• Neujahnusbrauch

    Neujahnusbrauch

    Salvenheul-Batterie mit Knisterschweifaufstieg und Feuertöpfen in Grünglitzerwolken mit Heulpfeifersalven... Effektbatterien mit 156-Schuss-Finale und 7 Premium-Stern-Effekt-Raketen... Prächtige Leucht-Buketts und tolle Brokat-Effekte mit rasant abgefeuerten schrillen Luftheulern... Spezial-Raketen mit herrlichen Silberflimmer-Wolken und imposanten Crackling-Sternen... Kugelbomben und Tri-Color-Effekte mit rubinroten und saphirblauen Leuchtsternen... Rakete mit Schlitz und beigelegtem Zettel für Wünsche, Träume oder gute Vorsätze im neuen Jahr... Tischbomben mit fetziger Überraschungsparty-Füllung... BleigießenFire-Cocktail mit imposanten Vulkanfontänen, römischen Lichtern, Sonnenvögel, lautstarken Reibkopfknallern, Silberwirbeln und trendigen Jugendfeuerwerks-Pyro-Hits... NeujahnusbrauchStepside-Final-Batterie "Hells Bells", optisch besonders auffallend mit unterschiedlichen Abschuss-Kalibern, schrillen Turbo-Heulern und abbiegenden Kometen... prächtige Fontänen gefolgt von 18 Knatteraufstiegen mit rubinroten und smaragdgrünen Sternen... bunter, lauter, präziser: die neue Generation der Feuerwerksbatterie mit ca. 30 m Effekthöhe, mächtigen Spinnen-Wirbeln und herrlich filigranen Goldstern-Buketts... Das fehlte bei uns alles, wie jedes Jahr, auch an diesem Sylvesterabend - nicht etwa, weil ich nicht auch gern mal mit home made explosives zündeln wollte, natürlich ohne anderen schaden zu wollen wie der Berkeley-Absolvent Theodor Kaczynski, sondern weil mir das Zeug einfach zu teuer ist und ich auf keinen Fall die Zündschnur an meine nicht üppige Banknotenbündelsammlung halten möchte. Zur Zeit könnte ich nicht mal das Streichholz aus der Schachtel nehmen, geschweige denn anstreichen, denn ich hatte meinen guten Rrrrrutsch mit nachfolgendem Aufprall schon am 29. Dezember auf einem verschneiten asphaltierten Ufer-Radweg unterhalb von Wiesen, durch die kleine Rinnsale herab in die Mosel tröpfeln und unter der Schneedecke unbemerkt vereisen. Kröver NacktarschBums, lag ich eine Schrecksekunde später auf dem Pflaster, der Kopf summte, blieb aber dran, eine kleine Beule war nach zwei Tagen verschwunden, nicht so der Schmerz im verstauchten Daumen, dessen Ballen ballonartig anschwoll und mir zu der Erkenntnis verhalf, weshalb uns die Delphine bei aller Intelligenz doch nie evolutionär überflügeln werden. Selbst wenn wir uns vorher ausrotten mit all den panzerbrechenden Massenvernichtungswaffen, die jetzt wieder ganz legal in die Ukraine bzw. nach Irak verschickt werden, so lange den Delphinen der oppositionäre Daumen fehlt, erreichen sie rein werkzeugmäßig nix, und dass ich das hier tippen kann, ist nur meinen Fingern und der leichtgängigen Tastatur zu verdanken. Natürlich gab es in dem Moseldorf, wo wir uns aufhielten, weit und breit keine Apotheke, schon gar keine Erste-Hilfe-Station! Anderntags in Trier bekam ich etwas Mobilisierendes gesalbt und noch ein paar Schmerztablettchen, von denen ich mich seitdem ernähre (keine Angst, ins Fondue sind die nicht gefallen). Gut, ich hätte das auch im 11 km entfernten Traben-Trarbach bekommen, wo sogar allerlei Geschäfte zwischen Weihnachten und Neujahr geöffnet sind, selbst an den Feiertagen - (Grund ist ein Wein-Nachts-Markt, der genau so geschrieben wird wie unten am Parkverbotsschild), aber bei dem Schneefall nochmal das Auto zu mobilisieren, war mir zu lästig.

    Zwei MoselentenJedenfalls haben wir uns auf die Operation Bleigießen besonnen, wobei wir die Raketenstellungen unserer Nachbarn jenseits des Rasen- bzw. diesseits des Raserstreifens, deren Treiben man anderntags an einem ungeheuren Haufen verschmorten Plastik- und Papiermülls ablesen konnte, gar nicht bombardiert haben. Wir sind schön zuhause geblieben und erhitzten ein bleiernes Glöckchen und ein unkoscheres bleiernes Glücksschwein im Löffel und warfen den verflüssigten Inhalt desselben in ein Wassertöpfchen... heraus kam etwas, das man, nun ja, in einem Fall mit viel gutem Willen als "Blume", im anderen nur als Mrxzkrszfzpriö beschreiben könnte, und beide Begriffe finde ich nicht auf der Rückseite der Schachtel, wo sich eine Liste mit Deutungsvorschlägen fand: Angel - Pack das Glück beim Schopf, Baby -  Familie wird größer, Besen - hüte dich vor der Schwiegermutter, Fächer - Jag den Mief aus deinem Leben, Galgen - Häng nicht so durch, Gurke - hüte dich vor Brillenschlangen, Nikolaus - Du trägst eine schwere Last, und so weiter im Alphabet bis Tasse - Pfeif auf Kartenleger, Ufo - Besuch aus großer Ferne, Vulkan - Bremse deine Leidenschaft, Waage - Erfolg im Rechtsstreit und Ziege - Du wirst gemolken.

