• Jetzt dran denken: nix mehr verschenken! Wozu wollen die Leute auch alles umsonst haben. Schließlich ist der Erwerb für das Gut dasselbe wie der taoistische Weg für das Ziel. Wie wenn einer dreißig Stromkilometer rudert, um am anderen Ende Wein zu probieren. Ich vergeude mich z. B. mit einem Haufen akribischer Detail-Informationen aus dem weiten Feld des nutzlosen Wissens. Daher manche, wenn sie mit mir reden, auch an information overload zu ersticken vermeinen.  Das liegt zum Teil an meinem nicht geringen Erfahrungsschatz.  Z. B. wollte meine Frau dieses Weihnachten mal wieder verreisen und buchte eine Ferienwohnung in einem Moselort, in dem ich nachweislich schon mal Wein getrunken habe, siehe Etikett. Es war nicht damals bei der Saubrätkirmes von Wittlich, auch nicht auf der einen Fahrradtour, bei der mich der Sonnenstich ereilte und schon in der Trierer Jugendherberge auf das Lager warf. - Aber als wir, drei braungebrannten Jungs damals, es muss ca. 1973 gewesen sein, mit dem Ruderkahn an den Rhein kantaperten, haben wir hier und da angelegt und uns jeweils beim nächsten Wohnzimmerverkauf den begehrten Traubentrank abgeholt, garantiert naturrein und für 1, 25 DM die Flasche, die wir dann bei der Weiterfahrt im schaukelnden bateau ivre leerten, ich rauchte, damals eine Macke von mir, "Villiger Kiel" und hatte einen verformten grauen Filzdeckel auf, gibts noch'n Foto von. Das war natürlich nicht die einzige Pünderich-Pulle, und aus Trittenheim, Mehring, Kröv u. a. sind ebenfalls je ca. zwei unterschiedliche Etiketten überliefert.

    Türchen zwölf

    Dass ich mich ausgerechnet in dem Kaff schon mal aufgehalten hatte, konnte meine Frau nicht wissen, aber der Beter kehrt bekanntlich immer wieder an den Gnad-Ort zurück, und eine höhere Vorsehung wollte wohl, dass ich mal sehe, was inzwischen, seit der Glucose-Affäre, den Kellergeister-Verschnitten und der zunehmenden Konzentration auf dem Nahrungsmittelsektor (Asbach Uralt an einen US-Konzern verkauft!) aus den Steillagen von Meister Siweris geworden ist. Ob der überhaupt noch im Geschäft ist? Man kennt das ja, Landwirtschaft heißt frühes Aufstehen und karge Buchführung, den Familienbetrieb will keiner übernehmen, die Tochter, damals Weinkönigin, sitzt als grüne Proporzfrau im Kreishaus, der Sohn hat eine gutgehende Praxis als Sterbehelfer, die Enkel sind längst nach Köln abgewandert, wo sie irgendwas mit Medien machen. Sic transit gloria mundi! Und ich bin ja auch nicht mehr Süßesiebzehn, sondern müsste, wenn ich ehrlich bin, längst mal an einer 60-minus-Party teilnehmen. Dabei ist es mir, als wär die Moseltour mit ihren gefühlten drei Dutzend Schleusentalfahrten erst gestern gewesen, das von Mosella glucksend In-den-Schlaf-geschaukelt-Werden, während die anderen lieber auf dem Festland im Zelt nächtigten, und wie wir damals bei einbrechender Dämmerung zu lange weiterdümpelten, obwohl wir nicht mal Positionslampen hatten, und uns dieser mit hundertachtzig Sachen rasende Riesencontainerfrachter mit seinem Saurierauge-Scheinwerferkegel erfaßte und brüllend Alarm trompetete, und wirwashastewaskannste "aus dem Weg" gerudert sind, weil wir sonst in tiefster Nacht vom Mahlstrom der Schiffsschraube untergepflügt worden wären...


