. Der erste Weg: zu gut, zu schwierig, der zweite nicht gut genug.

    Geschichte der Vorrede zur 2. Auflage:

    Jean Paul "macht sich lebhaft", indem er von Hof nach Bayreuth zu Fuß geht, mit der Tafel, um Vorrede dadrauf zu schreiben. Da sieht er ein schönes Mädchen von hinten in einem Wagen und will ihr hinterher, um ihr ins Gesicht zu sehen, zwischendurch setzt er immer wieder zur Vorrede an, die Sonne geht auf und stört ihn. Als er's wieder versucht, holt ihn der Kunstrat Fraischdörfer aus Haarhaar ein und hält ihn mit ästhetischem Geschwätz von der Verfolgung der Dame und seiner Vorrede ab. Hält ihn für Fixlein statt für Jean Paul und schimpft über den Autor. Entwickelt barbarischen, menschenverachtenden Ästhetizismus Jean Paul selbst schiebt Betrachtung über Humor ein etc. Trifft das Mädchen vor der Post, Tochter von Oehrmann aus dem Siebenkäs-Vorwort. Er geht mit der Verlobten vom Gerichtshalter Weyermann essen und er fährt mir ihr in der Postkutsche weiter. Reflexionen über Eheelend junger Mädchen, Anrede und erzählt den Mußteil. Schreibt was auf die Tafel und gibt es ihr bei einer Pause.

    Mondfinsternis: schöne Naturbeschreibung, kosmische Menschenmutter, böser Schlangengenius, der die Töchter verführen will mit Geld, Eheringen etc. Die ungeborenen Seelen werden vom schönen Genius der Religion gerettet, und er geht mit ihnen in's Leben, während die Schlange zerkleinert auf der Erde weiter ihr Unwesen treibt. Paulines Tränen fließen.

    Mussteil für Mädchen 

    Tod eines Engels. Es geht um den Engel der Stunde, der einmal sterben will wie ein Mensch, damit er den Tod, den er bringt, besser versteht. Er versetzt sich in einen im Krieg verwundeten Jüngling. Erlebt erstaunt alle menschlichen Gefühle, Trauer, Schlaf, Traum, Liebe und zum Schluß den Tod als  seligen Strahlenhimmel, wo Jüngling und Braut zusammentreffen, weil die inzwischen (vorher) schon vor Kummer gestorben ist.

    Der Mond. Jean Paul spricht wieder mal Mädchen an, für die der Mond was Besondres ist (Pflegeschwester Philippine), erklärt Größe und Eigenart des Mondes und widmet ihr die Erzählung.

    Eugenius und Rosamunde, empfindsame Wesen, sehr traurig, haben 2jähriges krankes Kind. Wegen schlechter Behandlung durch Umwelt gehen sie im Frühling in die Alpen. Geniale Naturbeschreibungen. Sie wollen in den Mond gehen. Das Kind stirbt. Der Mond geht auf, wo die toten Kinder spielen. Vater stirbt als nächstes, fiebernd. Rosamunde will jetzt auch sterben. Eugenius blickt vom Mond auf die Erde und bittet den Engel der Ruhe, sie wieder zusammenzuführen. Im Traum treffen sie sich. Der Engel nimmt gerührt Vater und Kind und sie gehen gemeinsam die Rosamunde holen.

     

    Quintus Fixlein in funfzehn Zettelkästen.

    Der Quintus (Fünftlehrer) Fixlein hat Ferien und wandert von Flachsenfingen nach Hukelum, besucht seine Mutter. Thienette bewohnt einsam das Hukelumer Schloß und betreut die alte Schloßherrin. Fixlein würde sie anderntags besuchen, mit ihrem Mann dem Rittmeister hat er's verdorben, als er seinen Hund Schill nannte, was dessen Namen ähnelt. Der fährt aber morgen weg. Fixlein  hört eine Hühnerklau-Studentengeschichte in der Kneipe und geht abends nachhaus und kriegt Kuchen von Thienette gebacken. Dann geht er in den Garten und trifft sie (Schloßgarten). Möchte sie gern lieben, kann aber nicht, weil beide zu arm (er ist mit ihr aufgewachsen). Der begleitende Quintaner hat sich eine Drossel gefangen, Frau von Aufhammer empfängt ihn nächstentags, sie verspricht, ihm zum Flachsenfinger Konrektorat zu verhelfen. Er hält ihr 'ne Predigt am Krankenbett. Fixlein verbringt Ferien mit Arbeit. Er macht sich winzigkleine Bücher, wo er Druckfehler sammelt und vergleicht. Außerdem  textkritische Arbeit an der Bibel, und zählt wie oft Buchstaben vorkommen. Macht auch skurrile Entwürfe und Vorschläge für Bücher. Hat selbst Zettelkästen für Lebensbeschreibung. Sein Bruder war im Eis umgekommen. Fixlein  bastelt auch Leimhäuser für Fliegen, sieht sich gern Kindheitssouvenirs an. Abends trifft er sich mit Thienette im Garten. -

    Im Winter verbringt er zuhause die Abende mit Zeitunglesen. Beschreibung der Weihnachtsfeier mit seiner Mutter. Die Frau Rittmeister schickt Zusage zum Konrektorat und eine Standuhr. Satirischer Einschub ("Extrawort") über preußischen Ämter-Handel. Das Konrektorat kriegt Fixlein  nur, weil die Ratsherrn glauben, er stürbe bald. Es ist nämlich so, daß alle männlichen Glieder der Fixlein-Familie mit 32 gestorben sind, und er steht vorm 32. Geburtstag, nur sein Bruder ist vor den Dreißigern ersoffen. Fixlein  kennt aber nicht sein genaues Geburtsdatum, und er macht sich Hoffnungen, daß der Termin schon vorbei ist. Konkurrent fürs Rektoramt ist Hans von Füchslein, Fixleins Vetter, der ihn haßt (milde haßt).

