• Plakatbejaher und -verwerter

    In unserem früheren Wohnumfeld Köln-Sülz, das wir kürzlich zum Einkaufsbummel besuchten, hat sich eine neue Kunstaktion ergeben, bei der offenbar Plakatbefürworter zusätzlich zu der Werbe-"Bespielung" weitere Plakate aufhängen.Babysitter-Angebot Damit sind keine Tierverlustmeldungen gemeint, auch nicht die Jobgesuche babysittender Gymnasiastinnen, sondern Fotos. In Köln wird man ein Künstler, wenn man irgendwas Verrücktes mit sturer Regelmäßigkeit tut: In der Fuzo als Sandwichman mit der Botschaft "ICH SCH...  AUF DIESEN STAAT" herumlaufen (das war in den 1980er Jahren, wogegen die Stadtverwaltung erfolglos prozessierte), Akkordeon auspacken, mit der Blockflöte über die Tasten fiedeln und einen Becher mit der Aufschrift "für Musikunterricht" vor sich hinstellen oder Pappkarten mit Stoßgebeten oder antisemitischen Karikaturen auf Wäscheleinen rund um den Dom hängen. Nun hat jemand, der die Sülzburgstraße fotografiert hat, diese Fotos als Schwarz-Weiß-Kopie in Din-A-3 kopiert und jeweils an geeigneter Stelle (wo man Bild und Wirklichkeit vergleichen kann) plakatiert. Mülleimer-BeklebungEckhaus Sülzburg/Berrenrather StraßeMerkwürdige Aktion, deren Sinn nicht recht einleuchten will. Anfangs glaubten wir, der Buchladen wolle auf seine Fortexistenz aufmerksam machen: Er befindet sich unter einem Baugerüst und ist unter der Plane von der anderen Straßenseite, wo die Schwarz-Weiß-Kopie hängt, unsichtbar. Dann glaubten wir, jemand wolle zum Vergleich historische Bilder vom früheren Zustand der Gegend zeigen. Schließlich entdeckten wir an der Ecke Sülzburg / Berrenratherstraße (siehe Bilder rechts), dass jeweils ein ganz aktuelles Bild an derjenigen Stelle angebracht ist, wo man auch das Original sehen kann. Was immer der Künstler damit bezwecken mag, er weckte zumindest für einen kurzen Augenblick unsere Aufmerksamkeit und wird sich sicher einen Job in der Werbebranche damit verdienen.Buchladen gegenüberTeeladen gegenüberDrogeriemarkt gegenüber Lange wird diese Kunstaktion allerdings nicht dauern, da das Bekleben von Stromkästen, Bäumen, Denkmalsockeln, Ampelanlagen, Schildern, Wänden, Telefonzellen, Mäuerchen, Betonpfählen, Laternen, Mülleimern, Papier- oder Glascontainern zumindest genehmigungspflichtig, wenn nicht strafbar ist. Und einmal dabei erwischt, wird man dann für jeden Graffito der Umgebung haftbar gemacht, so geschehen, als der stadtbekannte Antifaschist im Köln der 1970er Jahre, Sammy Maedge, mit Schülern eine Hakenkreuzbemalung vom Schulgebäude entfernte, man verhaftete ihn, Leichenfledderei an Plakatwandund laut Gerichtsurteil sollte er, obwohl er das Zeug wegmachte, wegen Verschandelung durch Sprühen von Hakenkreuzen haftbar sein. Wer's wegmacht, ist potentiell auch Verursacher gewesen, immerhin vergreift er sich an fremden Wänden! - Auf die Frage, was man denn unternehmen solle, wenn man Hakenkreuzschmierereien sieht, wurde damals (ob das heute anders ist, weiß ich nicht) erklärt: Man soll die Polizei holen, die dann den Eigentümer  des beschmierten Gegenstands alarmiert und auffordert, das Hakenkreuz wegzumachen. Selbsthilfe wegen "Gefahr im Verzug" ist nicht. Hat mich aber noch nie gehindert, Aufkleber von Neonazis abzureißen oder besser, vorsichtig abzulösen und in ein Album zu kleben, ich hab schon eine ganze Sammlung. Bei der Heimfahrt ertappte ich übrigens noch auf frischer Tat eine Vandalin, die sich Fetzen aus einem (schon abgerissenen) Plakat löste und das Papier "wegen der schönen Pixeligkeit" angeblich zu Kunst weiterverarbeitet, die dann auch auf facebook zu sehen ist. Na, wenn das mal die Obrigkeit sieht, die bekanntlich mit der Konsumgüterindustrie und ihren Werbeflächenvermietern gemeinsame Sache macht, dann bleibt kein Auge trocken...!


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  • Commentaires

    1
    Kornelia
    Dimanche 30 Janvier 2011 à 16:03

    Die Vandalin ist  hier bekannt.

    Mir gefallen die Berichte hier sehr gut, es sind schöne Schilderungen von feiner und intensiver Alltagsbeobachtung. Beim Spazierengehen gucke ich jetzt anders in die Welt.

    2
    karinkornelia Profil de karinkornelia
    Dimanche 30 Janvier 2011 à 22:23

    Ich hatte auch direkt eine bestimmte Vandalin im Sinn.

    3
    karinkornelia Profil de karinkornelia
    Dimanche 30 Janvier 2011 à 22:28

    Mir gefällt die Fotoaktion. Streetview vor Ort. Und am besten ist das Bild mit dem Spruch "Wir beschriften alles" vor und hinter dem Graffito.

    4
    karinkornelia Profil de karinkornelia
    Dimanche 30 Janvier 2011 à 22:31

    Bloß Paula Wolf sollte man mal sagen, dass in der großen Stadt auch viele böse Menschen wohnen, die gern mal eine Zwölfjährige am frühen Abend nach Hause bestellen.



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