• Adventsprintjob_2018#22

    Adventsprintjob_2018#22Spenersche, Vossische, Volks- oder Nationalzeitung, so hießen Zeitungen im 19. Jhd., Panorama von Kassel Wilhelmshöheheute mitunter Blind, Blöd, Bams, Bums, Zeit, Tatz, Stutz (Stuttgarter Zeitung) oder Weltkompakt. In ganz alten Zeiten lauteten die Titel komplizierter, beispielsweise "Abbildung der Begebenheiten und Personen wordurch der Zustand jetziger Zeiten monatlich vorgestellet und in dazu dienlichen Kupffern gezeiget wird", stell ich mir schwierig vor am Kiosk: "Haben sie die neue 'Abbildung' da?", oder abgekürzt - analog zu Eff Ah Zett: ABPZK, um nur die Hauptwörter zu nennen? oder gar Allbegperzukup?? Aus der Nummer vom 1. Januar 1725 habe ich illustrationshalber den Artikel "Preußen" eingefügt, damit man sich ein "Bild" machen kann. Meinen persönlichen Iconic turn erlebte ich bereits früh, noch vor Baudelaire, Panorama von Paris annonciertBaudrate, Benjamin und bevor ich die Passage du panorama betrat. Denn es gab im deutschen Fernsehen eine Sendung "Panorama" und der Name hatte mich seit 1970 interessiert. Eine Zeitlang habe ich dann die Rundbilder dieser Welt besucht, die in Stephan Oettermanns Panorama von London noch geöffnetPanoramabuch aufgelistet sind: Thun und Luzern, Waterloo und Bad Frankenhausen, auch die Perspektiven des Eduard Gärtner über den Dächern von Berlin wurden nicht verschmäht, hingen damals im Charlottenburger Schloss. Seit 2011 gibt's auch wieder ein neues Rundbild von Yadegar Asisi im Pergamon-Museum. Eingeführt wurde das Medium dort Anzeige der Gebrüder Gropius, die Aufträge suchenMitte der 1820er-Jahre Zeitungsnachricht mit Illustration von 1725durch die Gropius-Brüder mit ihrem Diorama, aber viel früher gab es solche in andern europäischen Hauptstädten. Die Zeitung mit dem schönen Titel Das Ausland. Ein Tagblatt für Kunde des geistigen und sittlichen Lebens der Völker (Nr. 60, 1.3.1860, S. 240) schildert die Machart eines Dioramals wie folgt: "Die Hauptansicht wird auf Leinwand gemalt, in einen Rahmen gefaßt, oder über ein Rollholz mit Gewichten am Boden so aufgezogen, daß man ihr nach Belieben eine gleichmäßige, freie oder gespannte Lage geben kann. Das Gemälde ist durchsichtig und empfängt sein Hauptlicht duch das große Fenster, vor dem es aufgehängt ist; zwischen ihm und dem Fenster hängen mehrere seidene, leinene oder Ethnoramabaumwollene Vorhänge von verschiedener Schattirung oder Färbung; mit Hülfe von Schnüren können diese so gekehrt, zusammengezogen oder ausgedehnt werden, daß sie irgend eine Quantität von Licht zulassen oder tiefen Schatten auf das Gemälde werfen, je nachdem Sonnenschein, ziehende Wolken, Sturm, Wasser oder Himmel dargestellt werden. [...] London hat vielleicht auch in dieser Hinsicht das Schönste aufzuweisen – so einen Brand von Edinburgh, mit den abwechselnd aufloderenden Flammen und aufqualmenden Rauchmassen – so eine Überschwemmung in Paris mit einer furchtbaren Wasserfläche, worin eine ganze lebende und leblose Natur untergeht..."Begriff des Panoramas weitet sich aus Das Schönste an London ist also nicht McDonalds, sondern Brand und Überschwemmung? Und das nur, um exotische Wimmelbilder, historische oder aktuelle Szenen, gern auch Schlachten oder Katatrophen vorzuführen (zur Vorbereitung wurde man mitunter von Cicerones durch abgedunkelte Tunnels geführt, und stand ZACK plötzlich im Hellen vor dem Riesenbild)! - Wie menschenfreundlich ist dagegen das pazifistische Bourbaki-Panorama, welches stattdessen die Aufnahme Kinderphotographie garantiert nicht verwackeltund Entwaffnung des (den Preußen entkommenen) französischen Heeres durch hilfsbereite Schweizer Bergbewohner zeigt - höchst sehenswert! Die dabei entwickelten Maltechniken wurden bald schon für Theater und Opern-Bühnenbilder genutzt, aber die Photographie, die ca. 40-50 Jahre später populär wurde, löste das Panorama nicht ab, schon weil photographiertes Leben gerne das Bild verwackelt. Dieser Mode machte erst das Kino den Garaus - "video killed the radio star". Blickwinkel, Fluchtpunkt, Perspektiven, unterbelichtet, Sichtweisen, ins rechte Licht rücken - unsere Sprache ist bis heute vom Panoramatismus, der sinnlich-visuellen Modeerscheinung des 19. Jhds. geprägt. Alles wurde "o-rama", wie später "o-bama" (Kalauer, wird gestrichen) und "o-la" oder "o-mat" wurde. Aber dass es auch ein "Ethnorama" gibt, habe ich erst jetzt, bei den Recherchen für diesen Adventskalender erfahren, denn es ist die perfekte Übersetzung deutsch-fremd für das Wort Völkerschau. Bloß, daß hier keine Stammeskulte erfunden, keine Tiere dressiert, keine Nafris ausgebeutet oder Indianer in exotischen Schwerttänzen unterrichtet werden müssen - es war ja, von etwas "faux terrain" (Sand, Muscheln, Drahtverhau, das tote Pferd aus Pappmache, ganz vorn an dem Schlachtengemälde) abgesehen, alles nur gemalt.

     

     

     


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