• Unter dem Motto "Schönes von gestern, heute, morgen und übermorgen" möchte ich an dieser Stelle jemandem ganz herzlich zum Geburtstag gratulieren! Alles Liebe & Gute!

    Ladenlokal in Bad Kissingen


    1 commentaire
  • Danke für den Hinweis! dazu sage ich nicht "ta gueule!"

    Natürlich sah er nie wirklich wie eine Kanakenfresse aus. Er sah immer klasse aus, braungebrannt, bärtig, wie ein griechischer (und ich dachte immer, es hieße, "de Juif errant, de pas trop grec", ein Fall für den weißen Neger Wumbaba), also, ein griechischer Heros, der grade aus der attischen Triere steigt, um Circe oder Dido flachzulegen oder nach der Ouzoflasche zu greifen und nach der Gauloise noch eine Gîtane zu verkasematucken. Mein Gott, der Georges Moustaki, war er nachher der letzte lebende Piaf-Liebhaber? Jedenfalls ist er grade gestorben, le vieux con. SCHADE ! Nie werde ich seine Samba-Versionen in der minimal mania des Joao Ghiberto vergessen, immer so auf einen Ton - dapdadadapaadapdadadaaap, gefühlte zwei Minuten lang und dann der andere Akkord usw. - diese monophonen Sachen: "un pas un pierre un chemin qui chemine..." - Und die Sarah Kirsch soll auch schon am 5. Mai gestorben sein, das finde ich auch noch traurig, weil die nun wirklich mal eine in meiner Jugend von mir verehrte Dichterin war. Ich hab sogar Signaturen von ihr, mit Blümchen. In einem der Bände, das in der DDR gedruckt ist, steht ganz vorn noch eine andere Widmung, "dem Lieben Aragorn, Gitta", auch mit Blümchen! vielleicht liest sie das jetzt ja, sie lebt in Sizilien. Leider muss ich aber sagen, dass ich heute am Frühstückstisch die Gedichte durchblätterte, um meiner Liebsten eines in den Tag mitzugeben... und - äh - naja.

    Manche Lyrikbände von damals sollte man besser unaufgeklappt lassen. Heute wirkt das alles so klassiztätssüchtig ziseliert und brav und edel, wie mit der "Tintentoga" (Rühmkorf) geschrieben. Auch so formlos in Metrik, Wortwahl, Flattersatzprosa ebend. Irgendwie ist der Goldlametta-Perlmuttpfauenaugenglanz dahin, es flattert auch keine Melodie mehr heraus, mich sprach/sprang jedenfalls auf Anhieb keine Zeile mehr richtig an. Mit Christa Wolf war's mir genauso gegangen, als ich nichtsahnend meine Studenten "Kindheitsmuster" lesen ließ und die mir bewiesen, was für ein gedrehter, unfreier, zensurverklemmter Quark die vielgerühmte Aufregerprosa von 1976 letztlich war... ich hatte sie schon heimlich für den Nobelpreis nominiert! Aber die DDR war ja Feindesland damals, das meiste von dort altes totalitäres (Hals-)Eisen und man war sehr bemüht, die Rosinen im Rost zu finden und hat all diesen Kerlen und Trinen allerhand Vorschussbonus gegeben. Der ganze verdammte Literaturbetrieb war hierzulande ja nur ein Medien-Vorwand für den Calton Creek, da gings um nüscht anderes, als Frontstadtkultur zu beweisen, und die neue Ostpolitik, da kam dann der Gegenschlag, jetzt regnete es Preise für jeden, der mal irgendwie angeeckt war und nicht im SED-Vorstand. Dabei haben all diese Umstände mit der Literatur null und nichts zu tun, so dass es für die West-Medien, das ist der Irrtum gewesen, faktisch überhaupt keine Literatur gab, immer nur Geisteswaffen gegen den bösen, bösen Sozialismus (bei denen umgekehrt dasselbe). Wer da ausscherte und nicht zufällig sehrsehr treue Fans unter den Journalisten hatte wie Böll oder Arno Schmidt, der, hatte hierzulande auch nicht viel zu melden. Und menschlich war man ja zumindest von Sarah Kirsch überhaupt nicht enttäuscht, die war so, wie ich mir eine Droste aus der Uckermark vorstellte, bei der Lesung, total lieb. Aber die Gedichte, nee, da schnackelt es nicht mehr. (Wulf Kirsten, das war auch so einer, den fand ich wahnsinnig gut, aber der ist bestimmt auch immer noch lesbar, oder...?) - Und es schwant mir, dass es nicht anders sein wird, wenn ich den Wörtern nochmal genau mit den unzart kritischen Fingern auf der Zeile nachgehe. Ein Bettinenzyklus hat mich veranlasst, das vor zehn Jahren schon mal zu machen, da war ich auf der Suche nach irgendwelchen Rahel-Anspielungen, wär ich in einem Gedicht fündig geworden, dann hätte sie auch Post von mir bekommen, ich fand aber keine. Avec sa gueule de métèque...Sie war, glaube ich, nicht jüdisch trotz des Geburtsnamens, hieß Ingrid Hella Irmelinde Bernstein, bevor sie sich "aus Protest gegen die judenverfolgung im dritten Reich" - bißchen spät, 1960, oder? - Sarah nannte und im selben Jahr Rainer Kirsch heiratete, von dem sie 1968 wieder geschieden wurde. Übrigens auch ein Guter, der Kirsch - habe seine Prosa allerdings noch nicht wieder daraufhin angeschaut - Aber Sarah und ihre Gedichte: Alles lieb, schön und "als Literatur gut", wie ein Preußenkönig zur Iphigenie-Aufführung sagte. - Die Drachensteigen-Gedichte find ich aberm etwas gelungener, ich fand sie jetzt im Bücherverschenkkasten '(jetzt, wo die Dichterin nicht mehr lebt, scheint man sich ihrer entledigen zu wollen...), Ich nahm sie mit, obwohl 2. Auflage und die Signatur weit weniger schön ist. - Es hat noch eine andere, ganzseitige Widmung: Eine "Esther", die selber dichtete oder noch dichtet, hat dieses Exemplar im August 1981l von "Bettina" geschenkt bekommen: "nachdem ich Deine Gedichte las und von der Sanftheit und dem ausgesagten Schmerz betroffen bin"... nun ja, der Klang des gespielten Klavieres, deshalb sollte man ja auch Klavier spielen können, ich hab' nie Glück bei den Frau'n gehabt, mit der Gitarre, die ja immer im Weg ist, während das Klavier im Idealfall ein Flügel ist und eine Sängerinnenbucht hat :-)