    Am Sonntag geht er zum Metzger Steinberger, vormals sein Vormund, der ihn unterstützt, und ihm die Ämterspesen vorstreckt, dafür gibt er dessen Tochter Nachhilfe, die sich in ihn verliebt hat, aber vergebens. - Die alte Rittmeisterin stirbt kurz vor Fixleins Geburtstag. Fixlein  erbt ein großes Himmelbett, Geld und Kostenerstattung für Quintus und Rektoramt. Thienette erbt nix, weil die Frau vor einer geplanten Testamentsänderung gestorben war. Der alte Aufhammer ist für Testamentsanfechtung Fixleins zu stolz. Fixlein  holt sein Geld und läßt sich 3 Fl. franz. Rotwein abholen. Nächstentags hat er Geburtstag. Er trifft sie abends in der Gartenlaube und sie blutet unterm Aderlaß-Verband. Er weckt sie und lädt zum Rotwein ein, sie legt den Arm in seinen. Zum Schluß in der Todesnacht hatte sie die Alte noch geküßt. Fixlein hat Mitleid. Er verspricht ihr's halbe Erbe, falls er in 1 Stunde (12.00) stirbt, denn sie hatte Wort für ihn eingelegt. Weil sie die 32er-Story nicht kennt, hält sie's für einen Eheantrag. Da reißt der Aderlaßverband, er stopft die Arterie mit einem Goldstück. -

    Fixlein  fühlt sich wohl mit dem vielen Geld und noch montags am Leben (Kantatesonntag sein Geburtstag). Dem Steinberger Metzger zahlt er die Gebühren zurück; er schenkt ihm ein paar Felle. Auflistung der Amtsgebühren. Satirische Posse über Geld und Amt. Fixlein  schreibt jetzt Suppliken, um das Pfarramt in Hukelum zu erhalten. -

    Sein Geld kriegt er, der Hund hat keinen Namen mehr. An einem Sonntag darf er aushilfsweise in H. predigen. Einen Festakt zu Martin Luther darf er auch halten und einleiten. Zu dessen Feier spricht er vom letzten Nachkommen Martin Gottlob Luther. Am Mittwoch früh, vor dem Aktus, bekommt er Besuch vom Boten, der ihm eine Pfarrvokation, die eigentlich für Füchslein bestimmt ist, bringt: Amtlicher Schreibfehler. Er hält's für seine und sperrt sie weg. Das "von" hatte Adelspurist Rittmeister untersagt. Hans von Füchslein war auch beim Aktus und dachte, er würde berufen, dann kam Fixlein aufs Katheder und spricht von seiner Berufung. Aufhammer (Rittmeister) kriegt gleichzeitig Danksagung Fixleins und Spottbrief Füchsleins. Aufgebracht wegen Grobian und wegen Öffentlichkeit bleibt Fixlein Hukelumer Pfarrer. Hans v. Fixlein  arbeitet aber mit in der Neuen allg. dtsch. Bibliothek und droht, Fixlein  zu recensieren. -

    Fixlein  zieht in Hukelum ein, er renoviert, will aber mit Thienettenhochzeit über Kantatensonntag warten. Vorbereitung für Hochzeit, Ehekontrakt, "Brautschatz". Hochzeit: Frühling, großes Fest mit Zigeunermusik. Abends romantische Szene im Garten, sie sagen "du", auf dem Friedhof weint er nochmal überm Grab seines Vaters. -

    Geburtstag Thienettes: er schenkt ihr eine Brottorte und 2 Flaschen Pontak. Jetzt erwartet sie schon ein Kind von ihm. Es wird Winter und im Winter liest der Pfaff was Kaltes. Inzwischen Frühling. Autor selbst tritt in die Story, Fixlein  bittet ihn, sein Gevatter zu werden, denn Thienette hat ein Kind bekommen. Tags drauf soll der Pfaff investiert werden.

