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Adventsprintjob_2018#20
Louis Drucker ließ berittene Kellner schlechten Wein servieren, Fürst Pückler veranstaltete Wettrennen mit arabischen Pferden, die z. B. gegen die englischen des Herrn von Biel antraten - und denkt man nur an die vielen in der Tageszeitung inserierenden Menagerien, muss Berlin im frühen 19. Jahrhunderten ein Wimmelbild mit sehr vielen Tieren gewesen sein. Kein Wunder, hat doch Berlin den Bären im Wappen und immerhin neben dem Bahnhof Zoo auch noch einen Tiergarten. Damals ersetzten die Menagerien den (erst 1841 durch Martin Lichtenstein gegründeten) zoologischen Garten, und vor der sensationslüsternen Menge (die natürlich als rein wissenschaftlich interessierte Freunde der Naturkunde und Fauna angesprochen wurden) ließ man nahezu alles vorführen, was Krallen, Reißzähne, Pfoten, Flossen und Hufe hatte. Es mag etwas verwundern, wenn wir davon hören, dass zum Budenzauber auch lebende Seefische oder ein Affentheater gehörten, dass man die Papageien gleich zum Kauf anbot und dass unter den frühesten Menagerie-Betreibern auch eine Frau zu finden ist: Schon 1819 (Vossische vom 20. März) trat Madame Tourniaire als "Eigenthümerin des Rhinoceros und Elephanten" an die Öffentlichkeit und zeigte Paviane und Kakadus. Soldaten, Dienstboten und Kinder unter 10 Jahren zahlten gewöhnlich die Hälfte, aber manche Tierschau war erst für Volljährige ab 20 Jahren aufwärts zugänglich. Den größten Eindruck machte wohl die Fütterung der Raubtiere bei den Herren Martin & van Aken, von deren Budenzauber auf dem Exerzierplatz vor dem Brandenburger Tor Besucher noch in ihren Memoiren schwärmten, wie der Maler Heinrich Leutemann in einer Serie für die Gartenlaube der 1860er Jahre. Mit nicht weniger als 170 Tieren ließen sie sich schon 1822 in der preußischen Hauptstadt nieder. Auch diese Menagerie-Betreiber hielten viel auf ihren guten Leumund, ließen ihn sich von Akademikern bestätigen und sorgten sogar für den Abdruck weitschweifiger Berichte der faszinierten Besucher in der Vossischen. Der Erfolg war kassenfüllend, weshalb sie ihre anfängliche Zweiraumbude dergestalt ausbauen konnten, dass "ihre Bauart die Ausdünstungen der Thiere den Zuschauern nicht empfinden läßt"... Sie pflegten ihre Raubkatzen erst auszuhungern, damit sie auch schön wild brüllen, ihnen Holzpfähle hinzuhalten, die sie mit den Zähnen zermalmten, und anschließend mit teils lebenden Tieren zu füttern (welche mögen das gewesen sein, schnatterndes Geflügel, streunende Eichhörnchen oder herrenlose Hunde vielleicht?). Dompteur Martin peppte die Vorführung dann noch mit allerhand Mätzchen auf, legte sich auf den Tiger drauf, ließ sich die vom Füttern blutige Hand ablecken und küssen und so weiter. Denn das Ziel dieser Übungen war es, zu demonstrieren, "was menschliche Geschicklichkeit und Kraft gegen die mächtigsten Thiere der Erde vermögen", kurz, wie überlegen die weiße hominide Herrenrasse letztlich ist. - Doch was wird aus dem gut dressierten Wanderzoo, wenn man sich zur Ruhe setzen will oder eine Katzenhaar-Allergie entwickelt, und auf einen anderen Geschäftszweig umsatteln muss? Sollen sich Schakal und Waschbär, Leopard und Puma und mehr als 20 verschiedene Affenarten umstandslos an einen neuen Chef gewöhnen? Stelle ich mir schwierig vor, etwa so wie die feindliche Übernahme des überschaubaren Familienbetriebs durch einen internationalen Großkonzern! Möglich, dass sich die gestressten Arbeitnehmer zusammenrotten, gegenseitig aus den Käfigen befreien und nach dem Motto, "etwas Besseres als den Tod finden wir überall", einander autonom auswildern. Eine Raubkatzenmusik möchte man von den Stadtmusikanten selbst in Bremen nicht hören...
Tags : Tierschau, Affentheater, Raubkatze, Fütterung, Ticketpreis
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