• Im Allgäu fiel mir auf, wie oft Hinweisschilder mit der Hand gemalt sind (zum Vergrößern einfach draufklicken).

    Holz lagern verbotenKeine Durchfahrt50 km Radar

    Man beachte den Sinn für Farbgebung und Design, z. B. die Unterpünktelung rechts oben!

    Mir wollen diese Warn- und Hinweisschilder aber auch wirksamer (alarmierender) erscheinen, als wenn es sich um ein behördliches, in Blech gestanztes Verbot handeln würde. Und "Radar" schreckt mehr vom Gasgeben ab als "Kinder"! Allgäuer scheinen seit alters her gern schriftlich mit ihrer Umgebung zu kommunizieren, wie diese im Schwäbischen Landwirtschaftsmuseum zu Illerbeuren gezeigten Haus-Inschriften nahelegen.

    Hausinschrift Illerbeurenlinks: "wer allen Leiten recht thun wil und kan der lösh mich aus und shreib sich selber an"; unten: "wan einer will bauen an weg und Strassen der muß die Herren reden und die Narren dadlen lassen".

    Hausinschrift Illerbeuren 2Ich muß noch herausfinden,
    was das Wort "Dadlen" bedeutet. Grimm-Wörterbuch: Fehlanzeige. Vermutlich "Tadeln"...

    ZiegenstallWelcomeBesonders hat mich ergriffen, an der Tür zu einer Bauernkate aus dem 18. oder 19. Jahrhundert das Schild "Welcome" zu lesen - damals schon Denglisch? Aber die Umwidmung eines offenbar aufgegebenen Gasthofs zum Rathaus geschah auch ganz unkompliziert, mit einem draufgepinselten Titel (wo Dings draufsteht, ist auch Dings drin)...

    WelcomeIn Bad Grönenbach, wo es noch Gasthöfe gibt, hat man den Rauchern das draußen vor der Tür gelegene Rauchereckchen mit einem Wandbild verschönern wollen. Aber
    das HB-Männchen gleich mit zwei Zigaretten
    auszustatten, ist übertrieben, oder?Raucherecke                   

    Das Rathaus fanden wir übrigens in Maria Steinbach. Auch den Hexenhof, gleich neben der Wallfahrtskirche aus dem 17. Jahrhundert gelegen, inzwischen hat man die Hexe wohl ausquartiert und renoviert das Anwesen, und sie wird in der Tagesklinik der Galerie glatt + verdreht in Lindau betreut...HexenhofGalerie glatt und verdrehtMusketierquartierIn einem Turm der Stadtmauer in Memmingen haben die Musketiere, die sicher keine Memmen sind, ihr Hauptquartier - wenn alle paar Jahre wieder Wallenstein einreitet.

    Der handschriftliche Hinweis kann über Enttäuschungen - wenn man zB. kilometerlange Umwege zur Überfahrt über den Fluss auf sich nahm, um zu erfahren, dass die Fähre nur nach telefonischer Voranmeldung kommt und "schwere Räder" nicht transportierbar sind -, hinwegtrösten. Aber auch politischer Protest artikuliert sich im Allgäu gern mit entsprechenden Spruchbändern wie diesem. Zittert, ihr Molkereimagnaten: der Bauer stund auf im Lande!

    mon blog retrouvé...Mueller Milch ProtestWassermann

     

    Und dann gab es noch geheimnisvolle Mitteilungen anderer Art. Im Wald hatte offenbar jemand eine Schnitzeljagd organisiert oder bestimmte, namentlich genannte  Leute ins Abseits locken wollen. Vielleicht in die Schaschlikhölle?schaschlikhölle

    WalterAnnelieses Weg

    Zum Schluss noch das Verbot, die Burgmauer zu betreten (an das sich seit der Zeit der Musketiere niemand gehalten hat, die ehemalige Burg war ein Trümmerfeld, und der Müll hätte gut und gern vier Abfallkörbe gefüllt), und zwei seltsame Mahnungen: "Seid nicht böse!" und (richtet sich das an den Pflasterer?) "Wo hast du vier Jahre gelernt!"

    burgmauer nicht betretenvier Jahre gelerntseid nicht böse

     