    Sonntag Investitur über Abendgespräche lernen sie sich besser kennen, und Jean Paul verspricht F, die Errata-Sammlung mit Lebensbeschreibung herauszugeben und bleibt dort, schreibend wie Fixlein  Tageslaufbeschreibung. Fixlein  macht auch Kupferstiche, und bestellt einen neuen Kirchturmknopf. Für diesen bezahlen die Bürger, daß ihre Lebensdaten eingraviert werden. Jean Paul fragt nach dem Schränkchen mit dem Spielzeug des ertrunkenen Bruders. im 12. Kasten wird der Turmknopf aufgezogen, die Liste der Spender verlesen, aus dem alten Knopf zieht er eine Schatulle. Die Mutter hatte im Schränkchen einen Zettel gefunden, wo draufstand, daß Quintus Fixlein morgen 32 würde (sie hatte versichert: beim letzten Mal): Sie hatte alle Jahre gelogen, Jean Paul hat das Blatt in den neuen Turmknopf eingeschoben. 13. Kasten, Kantatensonntag und zugleich Tauftag, Reflexionen über Lebensnarrheit (S. 232) - 14. Kasten, Fixlein hatte spät noch die alte Bleibüx aus dem Turmuhrknopf aufgemacht und sein wahres Alter erfahren. er wird krank, bekommt Todesphantasien (genial!), Fieber, "Glaube ans Sterben". Letztes Kapitel: die "närrische Kur". Er hatte allen befohlen, so zu spielen, daß sich Quintus Fixlein in die Kindheit zurückversetzt glaubt.  Mit dem Fleischermeister zusammen überredet er ihn schließlich wieder zum Aufstehen, Jean Paul droht noch mit Nicht-Herausgabe der Lebensbeschreibung. Lebensphilosophie (Carpe diem, auch Schmidts "Julianische Tage" und "Kontinuuum" S. 244). Jean Paul verspricht, eine Antikritik gegen Füchslein zu schreiben.

    Spie spazieren nochmal herum, sie essen in der Laube, abends geht Jean Paul fort, mit dem Ehepaar, die ihn noch zum Grenzhügel bringen. Abschied. Gegen Morgen kommt er zu Hause an.

     

    Jus de tablette für Mannspersonen 

    Über die natürliche Magie der Einbildungskraft ist ein psychologisch-ästhetischer Essay über die Phantasie im Vergleich zur sinnlichen Wahrnehmung. Über Kunst - Traum - Rausch - Liebe - Dichtung, wo Phantasie in der Realität wirksam wird: im Idealisieren. Durch Metapher (Abstraktes verkörperlichen), zeitliche und räumliche Verkleinerung und Veranschaulichung - auch durch Erweiterung, Grenzenloses entsteht die Magie. Poesie vorgespiegelte Unendlichkeit, nur unvollendete Ähnlichkeit möglich und schön. Einzig Unsterbliches ist die Musik: Kraft ohne Körper (Goldrand!!!, abgeschrieben, hähä!), äußere Musik erzeugt Gefühle, nicht umgekehrt. Zufriedenheit rät Jean Paul, Einverständnis mit Illusion.

    Josuah Freudels Klaglibell 

    Angeblich eine Schrift, die Jean Paul von Quintus Fixlein gekriegt hat, der sie in der Pfarre gefunden habe. Josuah Freudel war versehentlich in die Kirche eingeschlossen worden und verbrachte seine Zeit mit Schreiben: beklagt sich über Dämon, der ihm alles vereitelt (satirische Slapsticks). Immer bei Vergnügen passiert ihm irgendein Pech, als er zum ersten Mal predigt (wollte Pfarrer werden statt Amtsvogt), verliert er seine Perücke und schleicht sich davon, hinterläßt wartende Gemeinde, außerdem bei Beerdigung Abführmittelprobleme. Hochzeitstag, Taufe, da hilft er sich ganz witzig auf der Affaire und penetriert seinen armen Gevatter. Ratsmahlzeiten hat er nur ein einzigesmal mitgegessen und vom Ratsherr Ranz und anderen Essen berichtet eine Jean-Paul-Satire (weil Rantz so gierig frißt, soll das vielleicht Goethe sein? "Auch frisset er entsetzlich"). Schluß: Kirchner war da und beim Abschreiben hat Josuah Freudel das Rausgehen verpaßt.

     

    Es gibt weder eigennützige Liebe noch Selbstliebe sondern nur eigennützige Handlungen. 

    Mehr philosophisch Universalerbe liebt den Erblasser nicht mehr, wegen Geld. Abstrakte Liebe so stark wie materielle, nicht in der Art verschieden, sondern im Grad. Liebe liebt nur Liebe (ist ihr eigener Gegenstand). Eigenliebe verstärkt Menschenliebe (nur wer sich selbst... etc.). Ziemlich anti-kantisch das Ganze.

    Selbstliebe unmöglich, weil sie sich selbst lieben müßte, weil Liebe geg. Liebe (als sähe das Auge sein Sehen). Im Kopf entsteht außer Selbst auch ein Selbst-Bild, aber den zu lieben ist wie jemanden Fremden lieben, Bezug auf Partner. Mitleid ist nicht Eigennützigkeit, weil Uneigennutz denkbar sein muß (negationis), Helvetius schärfstens abgelehnt. Liebe verbleibt überall, Geschlechterliebe, Menschenliebe etc., Mensch an sich höher zu lieben als Individuum und über allem Gott.

    Zitteraal gleichzeitig positiv und negativ elektrisch. Lehrer der Physik, um Magnetismus zu erforschen. Physiker sollten nicht nur sehen und lesen, sondern kombinieren. Wunsch an Lichtenberg, mehr zu schreiben.