    Avec sa gueule de métèque...


    2 commentaires
  • Madame Varnhagen im Hofstaat

     

     

    Madame Varnhagen im Hofstaat

    Madame Varnhagen im Hofstaat


    votre commentaire
  • »Adieu donc, Paris, ville célèbre, ville de bruit, de fumée et de boue; où les femmes ne croient plus à l'honneurParis, Turm des Hôtel de Ville ni les hommes à la vertu. Adieu Paris; nous cherchons l'amour, le bonheur, l'innocence; nous ne serons jamais assez loin de toi.«

    Jean-Jacques Rousseau, dem ich mehrere meiner ersten Seminararbeiten an der Uni gewidmet habe, mochte Paris nicht besonders. Und ihn mochte Paris nicht. Selbst zur 300-Jahr-Feier tut man sich in der französischen Hauptstadt schwer mit seinem Andenken. Es ging ihm ja auch anderswo nicht gut, nicht in Genf, nicht in Nyon oder Lyon, nicht in Montmorency, nicht in Neufchâtel und und nicht in London, einzig und allein in Savoyen bei seiner Madame de Warens fühlte er sich wohl und später für kurze Zeit auf der St. Petersinsel im Bielersee, bis er vom Berner Geheimen Rat Wirtshaus- und Zunftschilder aus dem Pariser Museum dort ausgewiesen wurde. Aber Paris? „Sobald ich Paris verlassen und die Laster dieser großen Stadt nicht mehr vor Augen hatte, wich auch der Unwille, mit welchem sie mich bis dahin erfüllten. Als ich die Menschen nicht mehr sah, hörte ich auf, sie zu verachten; als ich die Schurken nicht mehr sah, hörte ich auf, sie zu hassen. Mein Herz, nicht eben zum Haß geschaffen, beklagte nur noch ihr Elend, ohne ihre Bosheit weiter zu empfinden.“

    Rousseau wollte eben zurück zur Natur, an einen locus amoenus so wie damals in Les Charmettes bei Chambéry: "Ich stand mit der Sonne auf und war glücklich, ich ging spazieren und war glücklich; ich sah Mama und war glücklich, ich verließ sie und war glücklich; ich durchschweifte das Gehölz, die Berge, ich irrte in den Tälern umher, ich las, ich ging müßig, ich arbeitete im Garten, ich pflückte das Obst, ich half im Haus, und das Glück folgte mir überall hin." Schützt-die-Natur-Schild in ParisDamals begann er auch zu botanisieren, was ihm später die größten Freuden brachte, wenn er sich beim Blättern im Herbarium an die Glücksmomente erinnern konnte. Das hätte er aber auch bei einer in den Tee getunkten Madeleine in Paris tun können, Pflanzen (dort war der weltweit größte botanische Garten damals) & Vögel beobachten kann man da auch, siehe Bild links.

