• Türchen #16: auf

    Obwohl ich immer wieder davor gewarnt habe, hat sich die "Chance auf" inzwischen totalsprachlich durchgesetzt und ist nicht mehr aus dem Wortschatz wegzumäkeln. Man achte darauf, wie häufig der Imperativ "Sichern Sie sich Ihre Gewinnchance auf..." ertönt. Ich wurde kürzlich sogar gefragt, ob es wohl ins Englische übersetzt "the Chance on" hieße! Erstens gibt es nicht viele Chancen, und zweitens sind die so vage, daß man sie nicht "ab origine teleologisch funktional" (Lorenzo Picotti: Zwischen 'spezifischem' Vorsatz und subjektiven Unrechtselementen. Ein Beitrag zur typisierten Zielsetzung im gesetzlichen Tatbestand, Berlin 2014, S. 50 f.) festnageln darf, sonst gehn sie flöten. Das soll nicht heißen, daß man nicht die Chance hätte, im Lotto zu gewinnen oder keine "Chance auf" dem (Dativ!) Arbeitsmarkt hätte. Zum Bleistift die Chance, einen Job zu bekommen. Aber merke: Eine Chance ist keine Option, keine Aussicht, keine Perspektive: wir haben kein Anrecht "auf" die Chance. Sie ist mehr so ein Begehren, eine Utopie, eine Gelegenheit - alles Wörter, die ich auch schon mit "auf" gehört habe, seit die "Chance auf" derart eingerissen ist. (Allerdings habe ich die "Gelegenheit auf eine Remedur" schon in einem Buch von 1796 entdeckt). Es gäbe Genitive, Verbalkonstruktionen, aber nein - der Siegeszug der Präposition "auf" plus Akkusativ ist nicht auf-zuhalten. Rolf Schulmeister hält (in E-learning: Eine Bilanz. Kritischer Rückblick auf Basis eines Aufbruchs, Münster u. a. 2009, S. 317 ff. - allein der Buchtitel reizt auf zum Brüllen) den Computer für ein "Versprechen auf die Zukunft". In Christian Ortner: Hört auf zu heulen. Warum wir wieder härter werden müssen, um unseren Wohlstand zu schützen, Wien 2013 (auch ein Titel, den man nachschmecken sollte), finde ich S. 141 ein "Heilsversprechen auf". Die "Verheißung auf Christus'" treibt theologischerseits schon lange ihr Unwesen, u.a. in Christof Levin: Verheißung und Rechtfertigung. Gesammelte Studien zum alten Testament II, Berlin u.a. 2013, S. 7.  Aus Schuld und Sühne wurde Verbrechen und Strafe. Ich geb's "auf" und schlage vor, den Bestseller von Houellebecq neu zu übersetzen. Die Möglichkeit auf eine Insel. Auf eine Sprachinsel bitte, und dann Ohrenschützer auf.


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