    Tja, und heute früh ist das alles auch schon wieder Geschichte und das Neue Jahr hat begonnen (mein Lieblingskarikaturist zeichnete zwei Leute am Böller-Marktstand, der eine: Jetzt ist auch schon wieder ein Jahr rum, der andere: Sushi-Opfer zum Neuen JahrLängerfristig gesehen sind sogar noch mehr Jahre um als nur das eine), und ich hab ein paar dieser Holzstangen eingesammelt, weil ich neue Tomaten daran Köln feiert ordentlichJanusköpfiges Traben-Trarbach-Monumentemporbilden werde, und die Hundehaufen vom Rasen auf den Bürgersteig gekickt, wo sie meiner Meinung nach hingehören. Auf dem Neujahrsspaziergang hat sich nicht nur am vielsprachigen Stimmengewirr erwiesen, dass wir eine echte Multi-Kulti-Stadt geworden sind, sondern auch bei Beobachtung der verschiedenen Neujahrsbräuche. Während sich die Einheimischen verschworen haben, den orangekostümierten Heinzelmännchen möglichst viel Scherbendreck und halbleere Sektpullen am Rheinufer zu hinterlassen, damit die was zum Wegräumen kriegen, begrüßte ein Fernost-Imbiss in der Südstadt die Geister des kommenden Jahres mit einem Sushi-Gericht. Wir fanden dieses Menü auf dem Fensterbrett vor dem Schaufenster, hübsch dekoriert auf einem Tablett, einem prickelnden Glas Sekt und einem langen Räucherstäbchen. Erst dachten wir, das habe sich z. B. ein Taxifahrer bestellt, der beim Warten unversehens einen Kunden bekam und deshalb abwesend war. Das brennendes Räucherwerk ließ aber auf eine Kulthandlung schließen - Opfergaben fernöstlicher Abschieds- und Willkommenskultur für das mit einem Fuß abtretende, und mit dem anderen eben erst eingetroffene Jahr. Zwar gilt dieser Laden als Thailänder, und in Thailand feiert man Neujahr erst im April, wobei man sich mit Wasser bespritzt und mit Babypuder bestreut, um sich langes Leben und Kindersegen zu wünschen (was in größeren Städten angeblich zu wahren Wasser-und Babypuder-Schlachten führt). Aber wer will wissen, welcher Nationalität die Putzfrau oder der Küchengehilfe ist in dem Laden, - die meisten "Italiener" werden inzwischen von Kurden und Syrern betrieben, hab ich mir sagen lassen. Und an den Kalender des Ursprungslandes wären Geister, die man rief und mit einem Sekt und einer Rohfisch-Auswahl auf Reis versöhnen will, ja auch nicht gebunden.

    Apropos, der ferne Osten im reichen Westen - wusstet ihr, dass Trarbach zweitausend Buddha-Statuen beheimatet? "Die Buddhas benehmen sich übrigens äußerst unaufdringlich, so wie Buddhas eben sind: Tolerant, verständnisvoll und ohne Moses Parkerlaubnisdas geringste Interesse, ihren Gästen irgendwelche Ansichten aufzudrängen. Sie wirken und überzeugen durch ihr bloßes So-Sein. Doch sollten Besucher tiefergehendes Interesse äußern, zur Kultur ihrer Herkunftsländer, zu ihrem bisweilen ungewöhnlichen Habitus, zu ihrem Denken, so haben die Buddhas dafür Personal angestellt, ein kleines engagiertes Team, das darauf wartet und sich freut, Fragen zu beantworten oder auch durch das ganze Haus zu führen. " So weit die Selbstdarstellung... Das Buddhamuseum haben wir aber NICHT besichtigt, weil uns schon das Mittelmoselmuseum auf den achtfachen Pfad geschickt hatte, weshalb wir uns den Besuch für ein anderes Mal aufsparten. Eine fernöstliche Physiognomie zeigt übrigens auch die Doppelkopf-Skulptur, die der Bildhauer Jürgen Waxweiler aus einem 220 Millionen Jahre alten Stein gefertigt hat. Sie steht seit September 2011 am Verkehrskreisel der B 54 (Moselufer eingangs der Grabenstraße), den man benutzen muss, um in Trarbach zu parken. Der Stein trägt noch Spuren von "versteinerten Wellen", die man allerdings nur oben auf dem Kopf sieht, wenn man hinaufklettert. Die beiden Gesichter gucken in verschiedene Richtungen - nach Traben und Trarbach eben, zwei Städte, die in ewiger Hassliebe miteinander verquickt sind wie Leuwen und Louvain, Bensberg und Gladbach, Barmen und Elberfeld. Die Sushi-Portion war für Neujahnus gedacht, den doppelköpfigen Gott, der ins vorige und aufs neue Jahr blickt, aufs asketische Buddhamuseum und in den lichterglänzenden Wein-Nachts-Markt. Möge er euch allen einen guten Aus- und Eingang bereiten - und ein knöllchenfreies Parken obendrein.


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