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  • Irgendwann war es soweit, dass wir Abschied nehmen mussten - jedes Finale geht unweigerlich am Schluss zu Ende. Nachdem ich am Montag ein letztes Mal direkt hinterm Haus in den Wald gelaufen und meine Pantomimen-Gymnastik absolviert hatte, hieß es: zusammenpacken, Räder einfalten und die Beine in die Hand bzw., weil das nur bildlich gilt, die Autobahn unter die Sommerreifen nehmen.das "Laufende Logo" der book-crossing-Gemeinde Unsere Gastgeberin im Book Crossing Point von Bad Grönenbach war bereits von ihrem Ausflug nach Österreich zurückgekehrt und wollte natürlich wissen, wie's uns geht, vor allem, wie wir mit dem doch oft wetterwendischen Klima zurechtgekommen sind. Book Crosser gehen von dem Gedanken der Literatur als einem partizipativen Volksvermögen aus; als Autor wäre mir lieber, sie würden sich "Wolkenland" kaufen, deshalb war ich strikt dagegen, die Anthologie umstandslos hier zu hinterlassen - es hat ja nicht mal annähernd antiquarisches Alter - aber da ich selber jede Menge Bücher zuviel habe und auf dem Flohmarkt nicht mehr loswerden kann, wäre es keine schlechte Idee, beizutreten und die alten Schätzchen mit entsprechenden Identifikationsnummern auszustatten. Man legt sie an einem der vielen crossing points ab und erfährt, wenn es jemand mitnimmt und die ID-Nummer im Internet eingibt, gelegentlich von ihrem ferneren Schicksal. Übrigens waren die hier in den Billy-Regalen reichlich aufgereihten Bücher kein Flohmarkt-Prüll, sondern bestens erhalten und großenteils auch aktuell - für mich zu aktuell, denn "richtige" Literatur war nur in Ausnahmefällen darunter und der Tagesquatsch von Rosamunde Pilcher bis Vampirella-Literatur interessiert mich nicht. Immerhin hatte ich eine Lübbe-Taschenbuch-Ausgabe von Anatole France: Die Götter dürsten entdeckt, was ich endlich mal lesen wollte (kam aber über die ersten zehn Kapitel nicht hinaus); Jean-Paul Sarte: Der Ekel, das ich schon lange nicht mehr angefasst hatte, las ich nochmal ganz, zwischendurch amüsierte ich mich trotz meiner Abneigung gegen Illustriertenkram über Axel Hacke und sein biedermeierliches, stockkonservatives Deutschland-Album, dazu passte Kornelias mitgebrachte Lektüre haargenau, der ebenso stockkonservative und biedermeierliche Martin Mosebach (Der Mond und das Mädchen) und Irene Disches oberflächliche, zum Roman geblähte Obama-Wahlkampf-Reportagenserie. Tägliche Lieferungen des Memminger Anzeigers, diverser Museumsprospekte und Reiseführer und das Einsetzen des trockenen Wetters führten dazu, dass ich keine Zeit fand, mein mitgebrachtes Pensum auch nur anzublättern. Das Gefühl, in einer (fremden) Bibliothek zu wohnen, kannte ich bereits aus dem Übersetzerkollegium in Straelen, freilich mit dem Unterschied, dass man dort einerseits immer mit Kollegenbesuch rechnen muss, andererseits die Bücher nicht einfach nach Hause mitnehmen darf, was hier (theoretisch) möglich gewesen wäre. Übrigens treffen sich die deutschen Anhänger der book crossing community vom 22. bis 24. Oktober in Essen, im "Unperfekthaus", an das mich die Ferienwohnung - obwohl sie außer einer äußerst störrischen Kaffeemaschine gar nichts unperfektes an sich hatte - auch erinnert. Andererseits ist das book crossing so eine Wohlfühlgemeinde wie facebook oder Wikipedia - in der Teilnehmerliste finden sich merkwürdige Namen wie "Katzenfresser", "BunteAmsel", "Schneestern" oder "Frodo3216"'; die Crosserin, bei der wir wohnten, hat wohl einen indischen oder vedischen Nicknamen, ist aber nicht angemeldet.

    Heute, eine Woche später, haben wir uns abschließend die Vor- und Nachteile eines Allgäu-(K)urlaubs vor Augen gehalten, ich stelle hier für alle, die erwägen, mal dorthin zu fahren, eine Doppelliste der Argumente für und wider zusammen. An's Werk!

