• Genosse Sprosse

    Man muss früh beim Discounter sein, dann verschenken sie das Pflanzenzeug, was sie nicht mehr verkauft kriegen. Neulich jede Menge Buchsbäume, aber mir fehlt die entsprechende Allee vor dem Haus, ich nahm statt dessen Oleander und irgendwas Margeritenähnliches mit. Gedeiht beides gut. Heute hab ich mir 2 Blumen mitgenommen (ich hätte sechs haben können und ärgere mich jetzt), und zwar eine Salbei- und eine Origano-Variante, aber nur zum Gucken, nichts zu essen. Den schönen Rosenstrauß, der im wasserfreien Verkaufseimer vor sich hin mickerte, hat mir die Oma, die vor mir an der Kasse war, weggeschnappt.
    Gestern stieg ich in die abwaschbaren Radler-Regencapes plus Arbeitshandschule und große Treter und mühte mich ab, die Müllhalde hinterm Brachlandzaun zu bereinigen. An Christi Himmelfahrt war ein Schwarzbauer (so ist das nun mal, es gibt Schwarzarbeiter und -bauern, aber auch Schwarzangestellte und Schwarzunternehmer. Aber Weißarbeiter? da muß ich nachdenken) aufgetaucht und hatte mit seinem quietschbunten Traktor die Wiese gemäht, holte auch mit einem anderen Gerät die "Mahd" ein und ließ das Zauntor offen (eigentlich kann man hinten ganz bequem einsteigen, aber mir war's recht so für den Fall, dass mich jemand von der Schmierfettfabrik erwischt - dann hätte ich sagen können, bitteschön, das Tor war auf). Es gab zuvor ein paar innereheliche Argumente über "Prioritätensetzung" und ob das, was hinterm Zaun vor-, uns etwas angeht, aber mir war nach einer Generalreinigung, auch wenn es nicht "unser" Mietshaus-Grundstück ist. Ich möchte nun mal nicht neben einer Müllhalde wohnen, ich sammle ja auch Bonbonpapier vom Vorgartenrasen weg und bin außerdem Anhänger der "broken window"-Theorie: wenn irgendwo ein Fenster eingeschlagen ist, muß eine Woche später die nächste Scheibe dran glauben und in Nullkommanix wohnt man in einem Elends-Ghetto.
    Meine Nachbarn kennen die Theorie nicht. Offenbar benutzten sie das Brachfeld seit etlichen Jahren zum Entsorgen ihrer Gartenabfälle - na gut, ein bissl "Mahd" von der Vorgartenwiese, das könnte angehen, aber auch Altholz vom Birkenstamm und  abgewelkte Blumentopfinhalte finden sich auf der anderen Seite des Zauns. Sie nehmen nicht mal das Plastikzeug vorher ab! und das stört mich dann wirklich, auch kaputte Schaufeln mit Plastikgriff, der nie verwesen wird, und jede Menge Pöttchen, sogar die Tabletts, wo diese Pöttchen am Blumenmarkt verkauft werden. Ein Blumenhändler war's nicht, dafür ist es wieder zu wenig. Oder es sind nicht die hier aus dem Haus gewesen, eigentlich ganz anständige Leute, sondern die Besitzer der Autos in den Garagen (das ist nicht unbedingt Personalunion, wir haben auch keine Garage). Alte Flaschen, rostige Eimer, Coladosen aus der Vor-Bepfandungsepoche, und allerlei mehr. Ich finde das nicht so ästhetisch und hielt den Zeitpunkt, wo eh schon die Wiese gemäht wurde, für gekommen, Ergreifendes abzumessen bzw. Maßnahmen zu ergreifen.
    Unmittelbar neben dem Grundstück, links von der Ausfahrt des Garagenhofs, steht zudem so ein blöder Altkleider-Container (aus Brettern zusammengeleimt; eine Freundin aus Bayern, die uns besuchte, dachte schon, es wär das Häusel mit eingeschnitztem Herz-Luftloch). Und auch das verführt offenbar die Leute dazu, irgendwelchen Krempel, dessen sie sich gern entledigen wollen, rings um den Holzkasten abzuladen, wo es sowieso am Brachlandzaun steht, vor und dahinter sammeln sich nun regendurchweichte Kinderbücher, Kitschbilder, Geschirr und andere überflüssige Sachen an. Wenn da nichts passiert, haben wir demnächst das Ambiente einer Favela in Rio vor unserer Terrasse. Nicht, dass hier nur Umweltschweine wohnen, so ist das auch wieder nicht, das alte Ehepaar neulich hielt sich eine Viertelstunde lang an dem Holzcontainer auf (ich dachte schon, da will jemand unsere Terrasse ausbaldowern), und las sich genau durch, was mit den Altkleidern geschieht. Endlich fassten sie sich ein Herz und warfen ein schmuddeliges Bündel in die Klappe (hoffentlich war's nicht der in den Anorak des Opas gewickelte neugeborene Enkel...).
