• Dosisbier bei Seneca

    Seneca auf einer ReklamemarkeCrastinum si adiecerit deus, laeti recipiamus. Ille beatissimus est et securus sui possessor, qui crastinum sine Auf ein Dosisbier bei Senecasollicitudine exspectat; quisquis dixit "vixi", cotidie ad lucrum surgit. Sinngemäß, wirft uns der Weltenherrscher noch einen Tag mehr zu, nehmen wir die Bettlergabe auf und glücklich und seiner selbst sicher lebt der, der ohne Sorgen den Morgen erwartet, wer "ich habe gelebt" sagen kann, steht täglich zu seinem Nutzen auf. So schrieb es der alte Seneca seinem Freund Lucilius Anno Schnee, und lud ihn dann zu einem guten Schluck vom germanischen Cervisia ein. Und offenbar schlug das gut an, nur zwei Jahrtausende später gab es ein Osterfest, bei dem 4000 Kölner Freibier bekamen. Kein Wunder, dass sich vor dem "Impfzentrum" sogleich große Schlangen bildeten -  was? In Köln? wo für das Rheinufer weiträumige Verweil- und Begehverbote ausgesprochen wurden und man vor kurzem noch das Karnevalsverbot durch "Autokonzerte" zu umgehen trachtete? Jawohl, so war es. Wer aber was abhaben wollte von dem Segen, musste sich entweder die Finger wund telefonieren und stundenlang das Behextzeichen hören, oder früher aufstehen und schon um 8.00 "online" gehen, während die Nachrichten noch immer sendeten, das Reservieren gehe um 9.00 los, und auch dann einen langen Atem haben und sich nicht einschüchtern lassen vom Hänneschen-Theater mit Donald Trumphalbstündigen Kreiseln der Warteschleif-Symbole, der immer wieder auftauchenden Inserts, auf dem ein Jubelgreis grinsend verkündete, derzeit wäre die Seite der Krankenkassenvereinigung leider überlastet, nicht eintreten bei Corona und Homophobieoder, wenn man es mühsam bis "Schritt 3" geschafft hatte und einen Kalender vor sich sah, das richtige Datum angekreuzt hatte und nun auf die Uhrzeit-Choix wartete, "der Termin wurde inzwischen bereits gebucht, bitte wählen Sie einen anderen". Und das Ausloggen und Immer-neu-Versuchen führte auch nicht zu besseren Ergebnissen, denn wenn man glaubte, man habe nun endlich Schritt 2 hinter sich, wurde garantiert noch mal gefragt, Schlagzeile des Tagesfür wen man denn jetzt das Freibier reservieren wollte, für sich oder eine Pflegeperson, und außerdem sei man noch viel zu jung (das kam immer für eine Schrecksekunde am Anfang, aus der alten Version der Webseite). Wer sich von all dem nicht abschrecken ließ und irgendwann eine Lücke im System ausnutzen konnte, kriegte Download-Dokumente, die man sehr sorgfältig lesen sollte. Dabei konnte einem ganz schön mulmig werden, nicht wegen der verheißenen Spätfolgen, Blutgerinnsel im Kopf und Co., sondern wegen der Rechtschreibung. Da hatte man einen Impftermin "bei unserer Hotline oder Online gebucht", konnte ein Schreiben "irrtürmlich" erhalten haben (um noch türmen zu können?), durfte sich auf fehlende Trennstriche und Schlusspunkte bei dem Satz mit "Aufklärungs-, Anamnese und Impfeinwilligungserklärungen" freuen. Dafür reichlich Teilsätze mit dazwischengehauenen Punkten wie "Gegen Corona. Dosisbier bei SenecaFür die Gesundheit. Für uns alle." und dazwischen sinnlos auf 150 pt aufgeblähte rote und blaue Anführungszeichen, wie mit dem Salzstreuer verteilt. Zugegeben - Kassenärzte sindCorona-Walk-in in Köln-Süd jetzt nicht die kompetentesten Chirurgen am deutschen Sprachkörper, aber wenn man schon die arbeitslosen Messebauer Impfkabinen aus Pappwänden bauen und die Messehostessen die Impflingsmassen am Drängelgitter begrüßen lässt, hätte da nicht der eine oder andere arbeitslose Literat beauftragt werden können, um hier den gynäkologischen Löffel der Lektoren, den Rotstift nämlich anzusetzen? Hatte man endlich den Impfpass gefunden und war ins Rechtsrheinische gefahren, erwartete einen