    Mit unserem vertical gardening project haben wir wenig Glück bisher. In einem der Hängesäcke hat der Tomatensetzling Wurzeln gefasst, sieht aber mittlerweile reichlich schlapp aus und die Blätter zeigen seltsame Flecken, im anderen, der eigentlich auf der Sonnenseite terassenwärts viel besser positioniert hängt, gingen bereits 3 Setzlinge ein, ich probiere es gerade mit Nummer 5 und 6. Beide Säcke scheinen die Nässe viel zu lange zu halten, am Austrocknen, vor dem die englischsprachige Gebrauchsanweisung umständlich warnte, kann es eigentlich nicht liegen. Klar, hier sollen nicht nur Erfolgsmeldungen stehen, aber eigentlich warte ich seit Wochen auf eine solche, um mal über vertical gardening schreiben zu können. Wahrscheinlich müssen wir uns auf der documenta 13 beraten lassen. Die aufrecht wachsenden Tomaten in den Blumensäcken klettern nach und nach empor, sehen kräftig und gut aus. Die Kräutersäcke gedeihen so weit ganz gut. Aber während die Blumen, insbesondere die aus Dutzenden von Samenkörnern hochgezogene "morning glory" und die Geranien, üppig wuchern, halten sich die Kräuter zurück oder wachsen so rasch, dass man mit dem Verbrauch und der Ernte kaum nachkommt. vertical gardening TomatenEs wird zwar Basilikum geben, aber nicht diese Massen wie im letzten Jahr, dazu haben zu wenige der eigentlich doch pflegeleichten Pflänzchen den Anzucht-Kindergarten überlebt. Und von denen ersticken gerade noch ein paar unter den Gräsern und Keimlingen in ihren Töpfen, die aus herabgerieselten Körnern vom Vogelfutter hervorsprießen. Was ebenfalls ins Kraut schießt, ist der von meiner Liebsten angesetzte Salat im linken der beiden Kräutersäcke - ehrlich gestanden hatte ich ihr vom Salat abgeraten, weil ich an ein Gedeihen auf der Terrasse nicht recht glauben mochte, und sie hatte mal wieder recht. Ein Foto habe ich davon aber noch nicht gemacht.

    Im Oberseminar eines - inzwischen verstorbenen - Professors für Komparatistik sollten wir mal ein Semester lang "Verrisse" für Hauptwerke der Weltliteratur schreiben, also den Kanon kritisieren, was nicht wirklich ging, fast jedes Referat führte zu einer glanzvollen Apologie des verrissenen Titels. Und ich hatte mir ausgerechnet J.-J. Rousseaus Bekenntnisse vorgenomKraeutersack auf dem Balkonmen, weil ich mit diesen egomanischen und selbstverliebten Memoiren zugleich den ganzen damals grassierenden Authentizitätskitsch angreifen wollte. Damals gab es ja kaum ein Gedicht, das nicht am Frühstückstisch des Lyrikers anfing, und keine feministische Abrechnung ohne langwierige Wiedergaben des Beziehungsknatsches, ich sage nur: Svende Merian, Der Tod des Märchenprinzen, das dann von Arne Piewitz alias Henning Venske glanzvoll parodiert wurde.