    Wegweiser (18. Jhd.) im Illerbeurener Umlandcontra:
    Wetter: Im Museum von Illerbeuren erfuhren wir, dass im Allgäu mit ergiebigem Niederschlag in allen Monaten zu rechnen ist (außer Dezember und Februar, wo er etwas spärlicher ausfällt). Dauerregen war zwar nicht oft, meist beschränken sich die Launen des Wettergottes auf einen Kneippschen Ganzkörper-Kaltguss, dem Sonnenschein zum Abtrocknen folgt. Hat es sich einmal eingeregnet, kann man sich abschminken, wandern zu gehen, es ist dann weniger angenehm, wenn Illerbeuren noch eine halbe Stunde Wegs entfernt liegt (wie auf nebenstehendem Wegweiser mitgeteilt wird).
    Entfernung: für uns war's schon eine ziemliche Wegstrecke, immerhin rund 7 Std. Fahrzeit (übrigens angenehmer über Würzburg als Stuttgart zu fahren, was ein Internet-Routenplaner empfahl). Da kann man auch noch eine Stunde Schlafpause in Mâcon und zwei Fahrtstunden auf der Autoroute de Soleil drauflegen und nach Uzès fahren - und hat dafür eine (einigermaßen verlässliche, wenn auch nicht immer) Sonnengarantie. Allerdings ist es auch teurer...
    Wandern: Zu loben sind gute und detailliert beschilderte Wege im Weichbild von Grönenbach (außerhalb werden Wegweiser merklich seltener). Auf den sog. "Weitwanderwegen" gilt: Mütze, Tee & Proviant nicht vergessen, nirgends locken, vom Waldcafé bei jener Alpen-Ausblick-Stelle abgesehen, Gasthäuser zum Einkehren (an der obigen Obeliskbasis steht übrigens: "Gib uns heute unser tägliches Brot"). Den Anblick der Landschaft bezeichnete Kornelia als "Grünkur für die Augen". Aber: Felder und Wälder sind intensiv bewirtschaftet; bei Holzeinschlag werden manche Wege gesperrt; hat der Regen mal aufgehört, wird stinkende Gülle auf die Felder gebracht; die Iller ist kaum zugänglich und scheint auch zum Baden ungeeignet; nach wilden, wenig betretenen Pfaden, wie wir sie von Wanderungen in der Provence, im Roussillon oder im Hérault kennen, sucht man meist vergebens und läuft vielmehr, einmal aus dem Gehölz herausgekommen, weite Strecken über Asphalt (auf wenig befahrenen Landstraßen). Alles im Umkreis von 5 km um Bad Grönenbach ist gut und leicht zu wandern - von manchmal beschwerlichen Steigungen abgesehen -, aber auch ein bisschen bieder und kurpatienten-kompatibel. Kornelia meint allerdings, unsere Gastgeberin habe am allerletzten Tag von tollen Wanderwegen in Himmelsrichtungen erzählt, die wir nicht probiert haben; die Gegend ist noch nicht "ausgewandert". Radausflüge könnten in interessantere Gegenden führen, sind aber im Hinblick auf das Auf und Ab der Hügelchen wieder anstrengender.
    Infrastruktur: Ein "Netto", ein "Rewe" und der Dorfladen (ein etwas unordentlich bestückter "Edeka", bietet als Sonderangebot angeschimmelte Bananen feil) sind die zentralen Versorgungsstationen in Bad Grönenbach, wo seltsamerweise kaum Bauernhofverkauf ausgeschildert ist. Daneben exisitiert noch die dem "Schlecker" angestückte Nebenerwerbspost. Briefkastenleerung 1x täglich; es gibt auch die private "Allgäu-Post" mit eigenen, roten Kästen (ich habe probehalber Fritz Reutemann eine Karte geschickt), Briefmarken kriegt man in der Patschouli-Tee-Yoga-Andenkengalerie. Mit diesen Läden, zu denen noch 1 Metzger, 2 Bäcker, 1 Fahrradhändler plus Apotheke kommen, ist der Ort geradezu die shopping mall der Umgebung und wird nur von Memmingen übertroffen. Dorthin verkehrt ein Bus, aber außer zu Pendlertageszeiten nur sehr sporadisch. Mit dem Rad ist man in rund 10 min. am "Bahnhof Bad Grönenbach", zu Fuß 30 min (einheimische Jugendliche trampen), mindestens, aber das architektonisch vom einstigen Kurgäste-Zustrom zeugende Gebäude beherbergt nur noch Bänke und einen stummen Fahrkartenautomaten und eine Fahrplan-Vitrine. Angeblich lohnen sich Tagesausflüge von hier mit dem Rad an den Bodensee, man muss aber jeweils umsteigen und kommt erst mittags dort an. Immerhin soll es einen "Allgäu-Express" geben, der vom Ruhrgebiet direkt nach Bad Grönenbach fährt (ich finde ihn unter bahn.de nicht). Wer ihn nimmt, sollte Rad oder Rollschuhe mitnehmen z.B. für längere Wegstrecken mit Einkaufsgut. Uncharmant sind die aleatorischen Öffnungszeiten von Museen im Umland ("jeden 2. Sonntag im Monat 14-16 Uhr"), außer im schwäbischen Landwirtschaftsmuseum und im Klostermuseum Ottobeuren, beide von höherer Stelle finanziert. Gemeinden, investiert mehr in Personalkosten! Was nützen die schönsten Renaissancehäuser und -klöster, wenn Tagestouristen vormittags eintreffen... Das Haus des Kurgastes hab ich nie von innen gesehen. Als ich mal Einlass begehrte, hatte grade der Bürgermeister 50. Geburtstag und ein Schild wies ins Rathaus, wo ich aber nicht stören wollte - er hätte von mir ein paar Vorschläge zur Verbesserung der Verkehrsführung geschenkt bekommen.
    Kurortqualität: Als Kurort ist Bad Grönenbach noch ausbaufähig; die Kriterien scheint man in der bayerischen Bäderverwaltung ziemlich locker zu nehmen. Eigentlich ist hier außer einem kurzzeitigen Studienaufenthalt des jungen Sebastian Kneipp gar nichts, was Heilung verspricht: keine heiße Quelle, kein Sauerbrunnen, keine Radon-Höhle etc. Die milde Luft, gepflegte Kneipp- und Sportanlagen und der Badeteich machen das aber wett. Der "Kurpark" mit Kurmuschel, Kneipp-Armbad und CSU-Denkstein der deutschen Einheit wirkt verwahrlost. Ständige Bautätigkeit im Viertel ringsum macht den Aufenthalt nicht erholsamer. Bei unserer Ankunft wurden eben ein Traditionsgasthof abgerissen und einige Meter von der Ferienwohnung weg neu gebaut (die Feierabend- und Sonntagsschwarzarbeit hielt sich aber in Grenzen und wir blieben akustisch unbelästigt). Der Kraftfahrzeugverkehr könnte außer mit 30-km-Zonen und "Bitte Schritt fahren!"-Schildern (an die sich keiner hält), wirksamer mit Straßensperren (die ja Ausnahmen für Liefer- und Anwohnerverkehr nicht ausschließen) eingedämmt werden. Und wo sind die Hupen-verboten-Schilder? Des Bayern sensibelstes Organ ist nun mal das Protz-Auto, und wer ein solches fährt, dünkt sich popeligen Fußgängern und weniger gangstarken Radlern gegenüber in der Vorfahrt. Motorräder sind nicht gern gesehen (dürfen nach Sonnenuntergang in der Stadt nicht herumbrettern) und die neueste Unsitte der vierrädrigen "Squads" hielt sich in Grenzen, haben wir vielleicht ein-, zweimal in Kempten gesehen. Aus Kurorten bin ich allerdings gewohnt, dass Motorengeräusch auf ein Minimum reduziert oder ganz unterbunden wird! und das sollte auf dem Marktplatz vor dem "Haus des Gastes" auch geschehen, anstatt selbst diesen noch zur Drehscheibe des innerstädtischen Kfz-Gebrauchs zu machen. Die Glocke der Stiftskirche Philippus und Jacobus, gegen deren Lärmimissionen wir Ohrstöpsel ans Bett gelegt bekamen, hat dagegen gar nicht gestört.