     

    Rektor Fälbels Reise nach dem Fichtelberg 

    Autor stellt Reisetagebuch vor und schaltet sich zwischendurch immer wieder ein. Fälbel reist mit 12 Schülern, seiner Tochter und drei Hunden zu Fuß herum, mit Meßinstrumenten. Schauen alles auf Karten nach etc. M. Fechser, Pflegesohn des Editors, liest über die Ortschaften vor. Rektor scherzt mit den Schülern, es gibt Würste, nächstmorgig streitet er sich mit dem Wirt. Schreibt abwechselnd in Ich- und in Er-Form. Liest Wetterbetrachtungen vo4r je nach Sonne oder Regen. An einer Insel machen sie Botanik. Ausblick auf Kordula durch Jean Paul. Die Tochter des Rektors (die Mutter ist gestorben) wird doof gehalten und muß viel arbeiten. Fälbel trifft im Hofer Fuhrmannswirtshaus einen Revolutionsfreund und widerlegt die Revolution mit grotesken Argumenten (satirisch auf die unpolitischen Schulmeister angespielt), borgt sich eine Stube für Mimik-Unterricht (Verbeugen und Türöffnen lernen). Pädagogischer Ausflug des Autors. Besichtigung des Hofer Gymnasiums - wegen Ferien keiner da. Billardspiel, Streit mit dem Wirt über Stubengeld. Regen, sie sitzen lange fest. Abends Erlaubnis zum Kartenspiel. Anderntags versucht er vergeblich, die Tochter als Zofe beim Landadel loszuwerden. Danach Latein: Schüler sollen lateinisch fluchen lernen, schimpfen etc. Im Dorf, wo sie wegen Regen pausieren, werden sie für Zigeuner gehalten, und abends rotten sich die Bauern zusammen, heimlich Flucht. Anderes Dorf: Ein ungarischer Deserteur wird hingerichtet, Rektor: schon wegen seinem schlechten Latein!, als er nämlich auf Lateinisch darum bittet, Kleider anziehen zu dürfen, für Marktfrau Testament. Jean Paul schaltet sich ein, berichtet über dieses fiese Schicksal des Deserteurs. Im nächsten Dorf treffen sie nicht Jean Paul, der vom Fichtelgebirge entgegenkommt, auch der angeblich gehängte Posträuber lebt noch. 15 Tage bleiben sie wegen Regen. Rapport der Reise und Korrektur, Flora / Fauna und Dialektwörterbuch zu erstellen. Auf dem Feld Vermessungsarbeiten, wobei der Rektor von zwei Fleischergesellen zusammengeschlagen wird, die glauben, er wollte sie fesseln. Den Posträuber besucht er nicht, um, wie er sagt, nicht von ihm denunziert zu werden. Schließlich kommt Jean Paul zurück und trifft die Klasse, sagt ihnen das Wetter voraus, weil aber nach seinen Angaben schon jemand das Fichtelgebirge beschrieben hat (nämlich der Hofer Rektor), kehrt Fälbel um und endet seinen Bericht mit Dank an Jean Paul, der ihn veröffentlicht.

     

    Postskript 

    Jean Paul will zum Schluß zwar nicht mit den Lesern schimpfen, aber erstens lesen sie nur drin, solange das Wetter schlecht ist, zweitens verstehen sie die Witze nicht, man müßte demnächst noch S einprägen. Für Satire zum Schluß Abschiedsschmerz vom Leser, viele liebe Wünsche, ganz freundlicher Wunsch und letztes Wort an Otto.

     

    Sooo, da haben wir unsern Jean Paul - säuberlicher Querschnitt durch die Pastete seines Hirns, mit der satirischen Würzeinlage, dem romantischen Syrup und dem Philosophiespeck. Und am Schluß fordert der Günter de Bruyn seine Leser so lieb auf, das Buch zweimal zu lesen, daß ich's bestimmt tue. Die Anmerkungen werden leider von Seite zu Seite spärlicher, hier müßte der Fontane-Editor der Effie Briest heran! (Natürlich gibt's immer weiße Flecken.) Die Geschichte der Vorrede ganz klar ein ästhetisches Konzept, Absage an SchillahGöthe, und die Philosophischen Essays erstklassik. Der romantisierende MUSSTEIL bißchen moralinsauer (bißchen sehr!), aber das zerfließend romantische Gelee ist so genial assoziatief, daß man ihn wieder liebhat, den Jean Paul. G. de Bruyn fordert ja auf, sich auch mit ihm zu streiten - das Schöne an ihm ist, daß er da ist, sich nicht diskret-peinlich hinwegvornehmt wie Fontane, sich auch nicht weglügt wie die meisten, sondern da ist. Man spürt ihn, er redet einen an, macht 'ne Leserin an (mit der er Quintus Fixleins geerbtes Himmelbett besichtigen will!). Der Quintus Fixlein allein gäbe nicht so viel her, Fälbel ist 10mal besser, warum? Quintus Fixlein ist sehr verspielt-ironisch, auch kritisch, aber zuviel Gelee. Speziell die Thienette-Beschreibung, der Ehebund, das ist alles so weißkrägig und da wird es prüde. Und viel zu katholisch bei allem. Der Fälbel dagegen deutet durchaus den Katzenberger voraus, der reaktionär-spinnerte Rektor iss ne ganz witzige Figur, und sich selbst verhohnepipelt er desgleichen. Tatsächlich, das scheint zu stimmen mit dem Wetterfrosch Jean Paul. Einige "Fundorte" Schmidts durchaus sichtbar (und den Döblin daraufhin durchforsten). Übrigens: wird er von den Beeinflußten als erster genannt, dann Graß - die Leseverbotenen in der DDR! - und später erst die DDRlinge. Das Klaglibell ist auch ganz witzig. Alles ein bißchen zerfetzt. Am allerliebsten ist mir die Verabschiedung. Vor allem genial die Assoziationen. Besser als dieses Erstlingspuzzle ist der Katzenberger allemal, wo man merkt, daß er Todesphantasie und Sexangst ironisch überwunden hat.