trotz der Time-Slot-Regelung eine maßlos lange Warteschlange, deren Teilnehmer allerdings doch eher ü-70 bzw. im Längst-pensioniert-Alter zu sein schienen, dabei hätte man erwartet, hier würden sich die Führungskräfte deutscher Möbelhäuser oder die überalterte Lehrerschaft oder sonstige Berufstätige mit viel Kundenkontakt einfinden. Rückte diese Schlange dann endlich vor, wurde man an verschiedenen Stationen vorbeigeführt, wo mit Scannerpistolen gezielt wurde - mal auf die Stirn,/ das Fieber gemessen und endlich ganz am Ende auch auf den QR-Code, der im Vergleich mit dem mitzuführenden Perso die Registration möglich machte. In Wartesegmente sortiert, vor denen tarnfarben unifomierte Bundeswehrsoldaten postiert waren (allerdings nicht mit der Schußwaffe im Anschlag wie noch vor wenigen Jahrzehnten, als man in diesen selben Messehallen 20.000 Juden sowie Sinti und Roma aus Köln zwecks Deportation u. a. über den Bahnhof Deutz festhielt). Die Bürger in Uniform tranken am meisten von den alusilbernen Wasserkartons, die überall herumstanden, was ihnen bei der trockenen Luft in der Halle gegönnt Tür sucht emotionalen Drückersein soll. Einige besonders stimmstarke ließen den Wohlklang von Kasernenhofgebell erschallen, indem sie (durch Mundschutzdämpfung völlig unverständliche) Kommandos erteilten, wie man die Anamnesezettel ausfüllen sollte, nämlich beidseitig, und anschließend DRRRO- ääh, FROHE OSTERN wünschten und "DANKE FÜR DIE GEDULD" bellten. Wenigstens geschah das weiter hinten, wo die hoffentlich durch Flanell weitgehend zurückgehaltenen Aerosole einem nicht ins Gesicht schwallten. Überhaupt wurde man sozusagen überbetreut, Platzanweiser unSchlange vor dem Impfzentrumd Drängelverhinderer und Reiseführer mit hochgehaltenen Schirmen lotsten die Koalition der Willigen durch den Saal, links und rechts des Weges grüßen allerlei Hostessen mit "Hallo" usw., man kam gar nicht dazu, alles zu beantworten, und wer brav angekreuzt hatte, dass er auf ärztliche Beratung freiwillig verzichtet, kam einigermaßen schnell voran. Am Ende hieß es in Geduld vor zwei Rolltreppen halt machen, was die Masse geduldig tat, die dann in einzelne Gruppen segmentiert hinaufgewunken wurden. Schade, dass es keine Muzak-Beschallung gab wie in Kaufhäusern, z. B. Carla Bley mit Escalator over the Hill hätte sich angeboten. Oben angekommen, war es aus mit der Disziplin, da man unten Autokonzert beim Kölner Karnevaloffenbar nicht Bescheid wusste,Warteschlange vor dem Impfzentrum kam es zum Rückstau, eine verzweifelte Bedienste versuchte, die entstandenen Knubbel zu schlichten und zu verteilen. Auch fing das Gedrängel an, wer jetzt zuerst in die Kabine darf, "ich war aber vorher dran" usw. usw. Ein noch junger Mediziner, vielleicht "Arzt im Praktikum", sicher nicht älter als 30 nahm den Probanden in Empfang und dann hieß es nochmal warten, diesmal mit entblößtem Oberarm. Achtung, jetzt piekts ein bißchen - aber im Vergleich mit Blutspenden war das nicht mal only a scratch, der Impfpass wird unter dem unleserlichen Gekrakel des Mediziners mehr gelitten haben. Und was, wenn jetzt das Hirngerinnsel nebst anschließendem Wachkoma ausbricht? Dann heißt es, den Körper schwarz bepinseln, Lebensabend auf den Fidschi-Inseln (wie einst Trude Herr sang), das mit der Reiseerlaubnis für Angestochene hat der Versprechungsminister grade erst in der Blödzeitung angekündigt und - wie hat es Alt-Bundesbruder Johannes Rau so schön formuliert? - ein erbrochenes Gebrechen ist ein geschnorrtes Verzechen. In diesem Sinne: Na, denn Prost!


    Tags Tags : , , , ,
  • Commentaires

    Aucun commentaire pour le moment



    Ajouter un commentaire

    Nom / Pseudo :

    E-mail (facultatif) :

    Site Web (facultatif) :

    Commentaire :