    pro:
    Freundlichkeit: Die Allgäuer, wie wir sie kennengelernt haben, sind überhaupt nicht grantlig oder verschlossen, sondern wahnsinnig freundlich, zuvor- und entgegenkommend. Nicht nur unsere Gastgeberin, auch die Kellner, Kassiererinnen, unterwegs die Bauern, wenn man welchen begegnet, alle. Nie hat man das Gefühl, angeranzt zu werden oder ausgenommen wie eine Weihnachtsgans. Wir waren ja schon ganz erschüttert, dass es keine Bayern sind, sondern Schwaben, die allerdings fast alle perfekt hochdeutsch reden. Man grüßt sich, und zwar unverkrampft und kommunikativ, ununterbrochen - auf der Straße, beim Schwimmen oder Einkaufen oder Frühsport, überhaupt in jeder Lebenslage. Außerdem sind alle sichtlich erfreut, Fremde zu sehen, welche im Vorübergehen den Nordic-Walking-, den 4fCircle-Trainings- und den Fußreflexzonen-Parcours nutzen - man fühlt sich hier fast überall willkommen, vielleicht auch, weil es (noch) so wenige von uns gibt...
    Wenig überlaufen: Die Hauptqualität des Orts ist, dass er als Geheimtip gelten darf. Die Miete war preiswert, es gibt keinen Massenandrang bei Kneipp-Tretanlagen (die auch nicht als Babybadebecken missbraucht werden) oder anderen Stätten der Ertüchtigung. Wanderern oder Walkern begegnete man mitunter, aber nur sporadisch und nie in größeren Gruppen oder gar busladungsweise. Hier kann man sich entspannen, ohne sein Glück oder sein Strandbadetuch mit Tausenden anderen teilen zu müssen. Beispielsweise stellt einen der Besuch des Naturfreibades den Klinikgästen des Sanatoriums Bad Clevers völlig gleich, der Komfort ist übersichtlich, aber alles ist sauber und kostete nichts (die Kurkarte hätte halbe Preise ermöglicht, aber wegen des ungewissen Wetters wurde ganz auf Eintritt verzichtet). Man sieht auch nicht dauernd Versehrte oder Kranke, was nicht schlimm wäre, aber das Bild dieser Kurstadt wird wirklich eher durch Sporttreibende geprägt. Und zwar nicht von braungebrannten, durchtrainierten Sonnyboys, die mit ihrer Ausrüstung oder ihrem Muskeltonus prahlen, sondern von ganz normalen, durchschnittlichen Mitmenschen, die sich an den "low-performance"-Geräten des nagelneuen, erstklassig ausgestatteten Trimm-dich-Angebots mit viel Vergnügen und ohne Leistungsdruck zu schaffen machen.
    Kulturangebote: Die Umgebung weist für Schlechtwettertage eine Fülle von Kulturangeboten auf, den Musikfestivals von Uzès und Montaren, dem Carré d'Art von Nîmes usw. durchaus vergleichbar - um es zu nutzen, muss man allerdings ebenso wie dort motorisiert sein und vorher im Haus des Gastes oder im Internet nach Öffnungszeiten und Programmen recherchieren. Kaufbeuren mit seinen Museen und literarischen Gedenkstätten, Ottobeuren und seine künstlerisch gestalteten Säle, wo ständig Konzerte stattfinden, Kempten und Mindelheim und Memmingen, das sind großartige Ausflugsziele. Und dabei haben wir vieles noch gar nicht gesehen, die Schnitzaltäre von Buxheim, das Wieland-Museum in Biberach, die Orgelrezitationen in Ottobeuren, die Museen in Wangen und Mindelheim, für all das hatten wir keine Zeit oder wir kamen zur Unzeit dorthin.
    Stille, frische Luft, Grün und Blumen: Wo wir wohnten, war der Wald direkt hinterm Haus, drei Minuten den "Vogelsang" hoch. Grüne Treppe zum Hohen SchlossDie Luft in dem Kneipp-Kurort war frisch und rein, die Stille war wunderbar, sobald man sich etwas von der Straße entfernt hatte. Das meditative Glockenklingklang der Kühe ist keine Störung. Auf den Wanderwegen war es auch stets ruhig und es herrschte in der Regel wenig Verkehr, selbst auf asphaltierten Nebenstrecken. Eine üppig-bunte Blumenfülle in den Gärten der Umgebung beweist, dass die Landfrauen viel Sinn für florale Schönheit haben, den ich bei manchen Höfen in der Eifel oder im Bergischen vermisse. Straßenränder, Wiesen, Wälder sind sauber, niemand verteilt seinen Verpackungsmüll in der Landschaft. Und an jeder Ecke, selbst tief im Wald, sofern er noch zur Gemarkung Grönenbach gehört, hängen Kästen mit Hundeklo-Plastiktüten, die von den hiesigen (wenigen) Hundebesitzern genutzt werden, um die "Trümmerl" (wie der Wiener sagt) ihrer Lieblinge diskret zu entfernen. Es muss allerdings einen besonders auf gesüßten Eistee erpichten Mitmenschen, vielleicht Kurpatienten, in Bad Grönenbach geben - dessen Hinterlassenschaften (leere Trinkkartons) fallen um so mehr ins Auge, als sonst nichts herumliegt...
    Milch und Käse: Die hierorts wachsenden Kräuter, von glücklich dreinschauenden Kühen in friedlicher und harmonischer Umgebung gemampft, sorgen anscheinend für den Wohlgeschmack der Milch und für eine reichliche Auswahl interessanter Weich- und Hartkäse. Auch Buttermilch, Quark und Yoghurt schmecken im Allgäu deutlich besser als anderswo in Deutschland. Kässpätzle haben wir nicht probiert, Weiß- und andere Würstchen sind lobenswert, Wurstsalat muss man nicht draus machen. Aber das Kulinarische haben wir allenfalls in der eigenen Ferienküche erprobt. In Bad Grönenbach gibt es sogar ein Weinrestaurant mit einem Michelin-Stern, das wir zu Kornelias Leidwesen nicht besucht haben, ebensowenig wie die Konkurrenz im Kurcafé mit dem exquisiten "Lehrlingsmenü" des dort an der Kochmütze Auszubildenden oder die Schaukäserei in Altusried, wo die Iller romantischer und zugänglicher sein soll als am Rothenstein. Das Kurvorhaben brachte es mit sich, dass wir statt der kulinarischen die sportiven Angebote weidlich in Anspruch nahmen; einen Wein nebst Brezel-Imbiss auf der Terrasse des Rauchkuchls haben wir aber nicht verschmäht. Am schönsten war das Chillen an der Kneipp-Tretanlage, bei Tee aus Thermoskannen, und anschließend der grüne, aus ausrangierten Eisenbahnschwellen gezimmerte Aufstieg zum Schloss (mit Abstecher zu Sebastian Kneipps Kräutergarten, Lehrbienenstock und Lorbers Lauben oder Panoramablick in den Abendhimmel über Stadt und Umland, von der Mauerbrüstung des Schlossgartens), und von dort die Rückkehr zur wenige Schritte entfernten Ferienwohnung.

