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Dem, was vom Wichteln übrig blieb, ruhig mal ins Maul geschaut
Beim Warten auf's Christkind meldete sich im Radio eine nette Moderatorin, die Feiertagsdienst schob und eine gute Geschichte zum Besten gab. Sie interpretierte den, ich weiß nicht mehr aus welcher Sprichwörter-Folklore stammenden Merksatz "Alles was Du auf Erden verschenkst, wird Dir im Himmel wiedergegeben". Das sei ungefähr wie das bekannte Nadelöhr-Kamel-Dilemma zu verstehen - daher müsse jeder, der durchs Himmelstor will, all die jemals anderen verehrten Geschenke mitschleppen, und bei der Eingangskontrolle dem lieben Gott oder gar Petrus selbst vorzeigen. Deshalb werde sie, die Moderatorin, in dieser Sendung nur ganz leichte Sachen verschenken, nämlich Musik. Allerdings war diese öffentlich-rechtliche Funkstunde von GEZ-Gebühren nicht ausgenommen. Wir schenken einander nichts in der Partnerschaft, wozu sich also zu Weihnachten was schenken, dachten wir dieses Jahr und da wir mit Weihnacht auch sonst nicht so viel am Hut haben, kriegen wir selten was geschenkt. Oder liegt es daran, dass ich kritischer Kritiker bin und das Berufslaster des Rezensierens auch an Feiertagen nur schwer abstreifen kann? Welche Nichte, die mit Selbstgebasteltem aufwartet unter dem Tannenbaum, will schon gern die Wahrheit hören: "Schlechtes Design, miserable Verarbeitung, deine Eltern sollten dich zur Adoption freigeben" - Geschmacksurteile, die mich, ließe ich sie laut werden, um den Weihnachtsbraten bringen würden. Aber selbst wenn ich's ausspräche, bewahrt es mich wohl nicht vor Präsenten. Denn just heute brachte der Briefträger zwei Postsendungen von den schrägen Schwestern meiner Frau. Und dazu wird ja wohl hier mal ein kritisches Wörtlein gestattet sein. Natürlich unter Beachtung der Datenschutz-Richtlinien, alle Namen von der Redaktion geändert! Das erste Päckchen, das wir öffneten, war eine seltsam geformte Tasche, mit einem Muster bedruckt, von dem ich Pickel auf die Augen kriege. Meine Angetraute wollte die Plastikfolie nicht beschädigen (Rück- oder Weitergabe an andere Beschenk-Opfer nicht ausgeschlossen), aber dann schlüpfte ihre Hand an der Unterseite hinein - war's ein Topflappen zum Überstreifen? gar eine modernisierte Form der Kaffeemütze? oder, wie ich vorschlug, ein cache-nez für eine Luger parabellum mit Schalldämpfer? (Herrjeh, wie lange hab ich keine Kaffeemützen mehr gesehen oder gar die Luger benutzt!) Der Name des Geschenks war a flower? (mit Fragezeichen, das war Bestandteil der Aufschrift). Mensch, jetzt hast du so viel DNA im Innern dieses Stoffdings hinterlassen, das kannste keinem mehr weiterschenken! Dann fiel bei uns der Groschen: Es ist eine Art Kondom für Flaschen. Nicht um den Alkoholkonsum vor den Kollegen im Büro zu verbergen, oder den Gastgeber nicht gleich merken zu lassen, dass sein Wein nichts taugt und man sich bei der Party lieber durch Fremdware aus dem eigenen Keller versorgt. Auch nicht (analog zu den Zigaretten-Umverpackungen), um vor dem eigenen besserwisserisch schlechten Gewissen pädagogische Ekelbilder von grünlich siffigen, verpilzten Lebern zu überdecken, die sind komischerweise hierzulande unbekannt, ebenso wie die bitter nötigen Feststellungen des Bundessuchtministers: "Alkohol ist ein Nervengift und tötet jede Menge Gehirnzellen ab". Der Sinn von a flower? liegt darin, passende leergeguckte Bouteillen umstandslos in Blumenvasen zu verwandeln! Jessas, da muss einer erst drauf kommen. Besser wäre es, so ein Geschenk zusammen mit einem annehmbaren Getränk zu verschenken, am besten gleich mit Rosé, damit die Flasche auch getrunken und die Rose versorgt wird. Nächstes Fragezeichen: Sollen wir das weiterverschenken? Aber wem? Als erstes fiel uns Nadine ein, für die haben wir noch nichts. Wo die doch für Wein schwärmt und Skandinavistik studiert hat und heute diesen Strickladen mit nordischen Folklorepullis betreibt - ihr würde das Design (vielleicht) gefallen. Nee, lass mal, die beweist dir dann, dass die finno-ugrische Ornamentik