    Kaputte alte Vogelhäuschen liegen auch in dem Brachfeld, daher weiß ich, dass leider auch unser Vormieter (ein echter Vogelliebhaber) am Entstehen der Müllhalde mitgewirkt haben muss, vielleicht beim Auszug und die Sperrmüll-Servicediense der Stadt nehmen ja auch nicht alles mit. Desto dringender mein Anliegen, für Abhilfe zu sorgen. Ich ließ die ebenso liegen wie den gammeligen Schlafsack etwas weiter hinten, wo das Grundstück dieses Hauses längst zu Ende ist. Darum dürfen sich gern die Anwohner von dort kümmern. Aber ich lege mich demnächst mit eingespanntem Film in der Kamera auf die Lauer, wehe ich erwische mal jemanden bei der wilden Entsorgung, das gibt 'ne Anzeige! Bei dieser Gelegenheit haben sich an unserem Teil des Zauns drei Blumenkästen aus Ton gefunden (mein Gott, wer schmeißt denn teure, schmale terracottarote Ton-Blumenkästen weg? anstatt sie an den Straßenrand zu stellen, wo sie sofort Abnehmer finden?), die habe ich mit den blaublüh-tigen Gratis-Pflanzen vom Discounter be"spielt". Dabei erwischte mich ein Hausbewohner, der aus Pflegefallgründen die Wohnung seit längerem nicht mehr verlassen kann. Vom Balkon her wollte er wissen, ob ich sein Tomatenhaus brauchen könnte. Das also ist das Dachlatten-Mikado, das (so eine andere Nachbarin) der Sperrmüll nicht abholen wollte und das - noch? - nicht in der Wildnis liegt, sondern diesseits am Bretterzaun, der die Bank vor Wind und neugierigen Blicken schützt. Das wäre demnach so ein Gerüst nebst einem transparenten Wellplastikdach wie hier (geklaute Abbildung ähnlich)Tomatenhausblog, denn Tomaten soll man offenbar vor direkter Sonnen- und Regeneinwirkung schützen. "Wat glaubense, wat ich da an Tomaten hatte", rief mein Nachbar und stieß ein paar Verwünschungen aus, dass er nicht mehr herunterkommt. Vielleicht mache ichs? Schnecken gäb es angeblich hier nicht, dafür Igel (die den Schnecken wohl den Garaus machen?).
    Der Kleintierzoo rund ums Haus ist wieder um einige Arten reicher. Am Abend meines Müllabfuhrsonntags habe ich auf der Straße eine flinke Ratte im Regen gesehen, die unter einem roten Sportwagen den Regen abwartete und später auf dem Brachfeld verschwand. Vielleicht habe ich die aufgescheucht? Auf dem Brachland entpuppte sich auch der Grund, weshalb sich die Eichhörnchen hier so gern einstellen. Da wächst ein schöner Walnussbaum und trägt auch bereits - derzeit noch flaschengrün & wattiert eingepackte - Früchte. An einer Stelle fand ich eine Eichhörnchen-Nußschalenhalde. Ich dachte erst, das wären Wespennester, da lag eine Walnuss neben der anderen, mit ziemlich großen Löchern drin. Im Beet vor dem Haus, wo wir unsere Blumen stehen haben, entdeckte ich am Sonntag einen größeren krummen Vorderzahn, der könnte von einem Eichhörnchen stammen, oder auch von einem anderen Kleinnager (einer von Raben erlegten Ratte vielleicht).
    Ansonsten sehen wir das Vogelkino jeden Morgen vor dem Fenster: Meisen, Schwalben und ein sonderbarer (rabenähnlicher) Vogel, der dauernd rhythmisch Prr-Prr ruft, der schwirrte gestern Abend hier herum. Echte Raben sowieso, dazu Amseln und Elstern. Ein Rotspecht verscheuchte heute früh kurz mal eine Meise vom Knödel und bediente sich selbst. Und das Besuchskaninchen war am Sonntagmorgen im Hof, und da fiel mir ein, dass es vielleicht doch keine gute Idee war, meine 42 Töpfchen mit Basilikumpflanzen in den Hof zu stellen, die sind vielleicht die rechte Zutat für eine Karnickelsalatmahlzeit! Andererseits stehen die Töpfe auf Behelfspodesten, um auch an die Sonne zu kommen, und von kletternden Karnickeln habe ich noch nie gehört, und so schlau und klandestin wie die Raben, die einander notfalls auf die Schulter steigen, um an irgendwas heranzukommen, sind die Hoppelmänner nicht. Weiter hinten in der Straße wird das Brachfeld auch für Küchenabfälle benutzt, da schmeißt jemand seine Mohrrüben weg, vielleicht aus Angst vor Erregern? Kaninchen, die virenverdächtigen Salat knabbern, möchte ich allerdings auch nicht gern mit Backpflaumen und Rotwein im Römertopf schmoren lassen. Salat ist ja inzwischen rehecabilitiert, aber wie steht es mit Sprossen? Fressen Kaninchen Sprossen? Es wird Zeit, einen Rohkost-Rehabilitationsbestseller zu schreiben. Nach "Makel Maulwurf" nun im selben Verlag, in gleicher Aufmachung "Genosse Sprosse"...


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  • Commentaires

    1
    Kornelia
    Mardi 7 Juin 2011 à 09:50

    Danke für das anschauliche Sprachkino über das Garten- Hinterhof und Balkonkino.

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