    Unser Fazit: die Vorteile überwiegen, ihre Einschränkungen sind unerheblich. Gerade die weniger spektakuläre Landschaft an den "foothills" der Alpen ermöglicht ruhige, angenehme Ferien, ähnlich wie Aufenthalte nicht direkt am Mittelmeer, sondern im Hinterland. Kurz: wir kommen wahrscheinlich wieder!

     


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  • Zwar hab ich mein Rad noch immer nicht repariert - die Gangschaltung ist wahrscheinlich im Eimer - aber wenigstens einen Blog aus der Zeit "vor dem Crash" hab ich aus dem Cache (über Google) nochmal wiederherstellen können... vielleicht klappts ja auch mit den anderen, das Internet vergisst doch angeblich nichts.

     

    Aus einer im Cache gefundenen verlorenen Seite von Karinkornelia habe ich noch dies:

    Ein Buch des Erasmus ging mit folgendem Spruch des Druckers in die Welt:
    "Theodoricus Martinus grüßt die Studierenden und erteilt ihnen seinen Buchdruckersegen. Obwohl ich mit beiden Augen scharf aufgepaßt habe und währenddessen mich oft auch des Weingenusses enthielt, war es doch nicht zu vermeiden, daß mir einige Fehler entgingen. Ich werde diese nachträglich berichtigen."


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    • 333 bei Issos Keilerei

    (von Karinkornelia zitiert)

    wir kannten aber auch:

    • 753 kroch Rom aus dem Ei

    Im Internet lese ich noch:

    • 456, mit Rom ist es ex

    • 8 - 0 - 0 , stieg Karl auf den Stuhl

    (klingt wie Blödsinn, runde Zahlen kann man sich doch merken)
    Und das hier passt jetzt auch zur Zahlenmystik:

    • 5 3 5 3 – mit Stalin war’s vorbei.

    (der Diktator, den Vergessliche inzwischen gar nicht mehr so schlimm finden, starb am 5. März 1953)

    Hier ist noch ein hübsches:

    • Euer Urpokal - Klio Melterthal
    (manche sagen: Kilometertal)

    Wer sich diese Unsinnswörter merken kann, kriegt die neun Musen beim Schopf zu fassen:

    • Euterpe, Erasthene, Urania, Polyhymnia, Kalliope, Klio, Melpomene, Terpsichore und Thalia

    Gab es nicht mal die Methode, sich die Länge der Monate (30 bw. 28 oder 31 Tage) an den Fingerknöcheln der geschlossenen Hand abzuzählen? - und meine Brüder sagten mir immer: "Links ist da, wo der Daumen rechts ist", was für mich damals wenig hilfreich war.

    Gut, das letzgenannte passt vielleicht nicht zur Geschichte, sondern ist eine Frage der Allgemeinmotorik und daher ein Fall für das Fach Leibesübungen! Weitere Merksprüche aus anderen Fächern...

    Deutsch:

    Trenne nie s-t, denn es tut ihm weh! (okay, ist seit der Rechtschreibreform nicht mehr aktuell) 

    Doppel-a, das ist doch klar,
    ist in Waage, Haar und Paar.
    (und daran hat sogar die Schlechtbleibreform  - noch - nichts geändert!)

    Außerdem gilt noch immer:

    Wer nämlich mit h schreibt ist dämlich.

    Wer brauchen ohne zu gebraucht, braucht brauchen gar nicht zu gebrauchen.

    Nach l, m, n, r, das merke ja, steht nie tz und nie ck.

    Dann war da noch der Vers für die Genitivkonstruktion ("voll des Weines" usw.):

    begierig, kundig, eingedenk, teilhaftig, mächtig, voll

    Englisch:

    (von Karinkornelia mitgeteilt:)

    He, she, it, das "s" muss mit. (Kennen alle, machen nur wenige.)

    Französisch:

    Poisson sans boisson, c'est poison.

    Le boeuf, der Ochs, la vache, die Kuh,
    Fermez la porte, die Tür macht zu!

    (von Karinkornelia mitgeteilt:)

    Auf der Oder schwimmt kein Graf.

    ( zur Unterscheidung von ou = oder und où = wo mit accent grave)

    Mathematik:

    Der Nullen sechs hat die Million,
    Mit neun glänzt die Milliarde schon,
    Es folgt mit zwölf die Billion,
    Zuletzt mit achtzehn Trillion.

    Der Mensch, der stammt vom Affen ab, der Affe ist ein Vieh:
    Der Inhalt eines Kreises ist r-Quadrat mal Pi.

    Aus Differenzen und aus Summen kürzen nur die Dummen.