     


    votre commentaire
  • Wer in Köln interessante Kunst sehen will, kann natürlich ins Wallraff-Richartz-Museum oder ins Museum Ludwig gehen oder ins Kunsthaus Rhenania oder in die Kunststation Sankt Peter. Eröffnung der Kunstmeile Rodenkirchen 2013Aber da müsste er sich schon Siebenmeilenstiefel zulegen, denn diese Ausstellungsorte liegen weit auseinander. Enger beieinander und an einem Nachmittag abzuschreiten sind die periodisch wiederkehrenden "Kunstmeilen", die meist rund um einen verkaufsoffenen Sonntag vom Verein der jeweils Gewerbetreibenden eines bestimmten Viertels organisiert werden. Da beteiligen sich dann Fachgeschäfte, Einrichtungshäuser, therapeutische Praxen, Optiker, Sparkassen u.v.a. und werden zu Ausstellern mehr oder minder passender Werke. Wir hatten auf diesem Blog schon die Kunstmeile Longerich angesprochen, von Künstlern initiiert, die es bisher 2x gab, aber sie ist eigentlich nur eine verarmte Cousine der luxuriösen Rodenkirchener Kunstmeile, die weit bessere Presse und großzügigere Mäzene hat. Sie wurde nämlich vom Goldschmied Jürgen Alius (ob das ein Künstlername ist, weiß ich nicht, aber seine Kreativ-Kreationen sind sehenswert) erfunden und findet gerade zum elften Mal statt. Und da wir die wenigen Kilometer von Raderthal nach Rodenkirchen mit dem Bus zurücklegen können, sind wir hingefahren, zur Eröffnung (da regnete es allerdings in Strömen) und zum verkaufsoffenen Sonntag (da hatten wir aus andern Gründen wenig Zeit, und kalt war's auch). Ich hatte aber Gelegenheit, mir die Bilder von Manfred Weil anzusehen, Ausstellung Manfred Weil bei Alius, Rodenkirchendessen Schwägerin seit einiger Zeit mit mir korrespondiert und die mir auch ein Buch über sein Leben geschenkt hat. Und was für ein Leben! Mit 15 Jahren erlebte der junge Mann, dessen Mutter katholisch und dessen Vater jüdischen Glaubens war, im Frühjahr 1933 Denkmal für das Lager Gursdie Nazi-Machtergreifung. Er besuchte eine jüdische Schule und lernte das Handwerk der Tischlerei, eigentlich wollte er nach Palästina (daher das Handwerkliche, obwohl ihm die Kunst besser gefiel), aber dann verpasste er den Absprung, ging nach Antwerpen, wo er an der Kunstakademie studierte. Als die Deutschen Belgien überfielen, wurde er ins Lager Gurs deportiert (zufällig war ich vor einiger Zeit in Mannheim, wo man mit Entfernungsschildern aManfred Weil, im Katalog blätterndn die Deportation badischer und insbesondere Mannheimer Juden dorthin erinnert). Von dort hat Weil eine tollkühne Flucht gewagt und ist - wider Erwarten nicht nach Westen, über die Pyrenäen geflohen, sondern nach Belgien zurückgekehrt, wo er das Wagestück unternahm, sich Papiere zu besorgen,Masnfred Weil heute die keinen "J"-Stempel trugen. Mit diesen Papieren, die er auch seinem Bruder verschafft hat, ist er - und das war vermutlich sein Glück, weil niemand damit rechnen konnte - wieder nicht nach Westen oder in eine Hafenstadt gegangen, um zu fliehen, sondern hat sich als "germanischer" Belgier anwerben lassen für den Arbeitsdienst im Deutschen Reich. Offenbar hat er sich mit seinem Bruder mehrere Jahre in diversen Fabriken im Reichsgebiet aufgehalten und gelegentlich auch "gestreikt", was selbst deutschen Arbeitern nicht möglich war. Ein vergleichbares Schicksal erlebte der Exilschriftsteller Georg K. Glaser, der in Paris als Kunstschmied arbeitete und dort schon naturalisiert war, als er bei Kriegsausbruch eingezogen wurde und als französischer Kriegsgefangener zur Zwangsarbeit nach Deutschland  musste, immer in der Angst, seine Identität als deutscher Schriftsteller und einstiges KPD-Mitglied könnte entdeckt werden. Schließlich aber 1942 entschlossen sich die Brüder Weil, wieder über die grüne Grenze zu gehen, diesmal in die Schweiz. Auch hier Arbeitslager und Straflager und Knast, wegen Widersetzlichkeiten gegenüber den ausbeuterischen, teils antisemitisch gesinnten Kommandanten. Die Schweiz als Emigrationsland wird hier in düsteren Farben geschildert. Aber: "Ihr kriegt mich nicht!" heißt ein Filmprojekt, das sich mit seiner Biographie beschäftigt und demnächst realisiert werden soll. 1945 kehrte Manfred Weil zurück, trennte sich auch von seiner Schweizer Freundin, die er erst 16 Jahre später wiedersah. Er ging ins völlig zerstörte Köln, wo er an der Werkschule und an der Universität im besser davongekommenen Bonn studierte, sah seine Mutter wieder, die in Leipzig ebenfalls NS-Drangsalen ausgesetzt war, während sein Vater im Vernichtungslager umgekommen war. Heute lebte Manfred Weil in Meckenheim, ein Freundeskreis organisiert verschiedene Aktivitäten rund um sein Lebenswerk. Ich hab mir die Biographie, die eine Historikerin namens Mechthild Kalthoff sehr flüssig und spanned geschrieben und mit aufschlussreichen Aktenzitaten angereichert hat, vom Künstler signieren lassen, der hat's dann irrtümlich seiner Schwägerin gewidmet, ich darf es aber trotzdem behalten.

