• ...une fleur douce teint mon pouce hématome

    Rotkehlchen im BalkonkastenRotkehlchen im BalkonkastenRotkehlchen im Balkonkasten

     

     

    Da ich vorzugsweise von fotogenen Eichhörnchen, eitlen Halsbandsittichen und flitzenden Meisen erzähle, kommt heute in der Bebilderung das Rotkehlchen ganz nach vorn. Das besucht neuerdings gern unseren Balkonkasten, in welchem immer noch Kerbel wächst, und zupft gern mal an demselben, wenn auch nicht ganz so frenetisch wie die Taube im Sommer, die zuerst die Salatsprossen und dann, in schierer Verzückung, das Kerbelbeet hinmähte. Ganz so gierig ist, wie gesagt, das bescheidene Rotkehlchen nicht, in der Regel pickt es nach den Bröcklein, die vom Munde der Halsbandsittiche abfallen. Zu dem Rotkehlchen in unserem Haushalt hat sich ein Blaudäumchen gesellt, welches neulich aus der fast geschlossenen Autotür herausflatterte - fast geschlossen, wohlgemerkt, denn da war ein Hindernis, das am Zuwerfen hinderte - dabei war es eigentlich komplizierter, denn der Daumen zog grade an dem Frostschutzfolienrand, um ihn in den Türspalt zu kriegen - und sich dann ziemlich eilends zurückzog bzw. seinem Besitzer folgte und ungesäumt nach Hause strebte.blauer Daumennagel Dort war dann PECH die erste Losung für das Blaudäumchen, denn nach weisen Lehren soll man "PECH" sagen, wenn einem so etwas passiert, und dann danach wie folgt handeln (therapieren):
    1. P wie "Pause"
    (d.h. ruhig stellen, Schluss mit Sport oder sonstigen Belastungen des wehtuenden Gliedes);
    2. E wie "Eiswasser";
    in die man betroffene Extremitäten tunken soll (dazu muss man allerdings mit der anderen solo-Hand die Eisstückchen aus dem Kühlschrankfach holen, die sich dann wundern, wo der Martini oder Bitterino bleibt)
    3. C wie "Compression"
    (und zwar feste, das Blaudäumchen verschwand für einen Tag in seinem gezurrten Pflaster)
    4. und H wie "Hochlegen", ist beim Daumen jetzt nicht so nötig wie beim Meniskus.
    Das alles natürlich völlig ruhig und ohne Geschrei, Gefluche und Gejammer, wenigstens hat es keiner gehört, gottlob war niemand in der Nähe, der es bezeugen könnte.

    Schön blau war dann auch der Mondhimmel über Schloß Moyland am Niederrhein (letzter Vollmond des Jahres ist erst nächste Woche), wo ich mir außer tröstlichen Moyländer Krapfen, einer niederrheinischen Bratwurst und Weihnachtslichter auf dem Burggrabendiversen preiswerten Kunstpostkarten für 2,- € ein kleines Bändchen aus der Insel-Bücherei (Nr. 219) mit Schüttelreimen erwarb. (Antiquarisch bzw. second-hand: Vorher hatte das Buch einem Hubert Lehmann gehört, der sich mit der Jahreszahl 1944 dort eingetragen hat.) Ich liebe Schüttelreime, seit meine Nenn-Urgroßmutter Tante Miezchen einen annagrammatischen auf meinen Nachnamen gemacht hat, der mir unvergesslich blieb, den ich aber hier nicht zitiere, schon weil er mir andauernd vorgesungen wurde, er ist ungefähr so gut wie der zu meinem jetzigen Pseudonym: "ledit par l'rousse."Windjammer an der belgischen Nordsee
    Benno Papentrigk allias, der die Insel-Reime wohl für seine Freunde dichtete, hieß mit bürgerlichem Namen (ebenfalls annagrammatisch geschüttelt) Anton Kippenberg und war nicht nur Chef des Verlags mit den tapezierten Büchern, sondern auch Sammler wertvoller Goetheana - auf seiner Schenkung beruht das wunderschöne Goethe-Museum in Düsseldorf, neben den zwei Weimarer und dem Frankfurter Goethe-Häusern die dritte Pilgerstätte für alle Goethefreunde. Da Goethe m. W. keine Schüttelreime hinterlassen hat, vermute ich, Kippenberg wollte in einer Dichtungsform brillieren, in der ihm das erdrückende Vorbild nicht im Weg stand: Turm von Schloß Moyland bei MondlichtEingangs finden sich unter dem Titel "Gradus ad Parnassum" allerlei Lehren und Maßregeln, natürlich in Schüttelreimform, an die sich der Dichter allerdings später selber nicht hält. Immerhin wagt er es, einige ernste Gedanken in Schüttelreime zu kleiden, was nicht ganz einfach ist bei dem Humorigen der Konsonantenverkehrung. Eine Monatskalenderfolge und ein Schüttelreim-ABC sind allerliebst gelungen, und für den Schüttelreim "Werde, was du bist: / Buddhist", von dem ich immer glaubte, er stamme aus den 1970er Jahren, wird hier S. 20 einem gewissen Wilhelm Pinder gedankt ("An manchem Kinderpult treibt man schon Pinderkult"). Auf Goethe bezieht sich wohl der Kalenderreim zu dessen Geburtsmonat: " August, sei mit rühmlichem Scheine beehrt: / In Dir ward der Erde der Eine beschert"); das bezieht sich nicht auf den Cäsar Augustus, der ja auch eine Jungfrauengeburt war wie das Jesuskund. Dem bevorstehenden Feiertag der Christenheit widmet Kippenberg einen SchKeramikvogel auf der Stangeüttelreim, der in seiner Lakonie mindestes so gelungen ist wie das obige Buddhistenmotto: "Ein Sternenfall / Im fernen Stall".

