• ¿...war da noch was da noch war...?

    Liebes Corona-Tagebuch,

    ja, du hast recht, ich geb's voll zu, ich habe dich vernachlässigt. Eine schöne Idee, die bestimmt auch viele andere Leute hatten, nur ausgerechnet ich habe sie durch Unschlüssigkeit verkümmern lassen. Glaub mir, jeden Morgen wollte ich dich anfangen und kaum setze ich mich mal an diesen Blog, zack, schon ist es zu spät. Jetzt geht es gleich mit Autoscootertempo zurück (oder vorwärts, und nicht vergessend?) in die Vorcorona-Ära, oder, um es mit dem scharmant-griemelndsten aller Ministerpräsidenten zu sagen, "kleine, vorsichtige Schritte" hüpfen wir, und zwar "in eine verantwortungsvolle Normalität".Kölner Masken-Gebührenordnung Dabei sind die Themen doch noch längst nicht ausgereizt, z. B. mein Befremden, als die ersten vermummten Menschen in den Supermärkten und manche auf der Straße auftauchten, manche sogar auf dem ¿...war da noch was da noch war...?Rad oder hinterm Lenkrad (das sind Postboten oder Pflegedienste, die wollen nicht dauernd "Maske rauf, Maske runter" spielen), es war doch erstaunlich. Hände waschen nach dem DealEinige besonders prahlerische hatten diese Luxus-Chefarzt-Schnutentüten (oder Schnüsslappen, wie man hier sagt) samt Filter, ich hätte ja gern die Weltkriegs-Gasmaske meines seeligen Urgroßonkels vom Speicher geholt, wo mag die abgeblieben sein und wo der Speicher? und dann die Art des Tragens! Autofahrer hängen die neuen Unaussprechlichen gern baumelnd an dien Rückspiegel, um sie gleich überzustreifen, falls bei 200 Sachen eine Kamera ins Blickfeld des Navis kommt. Andere halten sie in der Hand und ringeln sie um den Zeigefinger, wie man früher Autoschlüssel kreiseln ließ. Wieder andere haben sich dauerhaft umgelegt, was sie ab und zu hochziehen wie zum Banküberfall. Hier gilt es zu differenzieren, es gibt unterschiedliche Tragestile: die einen würde ich als Bartschoner bezeichnen, immer gut wenn man Yoghurt-Milchmixgetränke zu sich nimmt, in 50 Meter Distanz von der Eisbude, versteht sich; die anderen als hochgerutschte String-Tangas, wieder andre sind eher als Doppelkinn-Absackhilfe im Gebrauch, bei wieder anderen sinken sie noch tiefer bis hin zum klassischen Durchhänger, letzteres in Armeekreisen auch gern als "Eierschaukel" oder "Sackhalter" bezeichnet.osterschmuck auf Graebern

    Dann wollte ich von unserem Osterspaziergang berichten, der dieses Jahr auf einen Wochentag fiel und auf dem Friedhof absolviert wurde, wir haben aber auch einen besonders schönen, parkähnlichen, mit uralten Baumriesen, wo die grünen Weiden von Osterkaninchen nur so wimmeln und wo man sich trefflich aufhalten kann, ohne die neue Freiheitsliebe von Fahrradrüpeln und Hundehaltern - ihre Vierbeiner lassen sie jetzt grundsätzlich leinenlos gehen, allenfalls wird die Leine zwar angelegt, aber vom Hund frei hinterhergeschleift - , im Mindesten zu beeinträchtigen. Aber dann kam der Weiße ostern auf dem SüdfriedhofSonntag und Christi Himmelfahrt und Pfingsten und jetzt noch steht auch noch Frohenleichenam vor der Tür, und das Thema wäre damit auch durch. Nachdem uns die Friedhöfe zu voll wurden (denn auch andere kamen auf dieselbe Idee, im Park wimmelte es von Sportlern und Kindern, die nicht auflindt-und-spruengli-hase auf dem Frieddhof den Spielplatz durften), suchten wir Schlösser und Schlossgärten im weiteren Umkreis auf, unter anderem kamen wir in Orte mit so merkwürdigen Namen wie "Türnich" (geh' mir bloß vor die Tür nich'!), Horror, ehm, "Horrem" und "Quadrath-Ichendorf", was mir auch eine gute Metapher für den neu erwachten Herdenegoismus zu sein scheint, den ich überall wahrzunehmen glaube: Autos rasen vermehrt bei Ampelrot durch, wie sonst früher nach dem Italienurlaub, oder parken die Bürgersteige zu, weil die Radwegparker teuer verwarnt werden, Menschen werden aggressiv, wenn man zu langsam vorrückt in der Schlange oder sie aus Abstandsgründen nicht gleich und auf der Stelle ans Regal lässt usw. usw. Gut, wir waren dann auch mal ein Eis essen, im Gastro-Bereich einer Fußgängerzone, mussten uns dafür nicht mal immatrikulieren, der Anblick einer adrett-schwarz gekleideten Kellnerin mit Spitzenschürze und -häubchen mit Knebel vorm Mund mochte prickelnde erotische Assoziationen wecken (das stimulierende Outfit könnte man eigentlich mal zu Haus ausprobieren...) - beim Genuss von Speiseeis stören derlei synästhetische Erregungspotentiale, ich bin nicht der sensuelle Multitasking-Typ.

