• Tod der klugen Dichter

    Zwei Dichter der Jetztzeit sind auf einmal gegangen, beide zu früh und "nach schwerer" bzw. "langer Krankheit", wenn Wikipedia hier zutreffend berichtet. Geboren 1943 und 1959. Verlust auf beiden Seiten, für die männliche und die weibliche Sprache, wenn man an diesen Unterschieden festklammern will. Moment mal - ist Sprache denn nicht gleich, verbindlich für beide Geschlechter? Bussard auf dem Ast etwas näherDa braucht man nur mal einem Beziehungsknatsch zuzuhören - Bussard auf dem Astund damit meine ich nicht eheliche Auseinandersetzungen über Haushaltskram, ich denke eher an die Intransigenz meiner Heranwachsendenzeit. Ich bin ja in einem reinen Männermilieu groß geworden und kannte kaum Frauen - vorwiegend meine Mutter, die der paterfamilias der Familie war und ein emanzipatorisches Idol (jedenfalls für alle, die sie nicht persönlich kannten). Heute habe ich eigentlich fast nur Frauen zu Freund*innen. Na, jedenfalls ging es damals ziemlich hoch her, wenn Frauen und Männer aneinander gerieten, "coming-out" und Feminismus bereicherten den Geschlechterkampf um ganz neue Dimensionen. Und Sprache wurde andauernd thematisiert, Dazwischenreden und Nicht-zu-Wort-kommen-lassen, und wehe, wenn an der nichts auszusetzen war, dann hatte man eine brutal-aggressive oder passiv-repressive Körpersprache, wenn man z.  B. die Beine übereinander schlug oder es sein ließ und sich so manspreading-mäßig hinsetzte. Sei's drum, tempi passati! Ich finde, der Tod zweier Dichter auf beiden Seiten ist ein Riesenverlust, die sind beide viel zu früh gestorben, die hätten doch noch tolle Sachen schreiben können! Aber komisch, um ein an sich läppisches Gedicht wie das von Gomringer (nicht: Nora) an der Alice-Salomon-Hochschule (Adveniday y fiores y mujeres oder so) hätte man wenig Federlesens gemacht, - ich glaube nicht mal, dass es zu feministischen Kontroversen geführt hätte. Viel schlimmer, dass das "lyrische Ich" ein müssiggehender Flaneur ist und die Arbeiterklasse und ihre Ausbeutung nicht vorkommen! Das Provozierendste an dem Gedicht für weibliche Leser ist wohl der Schniepel des Autors, der für manche Zimperliesen ständig präsent ist ("what's in a woman's mind"), Bussard auf dem Astobwohl er doch gar nicht im Text-Bild auftaucht. Dass das ein grottenschlechtes und billig gefertigtes Gedicht und weitgehend aus dem spanischen Vokabelheft plagiiert ist, hat in der Debatte kein Mensch gesagt, für mich wäre das aber ausschlaggebend, wenn jede/-r PassantX damit behelligt wird. Muss das sein, kann man nicht eine Leuchtschrifttafel machen wie im Airport und das Gedicht alle paar Minuten gegen ein anderes austauschen? Heute ziert diese Wand nach fruchtlosem Debattengeschnatter (ein Dichter Enzensperger, nein, nicht Hans Magnus, sondern mit p im zweiten Wortteil, schrieb ein Anti-Gedicht gegen die Frauen - sinngemäß, aber nicht so schön gereimt wie ich das jetzt mache: "bitteschon, dann eben nicht, nie wieder schreib ich auf euch ein GSignatur von Ludwig Felsedicht" murmel, grummel, groll ... ein armes Schwein, habt doch ein wenig Mitgefühl, meine Damen!), jetzt aber, an der Alice Salomon-Schule also, wie gesagt, ein Text der verstorbenen Barbara Köhler, das bestimmt jedes Gender-Erdbeben überleben wird, so eine schwersttheoretische Reflexion über SIE und SIE, dass man das eine klein und großschreiben kann und das Ihre missverstehen usw., und die Frau natürlich in der Sprache des Seins vom schreibenden (oder lesenden?) Mann zum Verschwinden gebracht wird, so in der Art - bzw. ich zitiere Wikipedia: "Ein zentrales Anliegen ihres Werkes ist es, weibliche Perspektiven – und ihr Verschwinden –Koelner Stadtwappen an einem Bahnhof in Denken und Grammatik sichtbar zu machen" - das Gedicht kann, wer will, in dem Artikel von der Wand (Foto) ablesen. Von Babara Köhler hatte ich mal ein Suhrkamp-Bändchen, finde es aber nicht mehr, meine Erinnerung an die Gedichte ist auch nur vage. Na klar, denn Frauen "verschwinden" ja nicht nur "in Grammatik" (und wo verschwinden Sie so, Herr Andersch? in Providence). Die Gedichte hTitlel Ludwig Fels, Platzangsaben mich nicht überzeugt, sie hatten etwas Unschlüssiges, wenig Entschiedenes und ich fürchte, ich habe es beim letzten Eisernen-Besen-Staubwischen im Regal mit ausgekehrt. Dafür Ludwig Fels, von dem hab ich allerlei gelesen und zwar mit großer Begeisterung. Dass das Männerprosa ist, merkt man sofort - "im Puff wedeln müde Freier mit den Geldscheinen, im Night-Club fliegen Schleier und Pelze", ob das eine Frau so geschrieben hätte? oder ""Er gähnt auf ihr. Sie hat ihr Geregeltes", das würde doch heute als frauenfeindlich verunglimpft. Mir gefällt der Ludwig Fels, als Schreiber (nicht als Person, der sah ganz gut aus), hatte er eine Hackfresse und warf gern mit Provokationen um sich. Er schrieb über ziemlich miese Existenzen, aber nicht so amüsant wie Charles Bukowski seine Wichsvorlagenprosa für gutbürgerliche Gymnasiasten, sondern niederträchtig, eklig und angeekelt. Von Barbara Köhler erfuhr ich, sie habe ewig in Köln an der "Hochschule für Medien" Literatur unterrichtet, im Gegensatz zu Fels hab ich sie nie bei einer Lesung erlebt. Wahrscheinlich wird ihr ("Ihr"?) Name mit ehernem Griffel in die Literaturgeschichte eingemeißelt, und Ludwig Fels kriegt allenfalls ein Graffiti mit dem Zimmermannsbleistift auf dem Parnass-Plumpsklo, falls es da eins gibt. Ihm wird das recht sein. Übrigens sah ich heute früh einen Bussard, der sich nicht stören ließ, nur indigniert nach mir umdrehte. Es passte ihm wohl nicht, dass ich ihn fotografierte, das ließ er sich anmerken.


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