• Bui in de tuin der lusten

    Nee, Tuin, das ist kein Verschreiber für Turin und hat auch nichts mit Luis Tuinrin zutun, dem italienischen Stürmer der erotischen Europamannschaft. Bui in de tuin heißt (hoffentlich) "Regen im Garten", und plötzlich eintretender Dauerregen kann zum Besuch von Antiquariaten und Museen veranlassen. So taten wir's am letzten Wochenende und machten uns neugierig in die Niederlande auf. Mit den Kathedrale von s'HertogenboschNachbarn im Norden stand ich nicht immer auf dem Kriegsfuß, z.B. als ich mal bei Krakern in Amsterdam übernachtete, um meine Lieblingsgruppe, bzw. die Hälfte meines Lieblings-Duos bei einem "free concert" im Vondelpark spielen zu sehen, gefiel's mir ganz gut. Jetzt aber waren wir zum Garten der Lüste unterwegs, und der blüht z. Zt. in s'Hertogenbosch. Mit dem Namen fängt es schon an, in den Niederlanden selbst heißt der Ort "Den Bosch", so wie "Den Haag" oder im TV "Den Verclan" (ha ha). Teufelsplakat am Hertogenboscher DomAlso wie jetzt? Die Autobahn und selbst das gratis-Dixieklo auf der gottverlassenen Raststätte waren aber okay, und die Parkplatzsuche geradezu feel good, wobei wir dummerweise Geld einwarfen, das wir dann hinterher gar nicht mehr abgeparkt haben, so schnell verließen wir das Regennest wieder. Denn eigentlich (be)suchten wir in Den Bosch: Den Bosch, mit Vornamen Jherome, mit Nachnamen eigentlich van Aken (also Girolamo von Aix-la-Chapelle), mit dem latinisierten Vornamen hat er sich interessant machen, mit dem Nachnamen von seinen im Malergeschäft konkurrierenden Vorverwandten abgrenzen wollen. Dieser Hieronymus hat auf Umwegen auch mit meiner sündigen Jugend bzw. den Holländern zu tun, mit denen ich damals verkehrte, denn seit Huxleys "Die Pforten der Wahrnehmung" wurde gemunkelt, der Maler habe von gewissen, auch uns interessant erscheinenden Pilzen gekostet, bevor er den Pinsel in die Farbe tunkte.Kanal in Hertogenbosch mit Drachenskupltur Denn was der Bosch da so abbildet... also... das geht doch auf keinen Zeichenblock und jedenfalls kaum auf die Eichenbretter, die er zu bemalen pflegte (während alles, was auf Buchenholz überliefert ist, wie die Sieben Todsünden zum Bleistift, als Fälschung oder unauthentisch verdächtigt wird). In Bosch selber ist nichts von Bosch, und sollte man sich beim Betreten der Stadt ins "Bosch Art Center" verirren, sind da für 7 € nur großflächig aufgeblähte Reproduktionen zu sehen. Mit süßsäuerlichem Gesicht mußte das die Frau an der Kasse, die nur Englisch zu sprechen vorgab, einräumen und uns die richtigen Wege weisen. Bosch-Figuren im SchaufensterZahlreiche Originale (nicht nur, grade der Tuin der lusten, den der Prado nicht herleihen wollte, stammt auch nur von einem "follower" aus der Werkstatt des Meisters) befinden sich, jedenfalls während der jetzt laufenden Ausstellung, im Nordbrabanter Museum und das kostet sowieso schon mal 10 EUR und dann noch mal 12 EUR Bosch-Zuschlag, und "die Garderoobe ist niet in gebruik", wehe, man hängt seinen Mantel ungeschützt vor dem Klo auf (taten nachher natürlich Hunderte, wir waren in dieser ruhigeren Stunde die einzigen die weggeschüchert wurden) - kurz, man musste 4x anstehen, einmal vor der Kasse, wo halbstundenlang hektografierte Nachweise von komplizierten Ermäßigungstatbeständen diskutiert wurden (Hilfskräfte, second day on the job), dann vor dem Zugang, wo links ein Bosch-Devotionalien, Ei auf BeinenVip-Drängelgitter völlig leersteht, dann an der Garderobe, die längste, und schließlich vor dem Eingang und dann nochmal (wenn man so etwas will) vor den Audioguides. Ich halte die gleichzeitige Beschwallung beim Betrachten ja nicht aus, soviel Synästhesie muß nicht sein, aber die meisten Besucher stellen sich immer so lange vor die Bilder, bis die Beschreibung abgelaufen ist und jemand ins Ohr raunt, "jetzt gehen wir weiter und sehen linker Hand usw., usw." Ich muß aber zugeben, dank des Regens und weil es der zweite Ausstellungstag war, hatten wir keine Quälerei, und im Internet gottlob nicht reserviert wie die arme Frau vor uns an der Kasse, die um 11.00 mitgeteilt bekam, dass sie um 15.00 wiederkommen sollte, weil sie da reserviert sei und vielleicht wegen Regen früher angekommen war als daheim vor dem Computer geplant.