    Jetzt bin ich über das Leben des Künstlers ganz von der Kunstmeile weggekommen. Die bei Alius ausgestellten Manfred-Weil-Bilder sind alle gut bis hervorragend (wir hätten beinah eins gekauft, aber der Preis war dann doch jenseits unserer Möglichkeiten,Michaela Merzenich auf der Kunstmeile Rodenkirchen 2013 und woher bei uns eine leere Wand finden?), wenn auch auf unterschiedliche Weise. Man merkt, dass der Maler viele Jahre kunstgewerblich tätig war, Klein-Kunst für schmale Beutel: Mann und Frau genügen sich selbstund bei der Auswahl mehr auf die Wünsche seiMichaela Merzenich auf der Kunstmeile Reodenkirchenner Kundschaft Rücksicht nimmt als einem stilistischen Eigensinn oder einer epochalen Berufung zu folgen. Und das ist ja auch ganz richtig so, denn hier in Rodenkirchen kann der Künstler mit einem Käuferkreis rechnen, der sich die Bilder auch leisten kann.  Wäre ich allerdings Galerist und er noch jung und unbekannt, würde ich ihm raten, sich auf eine Werkgruppe zu konzentrieren und mit dieser sich einige Jahre durchzuhungern, bis sein Name unverwechselbar eingeschrieben ist in den Katalog der Moderne. Aber ganz so modern will Manfred Weil auch gar nicht sein. Ich würde gern mal in sein Atelier gehen und eine ganz persönliche, mir zusagende "Top Ten" aus dem Fundus unverkaufter Bilder heraussuchen. Da sind bestimmt Entdeckungen zu machen. - Die hier gezeigten Bilder sind hingegen "brav", vor allem an Vorbildern aus dem Picasso-Umfeld orientiert, besonders die Zeichnungen - z. B. Frauenakte, die sinnigerweise in den Schmuckvitrinen neben schönem Halsschmuck von Alius liegen - erinnern in ihrer Leichtigkeit und der Linienführung an Jean Cocteau, anderes, als hätte man einen Picasso vor sich, der sich in einer den Biographen bisher unbekannten, "grünen" Periode der naiven Malerei in ihrer Schlichtheit und Lebensfreude hingegeben.

    Der Künstler Kunstmeile Rodenkirchen 2013kam mit seiner Familie und weiteren Gästen noch selbst, als wir in der Ausstellung herumstanden, als es dann voller wurden, verdrückten wir uns und schritten die Kunstmeile ab. Spanische Wand nach Petersens BearbeitungDabei sahen wir noch einiges andere, mehr oder minder Überzeugende, monochrome "Schürfbilder" beispielsweise (wie ich sie nennen würde, einfach die Farbe mit dem Spachtel abgezogen), mit denen ich nichts anfangen kann, einen mystisch (wie der Wald von Binham vor das schottische Schloss) ins Dreidimensionale vorrückenden roten Stängelwald von Jeannette de Payrebrune und die karikaturhaften Tierbilder der Gerda Laufenberg, die sich auf diese Weise der Pflicht zur Familien-Porträtierung entledigt. Das gefiel uns sehr gut, auch die comic-ähnlichen Arrangements von Mädchenbildern, die Michaela Merzenich ("Mime") pJan Malte Petersens Sorgensuppeassend zum Boutique-Ambiente in die Marc-Rheingalerie stellt. Bei Jan Malte Petersen, der eine Kollektion satirischer, teils patrairchats-, teils kapitalismuskritischer (und daher im noblen Rodenkirchener Umfeld durchaus widerständig wirkender) Gebrauchsbilder für Liebhaber von Titanic-Scherzen auf rosafarbene, den Neid meiner ebenfalls künstlerisch tätigen Gemahlin erregende Stellwände montiert, leuchtete mir die spanische Wand mit eingeschnittenen Rotkreuz-Gucklöchern ein, zumal sein Oeuvre bei Betten-Bischoff im Einkaufszentrum Sommershof Quartier gefunden hat. Diese Kunstwerke sind übrigens sehr preiswert bzw., haben auch ein vernünftiges, ready-made-faires Preis-Leistungsverhältnis, man darf  keinen Eiffelturm von Delaunay mit Picasso-Nordlichtern dran verlangen, aber das Bild von der (Warhols Campbell's-Werbung nachempfundenen) Castor-Konserve mit Strahlemann-Warnhinweis auf dem Deckel würde in manche 70er-Jahre-KKW-Gegner-WG-Küche passen, wenn's die noch gäbe.