    Latein:

    Aqua das Wasser, vinum der Wein, scher dich zum Teufel, verfluchtes Latein.

    unus, solus, totus, ullus,
    uter , alter, neuter, nullus,
    alius - erfordern alle
    "ius " in dem zweiten Falle.

    der ist noch schön (und steht NICHT bei Wikipedia):

    In die Semmel biss der Kater.

    lateinisch einmal bis viermal (semel, bis, ter, quater)

    und - wie konnte ich den vergessen (sah ihn grade auf Wikipedia wieder):

    hic, haec, hoc – der Lehrer hat ’nen Stock
    is, ea, id – was will er denn damit?
    sum, fui, esse – er haut dir in die Fresse
    ille, illa, illud – dass dir die Nase blut'

    Geographie:

    Die Himmelsrichtungen Norden, Osten, Süden, Westen im Uhrzeigersinn:

    Niemals ohne Seife waschen!

    Das Planetensystem:

    Mein Vater erklärt mir jeden Samstag unsere neun Planeten.

    (Merkur, Venus, Erde, Mars, Jupiter, Saturn, Uranus, Neptun, Pluto) 

    Astronomen haben das umformuliert, nachdem Pluto kein Planet mehr sein soll (allerdings haben von 2500 angereisten Kongressteilnehmern nur 424 an der Abstimmung darüber teilgenommen), dafür aber Xena und Sedna:

    Mein Vater erklärt mir jedes Sonnensystem und natürlich Xena selbstverständlich.

    ...und hier der wohl populärste Fluss-Merkvers:

    Iller, Lech, Isar, Inn fließen all zur Donau hin,
    Wörnitz, Altmühl, Naab und Regen kommen ihr von links entgegen.
    (allerdings fließt die Altmühl jetzt in den Rhein-Main-Donau-Kanal, das ist wie die Trenne nie st-Regel überholt)

    Wo Werra sich und Fulda küssen,
    Sie ihren Namen büßen müssen.
    Es entsteht durch diesen Kuß
    Der Weserfluß.

    Noch ein paar Flussverse:

    Zehn Nebenflüsse lern' vom Rhein,
    Sechs rechts, vier links, die soll'n es sein:
    In Süd und Ost da fängst du an
    Mit Neckarfluss, dem Main, der Lahn.
    Dann, in der Nebenflüsse-Sippe,
    Folgen Sieg und Ruhr und Lippe.
    Im Westen füll'n das Zehner-Fass
    Nahe, Mosel, Ahr und Maas.

    Und wie lernt in der Tropfsteinhöhle die Stalagmiten von den Stalagtiten zu unterscheiden? Mieten steigen... und das andere, na, das sag ich jetzt mal nicht, mit Rücksicht auf die Damenwelt. Sonst löst sich einer dieser tonnenschweren Zacken von der Decke, und zufällig an der Stelle, wo ich stehe...

    Musik:

    Es geht hurtig durch Fleiß
    (Notenlinien nach dem G-Schlüssel)

    Fritzchen aß Citronen-Eis
    (die Zwischenräume)

    zu den Akronymen kann ich als Gitarrist noch hinzufügen:

    Eine alte Dame ging Hering essen
    - Stimmung der 6 Saiten der Konzertgitarre.

    Auf der Geige:

    Geh, du alter Esel.

    Chemie:

    Liebe Berta bitte komm nicht ohne frische Nelken
    = Li Be B C N O F Ne - die 2. Periode

    Ist die Welt zuwider dir,
    Trinke H2SO4.
    Wirst du des Lebens nicht mehr froh, 
    Stürze dich ins H2O.

    Cäsar sieht Germaniens Zinn und Blei
    = C Si Ge Sn Pb, die 4. Hauptgruppe

    Erst das Wasser, dann die Säure - sonst geschieht das Ungeheure!

    (sonst spritzt es beim Mischen von Schwefelsäure, die man nur peu a peu zum Wasser geben darf)

    Die Bestandteile von Granit sind:

    Feldspat, Quarz und Glimmer, die vergess ich nimmer

    Physik:

    Kondensator - der Strom geht vor,
    Induktivität - der Strom kommt zu spät.

    Ist das Mädchen brav, bleibt der Bauch konkav.
    Hat es ungeschützten Sex, wird der Bauch vielleicht konvex.

    Biologie:

    Zum Kälbchen sprach die Kuh-Mama,
    friß Tussilago farfara -
    so lernen, wie ich nachträglich erfuhr, die Pharmazeuten den linnéschen Namen des Huflattichs.

    Zur Flora die entsprechende Fauna:

    Welpen sind die Hundekinder,
    Kälber neugeborene Rinder,
    Und die Kleinen von den Pferden
    Nennt man Fohlen hier auf Erden.

    Die Phasen der Zellteilung (Mitose) heißen Prophase, Metaphase, Anaphase, Telophase, Interphase
    soll man sich so merken:

    Picasso malte alles total idiotisch

    oder so:

    Perfekte Menschen arbeiten tatsächlich immer

    Die vier Wiederkäuermägen, durch die die Nahrung geht:

    Peter nimmt's besonders leicht

    (Pansen, Netzmagen, Blaettermagen, Labmagen)

    Medizinstudenten merken sich die Handwurzelknochen wie folgt:

    Sein Schiffchen fährt im Mondenschein ,
    Dreieckig um das Erbsenbein:
    Ein Viereck groß, ein Viereck klein, 
    Am Kopf da muß ein Haken sein.

    (os scaphoideum, os lunatum, os triquetrum, os pisiforme, os trapezium, os trapezoideum, os capitatum, os hamatum)

    Religion:

    Den Spruch kannte ich als Kind; es sind die Attribute von drei Heiligen:

    Barbara mit dem Turm,
    Margareta mit dem Wurm,
    Katharina mit dem Radl
    Sind unsre drei heiligen Madl.