nicht im Entferntesten derart geschmacklos ist wie dieser computer-generierte Bastelquatsch. Okay, dann schenken wir es doch Heinz, dem lieben Gutmenschen und unverbesserlichen Ökologen. Der freut sich über jede neue Recycling-Idee - aber nein, für den sind Schnittblumen Mordopfer, und falls der jemals eine Vase benötigen sollte, kauft er sich was Handgetöpfertes aus nachhaltigen Materialien im Bioladen. Und so ging's weiter, X. hat zuviel Geschmack, es wäre eine Beleidigung, ihr solchen Krempel anzudrehen. Y. trinkt lieber gleich aus der Flasche, von der man ihn eher wegbringen sollte. Und Z. hat als Messie die Wohnung schon voll mit Krempel, dass es an Intensiv-Stallhaltung grenzen würde, noch sowas da abzuwerfen. Einer Krankenhauspatientin mitbringen geht gar nicht - "netter Versuch", wird die Nachtschwester grinsen und den Trick, die Pulle Schampus kaschiert einzuschmuggeln, sofort durchschauen. Was macht man mit dem Textilkondom? Am besten jemandem zum Umzug offerieren - wenn die Kisten noch nicht ausgepackt sind, als Willkommensdrink und Vase für den ersten Blumenschmuck. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass sich die nach der Pensionierung im Ruhrgebiet niederlassende Kollegin noch mal meldet, heben wir das auf statt es gleich in die Tonne zu kloppen! Aber da war noch was auszuwickeln, genauer gesagt, zwei Geschenke, auf dem eingewickelten Karton klebten raffaelitische Engelschen, die aus einem Buch herauswachsen. Ist das die Bibel? Na klar ist das die Bibel. Richtig lesen können die nicht, sie müssten sich ziemlich verrenken! Auf dem Raffael-Altar stützen sie sich auf den unteren Bilderrahmen vor dem aufgeschlagenen Buch, und wachsen nicht wurmartig aus den Seiten heraus. Ich sehe meine angeheiratete Verwandtschaft auf dem Weihnachtsmarkt überlegen - "er interessiert sich doch für Bücher, das hier wird ihm bestimmt Freude bereiten, wenn nicht gar vergnügtes Schmunzeln hervorlocken!" - Äh: nein? - In der mit den zwei geflügelten Rotznasen dekorierten Packung war das Hauptgeschenk die gewiss nicht ganz billige Keramik. Sie hört auf den Namen Zen. Pebble Box und besteht aus einem Stopf-Ei. Man kann es in der Mitte aufmachen wie die Ü-Eier aus dem Kinderschokolade-Sortiment. Drinnen findet sich ... nichts. Kein Ohrring, keine Manschettenknöpfe, nicht einmal ein Rheinkiesel. Soll man "pebbles" reintun oder ist das Ei selber ein Pebble?? Sicher zwei bei tiefsinnigen Meditationen mit verschränkten Beinen zu erwägende Optionen. Das leere Innere glattpoliert und porzellanig (deswegen glaub ich, es war nicht ganz billig) wie diese blauweiß dekorierten Asien-Schalen mit eingelassenen transparenten Reiskörnern, die im Haushalt meiner Eltern herumstanden, mit einem dito gestalteten Löffel, der nie für irgendwas benutzt wurde. Aber hier war doch was im Innern, ein starker Spruch von Buddha himself, von dumpfer Schlichtheit, und zum besseren Einprägen auch auf der Eierschale in erhabenen Lettern wiederholt, voller Tiefenweisheit, dass wir an dem Abend keine Allgemeinplätzchen mehr auf dem bunten Teller brauchten. Wofür ist das gut? Na, da kannst du prima Nähnadeln drin sammeln oder beim Essen die Fischgräten oder Eierschalen (für Hühnerknochen zu klein). Oder als Balkon-Aschenbecher, wenn unsere rauchende Freundin Else kommt? Blöd nur, dass die Schalen des Ü-Eis nicht so ganz richtig aufeinanderpassen, und dann muss sie die stinkenden Eierschalen auch ausleeren, kann sie gleich den Aschbecher nehmen. Na prima, einmal alle heiligen Zeiten kriege ich Weihnachtspräsente und werde den Eindruck nicht los, die Schwägerinnen haben sie selber erwichtelt und suchten nur günstige Gelegenheit, das Zeug loszuwerden...
Tags : Weihnacht, Geschenke, Buddha, Raffael, Recycling
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Commentaires
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Diese Flaschenkondome finde ich ganz klasse, es gibt wohl auch Vasenüberzieher aus Papier. Die gibt es aber schon eine ganze Weile, ich habe bestimmt auch schon mal einen ver- oder erwichtelt.