    votre commentaire
  • Heute ist der 200. Geburtstag von Friedrich Hebbel, und im Radio war der Sekretär der Hebbel-Gesellschaft zu hören. Im fernen Dithmarschen liest man keine Lexika mit weiterführenden Literaturangaben, und deshalb hat der Interviewte vor Jahren Briefe der Amalie Schoppe herausgegeben, ohne darauf zu achten, daß einige von ihnen längst erschienen und ihre Druckorte im Artikel der Neuen Deutschen Biographie, den er ebenfalls nicht kannte, angeführt waren. Eigentlich könnte im September auch der 155. Todestag von Amalie Schoppe begangen, oder besser gefeiert werden, die Hunderte von Büchern hinterlassen und Hebbel gefördert hat, der sie entsprechend schlecht behandelte - junge Genies beißen gern die Hand, die sie füttert. Das ist ja auch bei Richard Wagner nicht anders gewesen, der im Mai mit dem 200. Geburtstag dran ist. Der hat sich bekanntlich von Meyerbeer in Paris überall empfehlen und kreditieren lassen (auch in pekuniärem Sinn) und anschließend die Hetzschrift über das Judentum in der Musik verfaßt. Gleichviel, heute, zu Hebbels Geburtstag, erheben und von den Plätzen, ergreifen das Glas mit Küstennebel und stimmen in Grillparzers (hatte seinen 222. Geburtstag am 15. Jänner, wirklich und warhhaftig steht in Grillparzers Wikipedia-Artikel "Jänner", auch beim Todestag, das war der 21ste in 1872, die haben jetzt nach der sz-Sonderregel offenbar eine österreichische Mundart-Regel eingeführt, beim Primus von Quack und seinem Röserl Karfiol mit zehn Deka Gselchtes!) noch immer, auch für die Wikipedianer aus Österreich, nur bei denen reimt es nicht, gültigen Schlachtruf ein:

    Richard Wagner und Friedrich Hebbel
    tappen beide im ästhetischen Nebbel.
    Behagen die beiden b dir nicht,
    so denke, daß der Nebel sehr dicht!


    1 commentaire
  • Der Verschönerungsverein Radertal-SüdSchneehase am Leichweg hatte wieder einmal zum Skulpturencontest aufgerufen, und anlässlich des 125. Geburtstages von Reneé Sintenis, Tierbildhauerin und Schöpferin des Berlinale-Bärs, der im Calton Creek geschaffen wurde bzw. noch immer überlebensgroß auf einer Tafel an der BAB 9 an der Anschlusstelle München-Fröttmaning-Süd an das Vorhandensein von Berlin samt der Schwestern und Brüder im Osten gemahnte, also zu Ehren der Schneeigel am LeichwegSintenis waren in dieser Frühjahrsrunde Schneetiere angesagt. Gesagt, getan, wenig später säumten zahlreiche aus dem krystallisch weißen Element geformte Skulpturen den Leichweg (heißt wirklich so) zwischen Vorgebirgswall und Grüngürtel. Leider waren die meisten dieser aus dem Bodenmaterial zusammengepappten Zombies stumm, lediglich ein herumstreunender weißer Hund richtete angstvoll die Ohren auf, fiepte und knurrte und boll, wenn eins der Monster gar zu realistisch geraten war. Nicht alle diese Monumente schienen vollendet,  und wir trafen noch manchen Künstler Schnee in Kölnbei intensiver konzeptioneller Arbeit an, als wir die Ausstellung in Augenschein nahmen. Einige ließen sich das Material für kreatives Tun von Minderjährigen auf Schlitten hertransportieren, sofern diese nicht für Schussfahrten vom Monte Klamotte herab dringender benötigt wurden.
    Doch war die Nominierungsphase noch nicht vorüber, als Tauwetter, was sage ich, Frühlingswärme einsetzte! Ein gefährlicher, heißer Hauch hechelteSchneebär von Süden her und brachte Tod und Verderben über die eisige Animal Farm im Encke-Volkspark am Leichweg. (schmuddelige) SchneekatzeDie Tiere schmolzen im Handumdrehen dahin, die Jury ging nach Hause und der Kunstpreis - eine Kiste Weihnachtsgebäck aus dem Bäderresidenz des rheumakranken Charlemagne - wurde in Glühwein-Zabayone aufgelöst.  Einer Neuauflage des Wettbewerbs noch Schweinchen aus Schneein diesem Frühjahr steht der Verschönerungsverein skeptisch gegenüber. Den kurzfristig gef
    Schneehund am Leichwegallenen Temperaturen soll schon zum Wochenende hin wieder aufgeholfen werden. Außerdem war der Lebkuchenausschuss der Vereinten Deutschen Süßwarenindustrie bei einem gestrigen Telefonat nicht bereit, eine neue Kiste Printen zu stiften. Die geht jetzt im Juli als Hauptgewinn an die Tombola zugunsten der Familien der vom Hitzschlag Betroffenen.