    Hier sind ein paar Internetseiten mit Merksprüchen für Lateinschüler und für Leute, die einfach so ihr Gedächtnis üben wollen. Ein ganzer Haufen Merksprüche findet sich auf Wikipedia.

    Und zur Entspannung lese man von Kurd Laßwitz die Geschichte von der Zusammenkunft der Neun Musen, die sich über Mnemonik unterhalten und später den Sieben Weisen begegnen. Darin kommt der Satz vor: "Solon steht mit einem Fuß auf Chile und mit dem anderen auf Peru, sieht in ein Tal voll Klee und trinkt Bitter-Bier."

    Das ist nämlich der Merkspruch für die Sieben Weisen: Solon, Chilon, Periander, Thales, Kleobulos, Pittakus und Bias. Bei den Musen taucht aber noch ein anderer Siebter Weiser auf, gefolgt von einer ganzen Schar von Leuten, die für sich in Anspruch nehmen, die Weisen des Altertums zu sein.

    Eselsbrücken und Merksprüche: Wem fallen noch ein paar originelle, seltene, wenig bekannte ein?

    Die Lateinschüler-Seite zitiert auch ein Lied von A. D. Godley, mit dem Titel "The Motor bus", das alle Formen der o-Deklination enthält:

    THE MOTOR BUS

       What is this that roareth thus?
       Can it be a Motor Bus?
       Yes, the smell and hideous hum
       Indicat Motorem Bum!
       Implet in the Corn and High
       Terror me Motoris Bi:
       Bo Motori clamitabo
       Ne Motore caedar a Bo --
       Dative be or Ablative
       So thou only let us live: --
       Whither shall thy victims flee?
       Spare us, spare us, Motor Be.
       Thus I sang; and still anigh
       Came in hordes Motores Bi,
       Et complebat omne forum
       Copia Motorum Borum.
       How shall wretches live like us
       Cincti Bis Motoribus?
       Domine, defende nos
       Contra hos Motores Bos!

       -- A. D. Godley


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  • Zu guter Letzt gilt es noch, unserer persönlichen Maria-Himmel-Wallfahrt zu gedenken, die wir am Sonntagnachmittag gegen 17.00 unternahmen, allerdings nicht auf Knien oder per Pilgerstab, sondern - zugegeben - als Abstecher im Auto bei der Rückkehr von Memmingen. Man parkt vor dem mon blog retrouvé...Landgasthof zum Löwen und geht das kleine Hügelchen zu Fuß hoch. Maria Steinbach ist kein Personenname, sondern der durch seine Barockkirche an der Iller weithin sichtbare Weiler auf dem Illerbeuren gegenüberliegenden Ufer. Man kommt wirklich nur auf kleinen Nebenwegen dorthin. Bis zur Säkularisation gehörte er dem Kloster in Rot an der Rot (diesen bunten Ort konnten wir nicht mehr sehen), deren Prämonstratenser brachten - so auf der Webseite des Orts nachzulesen - 1728 ihre von Schwertern durchbohrte Schmerzensmadonna hier unter.Nach dem Crash... Zwei Jahre tat sich nichts, aber dann meldeten Besucher, das Gesicht der Statue habe sich verfärbt, sondere Tränen ab und bewege die Augen (dies erstmals am 2. Juni 1730) bzw. Augenlider. Natürlich zwinkert sie nur frommen Gotteskindern zu, die reinen Herzens sind; verkommenen Sündern, touristischen Gaffern, Fotoamateuren mit Stativ und gottesfernen Skeptikern bleiben  die Wunder dieser Wallfahrt verborgen. Unter der Madonna finden sich aber zwei weiße Engelchen, ein lachendes (oder singendes?) und ein weinendes, die allerliebst anzuschauen sind und die rechte Haltung lehren, die Christenmenschen vor diesem Zeugnis tiefer Volksfrömmigkeit einnehmen sollten. Eine andere Putte, die als Kerzenhalter dient, wird "Joh Georg Üblhör" zugeschrieben und auf 1763 datiert. Und natürlich entfaltet der oberschwäbische Barock seine ganze Pracht ("danach kann man süchtig werden", meint Kornelia): Mit fein abgestimmten Farbspielen und Kontrasten bilden die heisigen Kirchen geradezu Gesamtkunstwerke, mit ihren Deckengemälden und Stuckverzierungen, Schnitz-Skulpturen und Vergoldungen und, und, und... In der Kirche findet sich noch manches Eckchen (es gibt ein wunderkräftiges Christuskreuz, ein Partikel vom echten, von Konstantins Mutter (einer Stallmagd aus Britannien, die das Kind unehelich von einem Legionär kriegte) aufgefundenen Hl. Kreuz, das jeden Freitag ausgestellt wird (bestimmt ergeben alle auf der Welt zusammengenommen einen Wald) sowie eine Johannesstatue. Am dem Wänden hängen Votivtafeln, ganz oben (daher leider unleserlich) diejenigen, in denen für Errettung von einer Missernte oder die Heilung von krankem Vieh gedankt wird, danach solche, in denen es um die Heimkehr aus russischer Kriegsgefangenschaft und das Überleben einer schweren Geburt geht, dann folgen modernere wie die Hilfe beim Examen, Errettung vom Fahrradunfall mit anschließendem Koma auf der Intensivstation, mit Tropf und Fieberkurve überm Bett wiedergegeben, alles Anlässe, bei denen "Maria geholfen" habe. Gnadenbild-Kopie in SteinbachAn dem Christusaltar wirft man wohl auch handgeschriebene Briefe hinter ein Gitter. Aus Sicherheitsgründen wurde draußen auf dem Hof ein eigener Opferstock aufgestellt, mit einer naiven (und damit wohl noch anziehenderen) Kopie des Gnadenbilds im Graffito-Stil, überdacht, wo man Kerzen aufstellen und anzünden darf (sie brennen massenhaft und verbreiten, als wir dort eintreten, wohlige Wärme in diesem frischen Sommer). Hier balanciert die Madonna ihre Krone prekär auf dem Haupt wie einen kürbis, und die Aufen wenden sich tatsächlich in eine andere Richtung, mehr schelmisch nach rechts oben, wie mir scheint. Dass auch dieser Raum wieder von Votivtäfelchen, Fotos, selbstgemalten Bildchen und handschriftlichen Fürbitt-Zetteln überquillt, bedarf keiner Erwähnung.

