• Türchen #18: Phrasometer

    Gestern kam ein katholisches Heftchen (Herder Thema) ins Haus. Das Periodikum scheint sich vorwiegend an Glövenixe zu wenden, eine Art Atheisten-Chrismon, ständig wird thematisiert, wie dies oder jenes von Nichtkirchenmäusen wahrgenommen oder beurteilt wird. Ein Artikel heißt Wie areligiös ist areligiöse Kunst wirklich?  Händels Messias; Bachs Matthäus-Passion, heißt es irgendwo, "geben vielen Skeptikern oder Nichtgläubigen Gefühle der Hoffnung", aha. Hoffnung, daß das Weihnachts-, Pfingst- und Ostergezimbel im Radio bald mal wieder vorbei ist und der übliche Hemba-hemba-Schlager wieder auflebt? Martin Walser im Interview mit Marx, äh, Bischof Marx: "Wenn der Atheist sagt 'Gott gibt es nicht', dann hat er schon von ihm gesprochen", ätsch! Thema dieser unverlangt eingesandten Gratisausgabe ist lt. Cover "Freude & Hoffnung, Trauer & Angst im Spiegel der Künste". So weit, so gut aufzumischen. Im Spiegel der Künste (Sonderbeilage des Hamburger Wochenmagazins, der Augstein im eigenen ist das Alpenmassiv in der Pupille anderer) sieht der Betrachter alles spiegelverkehrt. Bei Ausbau einer grammatischen Tiefenstruktur wird's komplexer. Z. B. ein Essay über "die tiefsten Gefühle in der Musik" mit dem Obertitel Trauer bringt oft Hoffnung. Ist nicht auch das Gegenteil richtig? Hoffnung bringt oft Trauer. Erproben wir, ob das mit anderen Überschriften auch geht. Eine heißt Vertreibung: Trauer und Angst. Hm. Trauer: Angst und Vertreibung funzt auch. Ebenso ist Vertreibung: Angst und Trauer kein übler Titel. Schweigen ist Beten ohne Wünsche. Oder vielmehr Beten ist Wünschen ohne Schweigen? Dann kann demnach Wünschen ist Schweigen ohne Beten nicht ganz falsch sein. Bingo! Die haben ihre Titel aus einem rotierenden Phrasometer. Gibt's heute alles als App.


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