    Richtig weihnachtlich ward mir aber auf dem Moyländer Glühweinparcours nicht zumute, irgendwie fehlten Stände mit Spezereien, Rauschgold, Weihrauch und Myrrhe, Dresdner Stollen oder süßeren Glocken, die klingen. 4 EUR Eintritt! dafür aber keine Gebühren für den mindestens 6 Kappesfelder umfassenden Parkplatz - zahlreiche chinesische Mondautos hätten ihn als "Traktorentanzplatz" benutzen können (das Wort ist aus einem Arno-Schmidt-Buch, dessen Taschenbuchausgabe angeboten wurde). Gleich hinterm Eingang gab es Dampfnudeln und Weihnachtsbaumdeko, da war man aber noch nicht so drauf geeicht und hinterher zu müde. - Gut, es gab ein paar Kräutergarten mit Lichterketten in Schloss MoylandGrafik- und Antiquariatsstände, wunderschöne Exlibris, die gefielen mir auch, aber sonst dominierte, was niederhheinischen Hausfrauen und Villenbesitzern Freuder macht. Jede Menge Gartendeko, edle Brennelemente aus Rostmetall, Obstschalen aus gedrechselem Olivenholz, Kristallenes und Keramik, alles nicht so mein Fall. Dafür gefiel mir die Anlage im Vollmondlicht ungemein, man glaubte, Friedrich den Großen hier lustwandeln zu sehen, auch wenn man die Fahne mit der gestürzten Schrift, die verkündete, dass man Turm und Schloß besuchen könne, ziemlich reklamehaft wirkte (sie hätten wenigstens informativ Toilettenbenutzung 40 Cent dazuschreiben sollen). Für 1 zusätzliche Eurone konnte man wohl durch die ehemals Beuys-gefüllten Säle gehen, die aber arg geplündert sind, seit man sich von der "Petersburger Hängung" verabschiedete, die ich am Tag der zeitweiligen Schließung sogar in der Lokalzeitung gelobt habe, zufällig wurden wir von einer Volontärin interviewt.

    Notausgangschild mit PfeilFahne am Turm von Schloß Moyland

     

    Von Beuys konnte man sich noch ein paar Serigraphien mit Signatur kaufen, Preise im niedrig-dreistelligen Bereich, oder auch die Schallplatte, die er mal mit Klaus Heuser (id est  "Major Healey", lange Zeit bei BAP Leuchtende Deko-Kugel für den Gartenfür die Musik zuständig, Schwebender Kubus von Moyland mit Mondlichtvon der Niedecken bekanntlich nichts versteht)  und Wolf Maahn besungen hat: "Sonne! statt! Rägen!", brüllte er damals ein ums andere Mal ins Mikro, und genoß es richtig hörbar, ein Popstar geworden zu sein, um dessen Gunst die jungen GRÜNEN buhlten. Außerdem gab es den Filzanzug im Miniaturformat, ziemlich blödsinnige Replik, da Josef Beuys doch ein so großer Lulatsch war. - Die damals ebenfalls verbreiteten Plastiktüten, die mit Beuys' kompliziertem utopischem Gesellschaftsmodell bedruckt sind, wurden übrigens in Köln von einem sozial prekär lebenden Menschen mit behindertem Sohn, der eine Kölner Galerie vielleicht ererbt hatte, vom Künstler signiert an einen Antiquar abgeben, den ich kenne, für Stücker 10 DM damals, wenn ich mich recht entsinne und für 50-100 verkauft oder auch nicht, vielleicht im Hinblick auf Wertseteigerung gesammelt. Aber die Wertsteigerung hat ihre Grenzen, das sah man an den Preisen für Arno Schmidt, Zettels Traum in der "Studienausgabe" (Hefte im Schuuber" kostete 130 EUR, die Schallplatte im Holzkasten "Vorläufiges zu Zettels Traum" nur 30 EUR, allerdings könnte sein, dass im Beiheft oder in den Heften des Romans mit Kuli herumgemalt worden war, was der Vorbesitzer zu lieben schien. Ich notiere ja immer mit Bleistift, unterstrich aber als Student, wie schon neulich erwähnt, schlechthin alles.

    Am Ende von dem Weihnachtswunder-Moyland-Parcours gab es dann für die Damen noch einen Glühwein unter dem magischen Kubus, der sich unter dem Wolken-Mondlicht-Mix ziemlich sürrealistisch ausnahm. Und dann fuhren wir in verschiedene Richtungen nach Hause.


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