    votre commentaire
  • Gestern haben wir uns im "Rex am Ring" (auch nur noch ein Schuhkartonkino) Steven Spielbergs Lincoln reingezogen. Da qualmt der Hauch der Geschichte aber dermaßen dick aus allen Leinwandporen, da brauchste keine 3-D-Brille, wobei mir fast peinlich war, dass wir zuvor beim Rathaus die neue hyperschicke, zumthor-ähnlich holzlattenverkleidete U-Bahn-Station der 5 benutzt hatten (die nächste auf der Strecke südwärts, am Waidmarkt, ist noch unbenutzbar, da muss erst der Staatsanwaltslift in den "Begehungsstollen" fertig werden, in den Krater, in dem das Stadtarchiv verschluckt wurde, und zwar zur "Beweissicherung", ein halbes Jahrzehnt nach der Versenkung unserer 1500jährigen Aktenberge)... Wir geschichtsvergessenen Europäer kBölls Glastürönnen heilfroh sein, wenn bei uns nach dem heimrichen Noböllpreisträger mal eine Glastür in der Südstadt benannt ist. In Amerika, da weiss man Tradition noch zu schätzen. Der Film hat jede Menge Komparserie, wer immer einen Backenbart oder eine Furchenstirn sein eigen nannte, wurde gecastet (und zwar Männer, das war nun mal so in der damaligen Politik, die Mädels gucken höchstens oben vom Zuschauerrang runter und sind daher nur halb zu sehen). Spielberg durfte sogar die originale Taschenuhr von Lincoln ticken lassen. In der synchronisierten Fassung allerdings, die wir sahen, tickt nichts richtig, außerdem wurde ich nervös, weil der Schauspieler mit dem Zeigefinger gegen das kostbare Teil flitscht, und die rauhbeinigen Parlamentsredner krakeehlen auch nicht ganz so überzeugend. Aber dann wieder die Inneneinrichtung, wie aus "Landhaus living", im aulde country style: Jede Menge Bibliothekswände mit Lederrücken, Teakholz, alte Dokumente, und dann schimmert und blitzt in all den Brauntönen plötzlich was Goldenes, der Notgriff am Schreibtischaufsatz oder was weiß ich und man denkt: Benson & Hedges! Racke Rauchzart! Feinste cubanische Fehlfarben-Havannas mit elfenbeinernem Ratsherrensilbermundstück, und tatsächlich kräuselt sich schon der Qualm aus einer solchen, den der Außenminister dem antichambrierenden Dorfdeppen-Paar ins Gesicht bläst. Das White House erinnerte sowieso an eine Hotelkette für besonders konservative Touris. Und dazwischen dann dieser Brite, der schon in Gandhi und Im Namen des Vaters mitgespielt hat & inzwischen die irische Ehren-Staatsbürgerschaft hat, und so groß ist, dass er permanent gebückt gehen muss, um ins Kamerabild zu passen. Kohl hat ja mal in Lincolns Bett geschlafen, die Körpergröße war nicht unähnlich, aber der Knebelbartträger war viel magerer als der Vierfachkinnige. Jede Menge Abiturienten und Politiklehrer im Publikum, das Popcornfuttern ("mittlere" Portion, kam uns wie ein Fass vor)  haben wir aber pietätvoll eingestellt. Spielberg hat im Interview angedeutet, man könne sich auch  einen Film vorstellen, der den  Einfluss von Frederick Douglass auf Lincoln darstellt, und da sage ich natürlich; JA, Meister Spielberg, ran an den Speck, und natürlich die Nebenfiguren nicht vergessen, ich sage nur: "Love across Color Lines!" und vor Schreck hat Missouri daraufhin endlich die Ratifizierung des 13th Amendments, die erst 1995stattfand, der Registratur des Staatsarchivs in Washington auch mitgeteilt, weshalb sie erst im Februar 2013 registreirt und damit wirksam wurde (Lincolns Geburtsstaat Kentucky hat es bereits 1976 ratifiziert, nur 131 Jahre nach der Abstimmung im Kongress). Der Schluss mit dem Umritt durch die Leichenberge von Petersburg, Virginia, wo ein hippiebärtiger Veganer auf dem Rücken liegt und röchelnd offenen Auges in den Himmel starrt, als halte er nach Regenwolken über Woodstock Ausschau, die war dann doch ein bisschen dick aufgetragen, wie überhaupt der Film nach der glücklichen Verabschiedung des Amendments und der Gutenachtlektüre des Radikalrepublikaners Thaddeus Stevens mit seiner schwarzen Aufwarte- bzw. Zitat aus begeisterten Dankschreibenheimlichen Ehefrau (beim Gutenachtkuss hätt man das Licht ausmachen sollen, aber es ging viertelstundenlang weiter) ins Irrsinnige abgleitet, alle gucken sich nur noch bedeutungsschwanger an und sprechen in Sätzen, die man gut & gerne ins Mount-Rushmore-Felsmassiv meißeln könnte, vorher hatte das Plüschige und Perückige an der Ausstattung davon abgelenkt. Das kann man sich trotz des ermüdenden Schulfunkanteils und der fritz-lang-mäßigen Massenszenen (immer so gruppiert um irgendein Zentrum, selbst wenn sie nur mal eine Treppe hinunterstürzen) mit Vergnügen am lebendigen 19. Jahrhundert anschauen. Hätte gern das damals aktuelle Stück im Ford Theatre noch weiterverfolgt, aber da musste die Kamera schon auf den grünlich beleuchteten und, als wär er grad vom Kreuz abgenommen worden, aufs Bahrtuch gebetteten Lincoln schwenken, der in der Rückblende auch noch mal ganz christusmäßig die Arme ausbreitet und den Schulkindern, die sie auswendig lernen müssen, nun noch einmal seine berühmte Rede vorsagt.


    votre commentaire