• Türchen fünfzehn

    Achtung, in der untenstehenden Pyramide liegt nicht, wie üblich, der Erbauer bzw. der Pharao, der das zur Errichtung Notwendige veranlaßt hat. In diesem Fall ließ der pyramidale Herr seinen Körper in Säure und Löschkalk auflösen, weil die Feuerbestattung zu seiner Zeit noch als unchristlich galt und daher untersagt war. Sein Freund hatte gegen das seinerzeit zwischen ihnen diskutierte Projekt, sich verbrennen zu lassen, übrigens den ökologischen Einwand vorgebracht, das wäre Holzverschwendung! Aber die Nichte des Freundes des Verstorbenen hatte darauf den treffenden Schlichterspruch: Jemand, der so viele Bäume gepflanzt hat, hat wohl durchaus ein Recht auf ein bisschen Holzverschwendung...

    Türchen fünfzehn

    Was mir nicht behagt, sind die anschwellenden Forderungen nach Sterbehilfe auf Krankenschein, "Recht auf eigenen Tod" usw., als gebe es für alles und jedes, also auch auf den richtigen Zeitpunkt des Abtretens ein Privatpatienten-Privileg. Diejenigen, die ich hab sterben sehen, hätten grad in dem Moment wohl nicht unbedingt darauf bestanden, jedenfalls kam der Abschied immer ganz, ganz anders, als sie sich das früher vorgestellt hatten. Überdies steht's jedem frei, sich und andere und alles aufzugeben, das hätte ich früher nicht geglaubt: wer's will, stirbt, das ist nicht so kompliziert wie das Leben. Zeitlebens ist man andauernd damit beschäftigt, zu überlegen, was man in dem und jenem Extremfall machen tät', wie schnell ist man zum "Abgeschaltetwerden" bereit, ehe der überlegende Verstand nachkommt. Egal, zurück zu der Pyramide: das HERZ hat sich der Verstorbene ausgliedern und hier beisetzen lassen, wie einst die Eingeweide der Mumien in irgendwelchen Kanopenschreinen ausgetrocknet, der Inhalt wurde erst ruchbar, als er von Archäologen auf kleiner Flamme aufgekocht wurde (der Arzt und Erfinder Thomas Young hat das übrigens als erster gemacht, wenn ich mich recht entsinne). Wobei mir einfällt, dass ich noch keinen staatlich verordneten Spenderausweis ausgefüllt habe, ich will eigentlich "am Stück" verwesen, am liebsten in dem romantischen Grab meines Vaters, und nicht zum Ersatzteillager schwerreicher VIP-Organempfänger-Kandidaten werden. Auch da bin ich nachdenklicher geworden, immerhin geh ich Blutspenden und meine Stammzellen kann auch jeder haben, der dumm fragt. Unbehaglich wäre mir, wie der tapfere General Moreau bestattet zu werden. Nachdem ihn der Zar aus dem amerikanischen Exil zurückgeholt hat, wohin ihn Napoleon verbannt hatte, und er sich an die Spitze der deutschen Freiwilligenkorps setzte, traf ihn auf der Räcknitzhöhe bei Dresden, grade als er mit dem Zaren verhandelte, eine Kanonenkugel, er wurde amputiert, wobei er Zigarren rauchte, und starb ein paar Tage später im böhmischen Laun. Seine Beine sind auf der Räcknitzhöhe beigesetzt, der Leichnam in Sankt Petersburg, das Herz in der letzten Ruhestätte seiner Frau auf dem Karthäuserfriedhof in Bordeaux, wo sich auch das Grab von Delacroix befindet. Das wird ein ziemliches Suchen und Herumkramen am Jüngsten Tag, wenn die Posaune der Freiheit ertönt and the bones are going to rock around...


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