    Wir durften ohne Streit sofort rein und es ging jedenfalls anfangs noch mit dem Gedränge, natürlich verweilt man vor den überaus detaillierten Wimmelpanoramen länger, drei Reihen Betrachter waren die Regel, aber was da zu sehen war,Bosch-Motive auf Schreibwarenset und Schirmen ist nun auch ganz Kneipe mit Bosch-Motiven auf dem Vorerstaunlich und gehört zu den sieben Weltwundern der Malerei, würde ich sagen. Dalì, das war einst auch so ein Lieblingsmaler der Bekifften, von dem hab ich mal Telefonkritzeleien gesehen, die waren atemberaubend, aber er hatte doch längst nicht soviel Phantasie wie dieser Wahnsinnige, der außer dem ganzen Heiligen- und Bibelkram locker Dantes Höllenkreise, Ovids Metamorphosen, Shakespeares Komödien und Tragödien, einfach alles, was gut und teuer ist, in den Malersack steckt bzw. seinen Werken vermixt und die besten Szenen rauspickt. Sehr dankbar waren wir für den Hinweis des "art"-Rezensenten, der geschrieben hatte, man hätte gern eine Lupe dabei, wir zückten andauernd unsere Lupen und wurden von einer Wärterin angegiftet, weil sie glaubte, das seien Mini-Kameras (natürlich wurde von anderen Leuten auch handyfotografiert, das war aber anscheinend verboten). Egal, "the magic" läßt sich sowieso nicht fotografisch reproduzieren, und ich beschränkte mich bei der Bebilderung dieses Blogs auf die Stadt s'Hertogenbosch, die sich mit Souvenirs auf einen Wahnsinns-Ansturm von Devotionalienkäufern präpariert hat. Auch der Museumsshop war gut sortiert, bot Bosch-Wein, Korkenzieher in Vogel- und Fischform, Lampenschirme, Frühstücksbrettchen, Lesezeichen (leider keine Bosch-Schneekugel und leider keine Eierbecher auf Beinen), dass einem ordentlich schlecht werden konnte vor magersüchtigen Nackedeis jeden Teints, knickbeinigen Eiern mit Wurzeln, denen kleinere Drachen entschlüpfen, beerenverfütternden Vogelmenschen, sich selbst auf der Nasenflöte begleitenden augenzwinkernden Dudelsäcken und dergleichen.

    "Öh, das muss man mal auf dem Trip sehen", war zu Ende der 1970er-Jahre eine stehende Redensart eines Kumpels von mir, der als Schlagerfuzzi steile Karriere gemacht, inzwischen aber wohl auch wieder abgebaut hat. Keramik mit Bosch-FigurenDie Bosch-Ausstellung war selbst der Trip. Trödelladen mit Bosch-CollageBommi Baumann, der Ex-Terrorist, berichtete dem SPIEGEL, er habe sich "mal auf LSD in Wien vor das Jüngste Gericht gesetzt. Ganz alleine saß ich da eine halbe Stunde, bis ich endgültig auf einem Horrortrip war und rausrannte. Purer, schlichter Horror..." Feigling! Immer wird behauptet, Bosch habe nix wie Hölle, Folter und Dämonen gemalt, das stimmt so nicht, das gab es zwar auch, aber es hielt sich zumeist in slapstickhaften Grenzen, sonderbarer waren die Teufel: lustige Mischwesen aus Mensch, Tier, Pflanze, und bewaffnet mit Todespfeilen, Sado-Maso-Instrumenten und Musikinstrumenten - so viele verschiedene Formen von Knickhalslauten, Flöten und Dudelsäcken hab ich mein Lebtag bei keinem Altmeister gesehen! Vögel - makellos realistisch in den Farben und im Gefieder. Sonst sieht man bei diesen Altarbildern immer die Schwächen einzelner Malbeauftragter, hier sind Pferde, Bären, Schmetterlinge, Schächer,Bosch-Tüten und -Tickets Barrabas und Christus gelungen. Apropos, diese Kreuztragung mit der gehässigen, wohl auch antisemitisch getönten Menschenmenge war nicht unter den hier ausgestellten Werken. Dafür andere, auf denen ich sprechend ähnlich manche Gesichter hier aus meinem Wohnumfeld wiedererkannte. Aber dann wieder Fabelszenen und gemalte Sprichwörter, der Strohhaufen auf dem Weg hinab in die von gepeinigten Kirchenfürsten übervölkerte Hölle, dessen Zwischenwelt aber die ganz normale voller Mord und Totschlag ist (auf der Plastiktüte unten links wird einer "abgekehlt", François Villon lässt grüßen), und erst die Zeichnungen mit Gauklern (Hütchenspieler?) an Tischen, Landschaften, Nordbrabant-MuseumGalgenvögeln etc. Mit einer Deutung war ich gar nicht einverstanden, da wird großes Gewese um ein "Narrenschiff" gemacht, das war eine aus zwei zersägten Tafeln zusammengefügte Kombination, die aber eher ein Schlaraffenland zeigt und in demselben einen Suppentopf voller Mönche und Nonnen fressend und saufend, schwimmende Weinfässer, einer trägt eine Fahnenstange mit aufgespießtem Brathuhn, Klerikertracht liegt am Ufer, wo sich jemand in die nahrhafte Flut gestürzt hat - das kann man als Narrenschiff bezeichnen, hat aber doch mit dem literarischen auf dem Rhein kursierenden Isolationskahn für Andersartige und Bekloppte nicht viel zu tun, auch nicht mit der engstirnigen Humorlosigkeit des Narreteien aufzählenden Moralpredigers Brant, dagegen erscheint der gar nicht vermuckschte oder, wie behauptet wird, fundamentalistische Bosch als Humanist, voll warmer Liebe für die Vielgestalt und den Überraschungszauber der (von seiner überbordenden Phantasie bereicherten) Schöpfung.Deko an der Kindertagesstätte