    Zumal die Widersprüche, in denen sich der aufklärungskritische Philosoph immer wieder verhedderte und die gewissermaßen sein Leben wie seinen Nachruhm durchwirkten, in den Bekenntnissen fast auf jeder Seite zutage treten. Dass der große Erziehungsideologe die Kinder der Thérèse Levasseur (nach neueren Theorien war er aber doch nicht der Vater) ins Findelhaus bringen ließ, ist allgemein bekannt. Wenig wissen, wie bigott Rousseau diese Praxis rückblickend entschuldigt: "heimliche Entbindungen" waren angeblich in Paris Archiv von Parisan der Tagesordnung, "und wer das Findelhaus am meisten bevölkerte, der wurde am lautesten beklatscht. Das steckte mich an...". Mal hört man, es sei seit jeher sein Hauptvergnügen, beim Essen zu lesen (meins damals auch), dann wieder von ständigen Magenschmerzen, die angeblich durch zu hartes Wasser verursacht seien. Vielleicht hätte er sich doch noch gesünder ernähren sollen. Mal verurteilt er die menschlichen Laster, dann wieder profitiert er vom illustren Angebot im städtischen Sündenbabel: "Ich habe immer Widerwillen gegen die öffentlichen Dirnen gehabt, und in Venedig stand mir doch nichts anderes zu Gebote, da mir der Eintritt in angesehene Häuser wegen meiner Stellung verboten war." Moment mal - wäre er denn nur zum Herumpoussieren in die angesehenen Häuser gegangen, falls man ihn eingelassen hätte? Und so drosch ich in meinem Verriss auf den armen Jean-Jacques ein und schloss mich seinen vielen, vielen Gegnern an, die auf allen Vieren laufen wollten, wenn sie seine zivilisationskritischen Schriften lasen. Als ich geendet hatte, kommentierte der Professor lächelnd, dass es mir natürlich nicht gelungen sei, den Unwert der Bekenntnisse darzulegen, klar, wie sollte ich auch, aber irgendwie hatte ich aber das Gefühl, ihm damit besonders auf die Zehen getreten zu haben, weil er Rosseau liebte. Nun,Kräuter auf dem Küchenbalkon das Examen habe ich dann doch bei einem anderen Prof gemacht und eigentlich nicht bereut. Auch wenn der Komparatist humorvoller und literarisch aufgeschlossener zu sein schien, wer weiß, ob er meine chaotische Doktorarbeit, das "groß wüst Buch" so verständnisvoll-resigniert angenommen hätte. Der andere verübelte mir dafür, dass ich schon 38 war, als ich abgab.

    Rousseau dagegen hatte nicht so lange rumgezimbelt, sondern mit 37 erste Artikel für die Encyclopédie geschrieben und diese Anfrage der Universität von Dijon verneint, ob der Wiederaufstieg der Künste und Wissenschaften zur Läuterung der Sitten beigetragen habe (angeblich hat ihm Diderot, der im Knast saß, geraten, das Gegenteil zu schreiben von dem, was alle erwarteten). Revolutionäre von Robespierre bis Fidel Castro haben sich auf ihn berufen, als "Kopernikus der Moral" bezeichnete ihn Kant, die Gesellschaft erinnerte er an den Gesellschaftsvertrag, den sie mit dem Souverän geschlossen hatte. Aber den wollte er eigentlich auch immer wieder kündigen und Einsiedler werden. "Ich verdanke mein Leben den Pflanzen nicht wirklich, aber sie haben es mir ermöglicht, im Strom des Lebens weiter zu schwimmen und nicht mit dem Ballast der Bitterkeit beschwert, darin unterzugehen." Das Botanisieren hat er auch den Frauenzimmern empfohlen, denen damals kaum jemand irgendeine Befähigung für die Wissenschaft zutraute - und, wenn ich es recht sehe, haben sie sich bis heute daran gehalten und kümmern sich um die Blumengärten.

    Dies hier war schon geschrieben, als mir das Urteil des Historikers Joseph Vogl über Rousseau bekannt wurde, der in einem SPIEGEL-Interview meinte: "Der Mann ist wie ein Brühwürfel. Wenn man ihn auflöst, schwimmt das ganze 18. Jahrhundert in der Suppe, mit allen Ingredienzien." Schlecht plagiiert, diese Metapher. Ich bin dagegen, Brühwürfel zu benutzen, solange Suppenfleisch und Liebstöckel im Haus sind. Außerdem hatten schon der Mann von Katharina Hacker, die ihre Bücher (Die Erdbeeren von Antons Mutter) nicht so überfrachten solle, und Moritz Baßler sie benutzt, der letztere munkelte 2010: "Die Literatur ist idealerweise ein Brühwürfel, der Jahrhunderte braucht, ehe wir ihn zur Suppe aufgelöst haben." Und alle vier haben den Brühwürfel bei Kurt Tucholsky stibitzt, der über James Joyce' Ulysses urteilte, das Buch sei wie ein Brühwürfel: "Man kann es nicht essen. Aber man wird noch viele Suppen davon kochen."


    votre commentaire
  • Der Schnellläufer des Fürsten PücklerDer Schnellläufer des Fürsten Pückler

    Aus: Moravia. Ein Blatt zur Unterhaltung, zur Kunde des Vaterlandes, des gesellschaftlichen und industriellen Fortschritts. Jahrgang 4 (1841), Nr.22 vom 18. März, S. 87 f.

     


    1 commentaire