    Das erste SpeiseeisDrittens wäre da noch die Frage, besser Altersgrenze oder ein gediegenes Vorerkrankungs-Attest gegen Präsenzpflichten ins Feld zu führen, um nicht aerosol-gesättigten Prüfungsschweiß oder die Exhalationen dampfplaudernder Kollegen/-innen einatmen zu müssen? Da hat sich meine Hausbetroffene zu einem sowohl-als-auch-Kurs entschieden, seit die Alterssache abgetan ist, geht sie MIT Attest OHNE es zu zeigen,Grabguirlande aber dafür mit einer zum Spuckschutz ummontierten Lavaterschen Silhouettiermaschine zur Arbeit und zieht den MuNaSchu im Gebäude gar nicht aus, wechselt höchstens mal und sitzt am stets zum Lüften offenen Fenster. Übrigens hat sie einen super-Fernlehrkurs entwickelt, den sie im Grunde jetzt fortsetzen kann, indem sie alles für Beamer vorbereitet und die Kommunikation auf ein Minimum reduziert. Wobei die wenigsten ihrer Kollege/inne/n Abstands- oder Maskierpflichten einhalten und man vom Hygienekonzept nichts sieht außer vielen verstreuten Desinfektikons-Statiönchen für die Hände, ungefähr so dicht gestreut wie früher die Klapp-Aschenbecher in den Eisenbahn-Abteilkorridoren. Enge Flure, nur zwei Klos, nur ein Treppenhaus, winzige, teils unbefensterte Räume, keine Klimaanlage, kein Schulhof, ab Herbst wieder überfüllte Klassen!