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  • Was tun, wenn eine Kollegin im Büro in Tränen ausbricht, weil der Hausarzt ihr infolge asthmatischer Reaktionen das fortgesetzte Halten ihrer Katze verbietet? Ist das nun ein Fall von seelischer Grausamkeit, wenn es geraten erscheint, den Schmarotzer nach jahrzehntelanger Symbiose noch vor Weihnachten vom Wirtstier zu trennen bzw. sich ersatzweise einen Nacktmull, eine Manx-Katze oder ein Terrarium anzuschaffen? Im neuen Aldi-Prospekt sind die edelsten Geschenke vorgestellt, um Vierbeiner unterm Weihnachtsbaum zu beglücken (Hunde freuen sich an Bäumen mehr als Katzen, glaube ich). Und wohin mit dem armen Tier in der gefühligen Jahreszeit des Erbarmens, triefender Menschlichkeit und liebevollen Familienglücks, doch nicht ins Miezhaus abschieben, um nicht zu sagen, ins Katzett? Dass die Felle winzige, geruchlose und mit bloßem Auge unsichtbare Härchen absondern, die jede Nase in der Nähe einatmet, ist mir schon früher bewußt gewesen. Mir schwellen allerdings auch nicht die Augenränder davon an, und die Luft bleibt mir auch nicht weg. Den Aldi-Chef selber konnte man zu Weihnachten immer mal mit einem Oldtimer (72,7 Millionen Euro) oder mit moderner Kunst (48 Millionen Euro) erfreuen, wie wir jetzt aus dem Prozess gegen seinen Aficionado erfahren, der die Sammelstücke zu Aldi-Bedingungen d.h. mit max. 3 Prozent Provision für die Oldtimer, 5 Prozent für Kunstwerke anschleppen sollte...

    Türchen elf


    Da lob ich mir Surrogate aus Gips, wie den obigen Mops, ohne den ein Leben bei weitem nicht so sinnlos wäre wie ohne Godot oder Loriot, und wenn man es edler und teurer haben will, bietet sich Porzellan aus dem 18. Jahrhundert an. Diese Figürchen ziehen zwar, statt auf Staubmäuse Jagd zu machen, eher eine Staubschicht an, aber dafür muss man sie nicht füttern oder per Katzenklappe nach draußen lassen, und bei Nichtgefallen können sie auch mal - hoppla - vom Regal fallen. OK, noch sind sie nicht sozial interaktiv wie computeranimierte Gollums, lassen sich nicht streicheln und schnurren tun sie auch nicht. Oldtimer soll man ebensowenig im Berufsverkehr nutzen, man parkt sie dekorativ vor dem Palast, und was moderne Kunst betrifft, so ein Haifisch in Gelee ist auch nicht gerade kuschelig. Betrachten wir die Katzen doch wie die Alten Ägypter als Anlagemodell, sie halten nicht nur den Geldspeicher mäusefrei, sondern verbrennen freundlicherweise auch die Kohle, die wir für Tierpsychologen, Tierheilpraktiker, Tierfriseure oder ihre diamantbesetzten Flohhalsbänder ausgeben könnten, bevor wir was Dümmeres damit anstellen.


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  • Gestern hat der von der Bundesregierung eingesetzte Prekariatrat, ein Gremium von Fachleuten, den geistigen Armutsbericht veröffentlicht. Das Ergebnis ist niederschmetternd: die Geistesgaben sind, wenige einzelne konnten sich das schon denken, höchst ungleich verteilt! Bei größeren Zusammenschaltungen von Generationen und Milieus sinkt das Niveau. Für unterfunktional Hirnaktive sind zwar eine Reihe von Prothesen erfunden worden, ich denke an Zwitter, Juhutjub, Fratzbuch, Duhmm und andere Computerspiele zum Dauerdaddeln auf dem Smartphone. Schwierigkeiten macht nicht nur der Erfassen zusammenhängender Texte, sondern Einsicht in die Notwendigkeit der inneren Struktur des Weltganzen als solchem überhaupt, wie man ja auch bei mehrfachen Einschüben parataktischer Nebensätze, die der Erläuterung weder bedürftig noch fähig sind, bei Nichtbeachtung der übergeordneten Regelhaftigkeit des Satzganzen, gefolgt von mehrfachen einschränkenden Negationen, nur unschwer den Überblick aus den Augen zu verlieren sich nicht entbrechen kann. Drum kauen wir meist lieber ein und dasselbe mehrmals durch, statt zu wirklich neuen Gedanken aufzustreben. Nehmen wir das Kommunistische Manifest von Karrrrl Marx und Friedrich Engels. Das fängt doch mit dem herrlich schlichten Satz an: "Die Geschichte aller bisherigen Gesellschaft ist die Geschichte von Klassenkämpfen." Zack, bumm! Nix mit "Goldenes Zeitalter", Vertreibung aus dem Paradies, früher alles besser, wir lebten nur in dem "Mittel"alter dazwischen, das die Wiederherstellung des dann für ewig verheißenen Utopias, das volle Programm mit Jungfrauen, Manna und Gratis-Downloads, vorbereitet, nä nä nä, "Alle bisherige Gesellschaft", verstandibus? hat nur eine Geschichte, nämlich "die von Klassenkämpfen." Kein Rütteln und kein Deuteln, erst als Marx richtig tot war, nämlich am Beginn des Zeitalters der Sozialdemokratie, die für das Himmelfahrtskommando der Abschaffung seit jeher existierender unnatürlicher Zustände keine Freiwilligen mehr rekrutieren konnte, fügte Engels in der englischen Ausgabe von 1888 für Armleuchter die begütigende Fußnote hinzu, das heiße, "genau gesprochen, die schriftlich überlieferte Geschichte" etc., und ließ das alte Eiapopeia folgen von einer angeblich "urwüchsigen kommunistischen Gesellschaft" mit (ausgerechnet!) indo-germanischen Bio-LPGs von Neanderthaler-Kommunarden, wo, immer noch Engels, "Dorfgemeinden mit gemeinsamem Bodenbesitz die Urform der Gesellschaft waren von Indien bis Irland", und so heiter, und so doof.