    Kornelia traute sich dann auf die Empore, über die Holztreppe, und machte Fotos von oben, die noch nicht entwickelt sind. Währenddessen kamen immer wieder Leute herein, Betende und Touristen, letztere an den Kameras erkennbar, und auch eine italienische Familie mit Schwägern und Kleinkind und Halbwüchsigem, nur für eine kurze Abendandacht, vielleicht anlässlich des allgäu-italienischen Weinfests zu Grönenbach hergekommen, um der Schmerzensmadonna einen Besuch abzustatten...

    Ein längerer Spaziergang in der Umgebung der Kirche und zur Iller brachte noch einige schöne Beispiele für selbstgemalte Schilder im Allgäu ("Seíd nicht BÖSE" war z. B. mit Filzstift auf den Fahrplan an der Bushaltestelle geschrieben), und endlich schafften wir es auch endlich, mal ein Stück Ufer an der Iller zu betreten, jenes Flusses, dessen wild überbuschtes Ufer sich so merkwürdig keusch dem Vordringen von Spaziergängern (jedenfalls hier in der Gegend) entzieht. Die Illerfähre, die erst telefonisch vorbestellt werden muss, lag übrigens auf der anderen Seite vor Anker. Iller-AnlegeplatzDas Flüsschen sah wieder grün und harmlos aus und scheint doch tückisch angesichts der fehlenden Uferwege. Aber man darf ab hier lt. bayerischem Fischereigesetz bis zur Donau sogar den Hecht außerhalb der Schonzeit (1. Februar bis 30. April) angeln. Hier wurde 1938 ein Laufwasserkraftwerk errichtet, die "Illerstufe Maria Steinbach", und obwohl für den Fall von Überschwemmungen ein breiter Wiesenstreifen freigehalten ist bis zu den ersten Kuhweidegründen, hängen die Überlandleitungen doch verdammt tief, so dass man denkt, der Fluss könnte eines Tages so überquellen, dass die Stromkabel tangiert werden.

    Auf einem oberhalb des Kirchleins gelegenen Parkplatz gibt es übrigens interessante Propagandatafeln, die den in dieser Gegend grassierenden Ökotrend als urkatholisches Anliegen darstellt: "Im Bereich Energie zeigen sich Naturwissenschaft und Glaube ungewöhnlich nahe", heißt es dort: "Sowohl der Papst als auch Physikerinnen und Physiker bestätigen die ungeheuer starke Energie, die die Sonne zur Erde scheinen lässt. 15.000 mal mehr, als die Menschheit auf dem Blauen Planeten aus Atomkraft, Erdöl, Erdgas und Kohle bezieht (Referenzjahr 2000)." Kräuterboschen, frisch gesegnet, an KirchentürEine Biberfamilie soll in der Nähe auch eine Biberburg errichtet haben, die wir allerdings nicht zu Gesicht bekommen haben. Weiter heißt es speziell über Maria Steinbach: "Unterhalb der Rokoko-Wallfahrtskirche Maria Steinbach steht ebenfalls eine ehemalige Mühle. Auf Maria-Steinbacher Markung wirkt Wasserkraft noch heute. Weiter unten in der Iller befindet sich das Kraftwerk Steinbach - mit über 20 Millionen Kilowattstunden Jahresertrag. Von Maria Steinbach aus auf geteertem Weg gut erreichbar. (...) In dem barocken Wallfahrtsort selbst haben sich bäuerliche Familienbetriebe schon früh der Biogastechnik geöffnet." Das nahe gelegene Leutkirch hat sich gemeinsam mit Isny und Wangen (das ist allerdings Baden-Württemberg) seit 2001 einem kommunalen "Öko-Audit" unterzogen, in Legau gibt es die "Umweltstation Unterallgäu" mit allerlei Angeboten für Öko-Rallyes, die Firma Rapunzel veranstaltet ein Eine-Welt-Festival, ein Verein von Naturkostläden, Naturkost SüdWest e. V., fördert die Volksaufklärung und den Biowarenvertrieb - und so scheint die Region nicht nur ein gottgefälliges Kirchenleben zu führen, sondern auch zur nachhaltigen Schonung, Pflege, Bewahrung und Gesundbetung der Schöpfung beizutragen: ein Paradies der Müslis und Birkenstock-Besohlten. - Auf dem Rückweg an dem kleinen Bächlein entlang sahen wir noch ein frisch gebautes Haus, noch ohne Verputz innen und außen, das aber eben schon experimentell von einer gesunden, blonden und augenscheinlich finanzkräftigen Vollkornfamilie möbliert wurde, ein behelmter Dreijähriger erprobte bereits seine neuen Fahrradwege. Unterdessen sammelten wir für Kornelias Kräuterboschen, zum Schluss klaute ich noch im Vorgarten des Fischgeschäfts, das sowieso wegen Urlaub geschlossen war, eine der dort üppig blühenden Rosen, unabdingbar für den Marienkräuterstrauß. Kurz bevor der Starkregen wieder einsetzte, saßen wir schon wieder im Wagen und machten uns auf den Heimweg.


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