    Und schließlich noch mein ganz anders geartetes Erleben im Bürgeramt, wo ich einen neuen Perso beantragt habe, und zwar, erst stellst du online einen Antrag, nennst einen Wunschtermin, kriegst den ggf. bestätigt und zugleich Zeit und Nummer, die in der "Meldehalle" aufgerufen wird, so weit so gut. Aber dann musst du ein Drängelgitter vor dem Bürgeramt überwinden, hinter welchem bullige Security-Typen mit Migrationshintergrund Wache schieben. Private schwarze Funktionsklamotten, der mit den besten Deutschkenntnissen ruft dann auf ("Haben Termin? Meise blickt sich umTermin wieviel Uhr? Der NaMeiserich blackfacingme? Hab ich hier nicht (...sucht auf der Liste...) Wie heißen noch? wollen zum Ausländeramt? Nein? Personalausweis beantragen? Ja, Personalausweissachen, da kann ich Sie erst fünf Minuten vor Termin reinlassen. Der Nächste!" und das in schönster Lautstärke, so dass der Pulk von wartenden Leuten, zu dem sich noch eine auf Wink eines Schergen mit und ohne Mundschutz das Gebäude stürmende "Leiterkonferenz" gesellt hatte, auch schön mitkriegt, wie ich heiße, wann ich bestellt bin und was ich will. Hat man erst die Meldehalle erreicht (erst desinfizieren), hat sich was mit den "fünf Minuten vor der Zeit, ist des Preußen Pünktlichkeit!" - bei mir zumindest musste ich eine lange Abfolge Nummern abwarten, bis meine in die numerische Nähe kam, dann aber blieb das System, mit dem die Tafeln aktualisiert werden, plötzlich stehen, und wo als nächste meine erscheinen sollte, blieb die vorhergehende Nummer wie festgefroren eine halbe Stunde dieselbe und verschwand schließlich ohne Neuausgabe (währenddem andere Nummern in anderen sechsstelligen Bereichen normal weiterliefen und Junge, Alte, Kranke, Halbtote und Demente herein- und wieder hinausströmten, ich dachte, die füllen Vollmachten aus und müssen nicht mehr persönlich vorsprechen?). Da fragt sich der Bürger auf dem Amt, hat sich der Computer aufgehängt oder die Sachbearbeiterin - oder ist sie, um Himmelswillen, womöglich einem Gewaltverbrechen der letzten Wartenummer zum Opfer gefallen? Albinomeisterich beim FutternAber während der Tag voranschritt, kam ich irgendwann doch mal dran, eine ältere seriösere Beamtin erwartete mich hinter Spuckglas, ich nahm den Mundschutz ab, um meine Übereinstimmung mit dem durch einen Mini-Schlitz geschobenen Foto zu klären, Geburtsurkunde und Heiratsdokument hinterher, "das scannen wir dann auch mal vorsichtshalber hier ein", wedelte mit der Fotografenquittung (erst drei Tage alt, das Foto). Am Ende gab ich sogar freiwillig meiine Fingerabdrücke ab (musste gar unterschreiben, dass ich nicht dazu gezwungen wurde), und als das Gerät nicht richtig anspringen wollte, bat mich die Sachbearbeiterin, den Daumen über die schweißfeuchte Stirn zu ziehen (WAAAS? ins Gesicht fassen, nachdem mir wochenlang eingebleut wurde, tu das ja nicht?!) und dann klappte es noch. Das beste war das Bezahlen der 29,90, die der Spaß inzwischen kostet, die Frau an der Kasse war die einzige, die nicht gestreßt war,¿...war da noch was da noch war...? hat ja gut lachen, sitzt hinter Panzlerglasscheibe und zwar schon immer, ist nichts Neues für die! Dann raus, Hände desinfizieren. Jetzt warte ich auf die Mitteilung, dass meine Identitätskarte fertigfabriziert ist, die erste elektronisch lesbare meines Lebens, und ratet mal, was ich tun muss, wenn die Mitteilung kommt? Genau: einen Termin ausmachen, elektronisch anmelden, Bestätigung ...und weiter siehe oben.

    Inzwischen ist alles wieder so stinknormal, dass "echte" Themen ins Programm kommen, statt bloß Vorbeuge-, Gesundheitsapp- und Coronakram, nämlich Kniebeuge, Geheimdienst-Schnüffel-App- und Coronakram. Zum Thema BLACK LIVES MATTER meldete sich vorhin bei mir eine Albino-Meise zu Wort, bei deren Anblick man sehr wohl an whitewashing oder blackfacing denken mag. Der Vogel wirkte noch etwas unbeholfen, eben aus dem Ei geschlüpft, dunkelt bestimmt noch nach. Woher wusste das Tier, wenn es tatsächlich noch heute morgen unter einer dünnen Kalkschicht eingesperrt war und sich freipicken musste, dass es hier auf dem Küchenbalkon eine Säule voll mit immer nachgefüllten Erdnusshäppchen, Vollkornbrösel und Insektensnacks gibt?


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  • Commentaires

    1
    Jeudi 18 Juin 2020 à 22:32

    "das stimulierende Outfit könnte man eigentlich mal zu Haus ausprobieren..."

    Hat deine Hausbetroffene das gelesen? Dann pass auf, dass du nicht etwa Arsen zum Spitzenhäubchen bekommst.

    2
    Vendredi 19 Juin 2020 à 07:12

    wäre noch einen Tick stimulierender... aber in meinem Alter soll man nicht übertreiben tongue

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