    Türchen zehn

    Als oller Skeptikus nähre ich den Verdacht: Plus ça change, plus c'est la même chose. Ein Satz, der gemeinhin Jean-Baptiste Alphonse Karr, dem Erfinder der Karrnerarbeit zugeschrieben wird. Er war Schriftsteller in Paris, Herausgeber des Figaro und Gründer von Le Journal, bevor er sich in Nizza dem Blumenzüchten widmete und in Saint-Raphaël verstarb. Unter anderem schrieb er eine Voyage autour de mon jardin, sicherlich ein Fortschritt nach der Reise um mein Zimmer in 48 Stunden des Xavier de Maistre, Bruder des bekannten ultrakonservativen Staatsmanns. Aber was ist überhaupt Fortschritt? Als das Kommunistische Manifest herauskam, war de Maistre schon in Sankt Petersburg und Karr sorgte sich, "que les femmes ne se dénaturent en voulant se perfectionner, et n’abdiquent les plus belles prérogatives de la nature, en aspirant à exercer les tristes privilèges du sexe qui lui fait envie". Ewig währt nichts, außer der Geschlechterrollenverteilung: Männer in die Politik, Frauen ans Herdfeuer!


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  • Hoppla, heute etwas später am Sender...  und ein richtiges Thema fällt mir auch nicht ein! Da aber heute Filmstart für den dritten Teil von Peter Jacksons Tolkien-Verfilmung Der Hobbit ist, setze ich diese geradezu unanständige Baumwurzel hinter das Türchen! Die F. A. Z. feiert die Uraufführung durch ein Interview mit einer Dame, die abwechselnd als "Mittelerdkundlerin", "Koryphäe" und "größte Kennerin" belobhudelt wird. Unter ihrem Foto mit der Nerd-Brille steht, sie sei "Lektorin, Übersetzerin und Herausgeberin", aber Khazâd ai-mênu*), sind wir das nicht letztlich alle? Sie lobt John Ronald Reuel Tolkien vor allem wegen seiner Sprache (nicht der von ihm erfundenen Sprachen wegen) und benutzt selber die abgedroschensten Wendungen à la "eine Art Blaupause",  "leichtfüßig" (wenigstens ohne das unfehlbare "daherkommen") und "noch in der Pipeline". Diese Art Forschung, die Tolkien "immer wieder und immer noch" vor der Literaturkritik rechtfertigen wolle, über die ist sie längst hinaus, denn der Herr vom Herrn der Ringe sei doch längst "in den Kanon der modernen Literatur eingeordnet" usw. (* lat. "Zwerge über euch!"

    Türchen neunTürchen neun

     

    Aber mal langsam. Als kleiner Junge dachte ich auch immer, das würde Pipeline ausgesprochen und nicht Peiplein. Und ich wollte auch immer alles lesen und wissen und später, wenn ich groß bin, nächtelang mit den anderen Intellektuellen herumintellektualisieren. Das hab ich einigermaßen geschafft. Aber in Bäumen lebende Wesen zu sehen, hab ich nicht erst seit den Ents von Peter Jackson oder den Baumumarmerinnen in Tom's Taz-Cartoons drauf. Schon früh hab ich angefangen, in Baumwurzeln Zwerglein hineinzuprojizieren, wie die da in Miniaturmöbeln wohnen und ihren Tee aus himmelblauen gepunkteten fingerhutgroßen Täßchen trinken... süüüß, ne? Und abends hab ich mich armschwenkend von denen verabschiedet und wurde von meinem Bruder verpetzt und war einmal mehr die Lachnummer in der Familie. Unter "Tolkien-Forschung", die das Moderne am Hobbit herausgearbeitet haben soll, und von der man sich weitere Studien wünscht, z. B. "wie Sprache und Wirklichkeit und Sprache und Mythos zusammenhängen" (wollen wir das nicht alle wissen?), stell ich mir retrospektive Psychoanalyse vor, die bei dem ewigen Elben-und-Orks-Gezanke endlich mal die garantiert zugrunde liegende frühkindliche Mißbrauchserfahrung herausarbeitet. Oder fragt mal die Ents, die sog. Baumhirten aus dem Dingsbumswald, Fangorn, die Peter Jackson im zweiten Teil von Herrn der Ringe optisch geglückt sind. Laurelindórenan lindelorendor malinornélion ornemalin, kann ich da nur sagen. Und noch dies: Taurelilómëa-tumbalemorna Tumbalelaurea Lómëanor! Aber fragt mich nicht, wie man das ausspricht.