    Wir hielten uns ungefähr zwei bis drei Stunden auf und sahen uns nach und nach alles an, auch filmische Visualisierungen paralleler Bildmotive, die manches klarer machten, besonders seltsam am Schluss die "Erlösungsröhre", so eine Art Trichter, an desAusverkauf im Andenkenladensen Ende gleißendes Licht ist und sonst nichts, soll das der Tod der Seligen sein? Die andern werden natürlich hinabgestürzt in den Höllenschlund nach Art des Schüttelreims aus der Feder von Christof Stählin: Oben winkende Gestalten - unten stinkende Gewalten. Das alles aber wirkte überhaupt nicht bedrückend wie in der mittelalterlichen Altarbildnerei mit Kreuzwegen und Martyrien, wo der blutende magere Jesus wie ein Muselmann im Konzentrationslager aussieht, bei Bosch ist selbst das Evangelium nicht so zwangsläufig geschildert, nicht ideologisch verkarstet wie die Barockmalerei, es verdutzt und gruselt und verwundert, scheint aber nicht von Rachedurst oder Moralismus durchätzt, sondern von der Gelassenheit des Weisen geprägt, der seinen Blick nicht abwenden kann und uns zeigt, was er sah: So ist sie beschaffen, diese Welt, mit allen Grausamkeiten, Gier, Korruption, Liebe, Lüsten, Trieben, Seltsamkeiten, Ambivalenzen! Darum hole ich mir diesen abgebrauchten, nach kommunistischem Mottenpulver riechenden Begriff des "Humanismus" aus dem Arsenal, mit dem früher jeder, der nicht auf Stalin schwor, vereinnahmt wurde. - Im strömenden Schraffurregen besichtigten wir dann nur noch ganz kurz die Stadt, fotografierten die Auslagen und fuhren bei unaufhörlichem Weiterregnen von dannen. Apropos Niederländer und rechnen mit "vollen Zahlen", die Postkarten, die meine Frau im Museumsshop erstanden hatte, kosteten insgesamt 7,10, da wurde mitnichten abgerundet, bewahre, dafür hat ein Tankwart in Haps (merkwürder Ortsname), wo ich für 20,01 tankte, nicht auf den Pfennig gesehen. Vielleicht wollte er nicht in die Boschhölle kommen?


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    1
    Dimanche 21 Février 2016 à 09:56

    Die Sachen mit dem Runden lässt dich nicht los, oder? Es geht doch bloß um die Vermeidung von kleinen Kupfermünzen, also wird normalerweise auf das nächstgelegene 5- oder 10-Cent-Stück gerundet, das könnte man natürlich auch direkt bei den Preisen machen, aber wie kriegt man dann diese suggestiven 99er hin.

    Und sehe ich das richtig, wenn man nicht im Internet reserviert, kann man so lange bleiben, wie man will? Ich habe nämlich gestern bei einer lieben Freundin eine ausgedruckte Eintrittskarte gesehen, die für genau eine Stunde gültig ist. Bei 22 € ganz schön frech, aber dafür kann sie dann wohl durch den VIP-Eingang gehen. Der wäre natürlich sinnlos, wenn man solche Spontanchaoten wie euch da durchließe.

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    2
    Dimanche 21 Février 2016 à 11:54

    Wer bitteschön soll bei dem Gedränge kontrollieren, wie lange die schon drin ist? Oder wird sie an eine mit überflüssigen Centstücken allminütlich aufzufüllende Parkuhr angeschmiedet, die durchdringende schrille Geräusche macht, wenn sie aufgebraucht ist :-) - - grade sagt mir jemand, der sich auskennt, gültig heißt, das ist'n "Zeitfenster", du sollst innh. der Zeit reingehen und das "all you can see"-Buffet auskosten, bis du platzt, wer zu spät eintrifft, Pech gehabt.



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