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  • Mei, das geht ja wie die Feuerwehr, in nullkommanix ist schon ein Drittel der vorgesehenen Türenmenge geöffnet! Heute geht es fröhlich-moralisierend weiter: Ich interessiere mich seit Jahren für den Stuß, der in Gebrauchsanweisungen bzw. "Bedienungsanleitungen" steht, weshalb ich die letzteren akribisch sammele und archiviere, von der ältesten Kleinbildkamera ("Wenn Sie ihren Finger vor Ablauf der 4 Sekunden heben, wird der Verschluss sofort geschlossen") bis zum jüngst von der Genossenschaft installierten Rauchmelder ("Einen Fehlalarm (lauter Warnton ohne erkennbaren Grund) quittieren Sie durch Drücken der Prüftaste)". Das Beste sind ja die Formulierungskünste, in den achtziger Jahren nur übertroffen vom Manufaktum-Katalog und Zweitausendeins-Versand. In einer kabarettistischen Zwischeneinlage habe ich auf der Tournee meiner Jugend auch mal aus der Gebrauchsanweisung der Thermoskanne vorgelesen, Erfolg garantiert, bäuchehaltend lag das Publikum am Boden. Nicht die ungelenken, teils komplett unverständlichen Übersetzungen, sondern die immer wachsende Anzahl an Warnhinweisen interessiert mich.

    Türchen acht

    Neuerdings habe ich einen neuen Klodeckel installiert, gesässfreundliches Holz statt Plastik usw., da wurde drauf hingewiesen, daß nur eine Person auf das Klo gehen sollte (vielleicht zur Abwehr der gleichzeitigen Inbetriebnahme von Zwillingskindern?), außerdem, natürlich, auf der Rückseite, dass man die Plastikumhüllung von Kindern fernhalten, wie man den Sitz montieren und dass man anschließend nicht draufsteigen sollte, um z. B. ein hoch gelegenes Klofenster zu öffnen (mit Durchstreichungs-Balken im Bild zu sehen). In letzter Zeit ist ja viel die Rede vom Untergang der Gutenberg-Welt, die (endlich, seufzt jetzt mancher) von einem bunten, bildergeschmückten Informationszeitalter abgelöst wird, in dem sich die vielen Hundertmillionenmilliarden Info-Segmente, "Daten" genannt, in großen Datenbanken besser akkumulieren lassen als im heimischen Sparstrumpf der Vernunft. Wogegen die Klippschüler von Hegel und Kant mit nichts anstinken können als mit dem Hinweis, dass es mit dem Akkumulieren der Daten, mit dem zufälligen  "Aggregat von Kenntnissen" nicht getan ist, dass es der Durchdringung lebensweltlicher Tatsachen und ihrer fasslichen Darstellung im Wort bedarf, wenn sie denn fruchtbar sein soll. Uwe Jochum hat hierzu einen interessanten Artikel geschrieben, etwas herunterscrollen, dann findet man ihn hier. Ich hab keine Ahnung, auf was für Einfälle die Käufer  kommen, was sie mit dem Klodeckeln sonst noch anstellen, aber das Lesen zusammenhängender Texte ist nicht ihre Stärke, weshalb vieles mit leicht fasslichen Symbolbildern oder allenfalls Zahlen illustriert ist, wie das obige Beispiel zeigt. Aber ob die Leute mit dem folgenden doch etwas akademischen, ja kantianischen Imperativ etwas anfangen können, der (leider!) nicht illustriert wurde? "Die Produktverpackung besteht weitgehend aus recyclingfähigen Materialien. Entsorgen Sie diese umweltgerecht. Werfen Sie das Objekt am Ende seiner Lebensdauer keinesfalls in den normalen Hausmüll. Über die bestehenden Rückgabemöglichkeiten in Ihrer Nähe informiert sie der zuständige öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger."


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