• Mitteilungsbedürfnis meiner Nachbarn

    Hilfe, mein Kühlschrank spricht! Mit diesem Schreckensruf meldete sich vor Jahrzehnten eine besorgte Hausfrau im Radio, und schon hörte man den Kühlschrank dazwischenquatschen: er wolle ja nur sagen, dass der Frischkäse zur Neige geht... BuchstabensuppeIch fand schon damals die rhetorische Brillanz und Eloquenz bei einem Elektrogerät bemerkenswert. "Zur Neige geht", so gewählt würde sich mein Computer nie ausdrücken - da heißt es höchstens schnarrend-militärisch "Speicherplatz voll" oder "Akku leer". Ob der Kühlschrank, wie mein PC, auch schriftlich kommuniziert? Möglicherweise ja, wenn er ein Alphabet sein eigen nennt. Das könnte man ihm vielleicht mit einer kaltgestellten Buchstabensuppe verschaffen, z. B. die aus der Tüte,Hilfe, Exquisa antwortet! für deren Kauf ich mich neulich entschied, weil mir das Wort "Suppenliebe" gefiel. Ich kannte bisher nur die "Suppenlogik", und zwar "Suppenlogik mit Knödelgründen", von welcher der Dichter Heinrich Heine in seinem Gedicht von den Wanderratten behauptet, nur sie fände Einlass im hungrigen Magen, ferner Argumente von Rinderbraten, gespickt mit Göttinger Wurstzitaten. Natürlich täte es statt jener auch ein Frischkäse, doch inzwischen wurde ich einer neuen Geschmacksvariante ansichtig, die mich zweifeln lässt, ob es sinnvoll wäre, dem Kühlschrank nun auch noch Exquisa-Französisch beizubringen, das jedenfalls im Schriftlichen zu wünschen übrig lässt. Das Wort "à la" kann sich doch, Lehrerinnen aufgepasst, schlechterdings nicht auf den maskulinen griechischen Salat beziehen, oder? und wenn schon Kreation mit C, sollte man den accent nicht vergessen.
    Das bringt mich zu meinem eigentlichen Thema, dem Mitteilungsbedürfnis der Bewohner in meiner neuen Umgebung. Natürlich redet man immer mal wieder ein paar Takte miteinander, wenn man Hausbewohnern im Flur begegnet, aber das mein ich jetzt nicht. Allgemeine Botschaften an jene, die man nicht kennt, werden schriftlich übermittelt: Protest am BauzaunProtest am BauzaunNachdem ich mich (eine Nebenstraße weiter) schon über die blühenden Stiefmütterchen gefreut hatte, die hinter dem Bauzaun an einem dauerrenovierten Reihenhaus aufgetaucht waren, musste ich nun erfahren, dass es sich um eine Protestmaßnahme handelt. Garten statt Rampe! Das, was da ein Garten genannt wird, war den Winter über allerdings (vom Vogelhaus abgesehen) weitgehend unbelebt. Nur die Mahnwache am Bauzaun fehlt noch. So ganz habe ich nicht kapiert, wo die Rampe entlanggeführt werden und ob dann ein Glaslift an jedem Haus angebracht werden soll; offenbar will man einige der Häuser oder das am Ende der Reihe neu zu bauende "behindertengerecht" gestalten, und hier kommen die Genossen mit den Gartenfreunden ins Gehege. Angesichts des Altersdurchschnitts in diesem Viertel ist der Gedanke, einige der Wohnungen für ältere Stiefmütterchen rollstuhl-begehbar zu gestalten, allerdings nicht ganz von der Hand zu weisen. VerlustanzeigeLinks und rechts vom Vordereingang lassen sich doch auch Vorgärten bepflanzen (wie wir's vor unseren Fenstern tun), und:
    Wenn ich euch dann die Lampen richt',
    dann steht auch ihr im Rampenlicht!
    Möglicherweise füchtet man aber Vandalismus und Diebstahl; vor kurzem hatte ein Bewohner der Straße seinen Oleander vor die Tür gestellt, und der wurde dann als Sperrmüll missdeutet und - wie man vermutet - von einem jener Bedürftigen mitgenommen, die immer mal wieder die Entsorgungs-Tonnen der lieben Nachbarn nach Brauchbarem durchsuchen (so wie ich mit meinem Container-Abo des Kölner Stadtanzeigers und anderer Periodika). Die obige Verlustanzeige lässt allerdings die Bezifferung eines Lösegelds vermissen! - Eierdiebe kennt man auch in Zollstock, in der nächstgelegenen Shoppingmeile, wo sie Eingang in politische Botschaften finden. Auf Pflasterschrifteiner Litfasssäule hat sich ein Zeitgenosse Gedanken über Ökosünder gemacht, die aber nicht das einzige Problem der Demokratie sind, und diesen einen etwas wirren Ausdruck verliehen, den ich auch nicht recht zu deuten vermag. Dioxin im EiEine saftige Strafe wäre fällig, aber welche und weswegen? Ebenso sonderbar und noch schwerer zu entziffern sind die Andeutungen, mit denen möglicherweise ein im Schreiben noch nicht recht geübtes Schulkind den Rand des Bürgersteinpflasters an der Endhaltestelle der Bahn vollgekritzelt hat. Soll es eine Obszönität sein? Vielleicht war es das Kind des Dorfanarchisten, der seinen Kleinbus ständig um die Ecke vor dem Café Metternich parkt. Sabotage-AufrufDiesen potenziellen Attentäter ("Metternich und Messerstich", Gedicht von Robert Prutz!) habe ich auch in Verdacht, die hier allmorgendlich der Straßenbahn zustrebenden Arbeitnehmer zur Sabotage aufzurufen. Anarcho-Auto 1Anarcho-Auto 2Zur Ehre des Viertels sei gesagt, dass der Kleber (links) kurz danach wieder verschwunden ist. Nicht so die unheilvoll schwarze Karosserie mit aufgemalten Einschusslöchern, zudem reichlich anmaßenden provokativen Aufforderungen, die vom Gleichheitsgedanken des Anarchismus weit entfernt sind. Der Hoftypograph des Königs kennt neben ziemlich altmodischer Fraktur nur die in Holz gebrannte Schrift, mit der VAT-69-Whiskybuddeln etikettiert sind. - Vermutlich kann die Polizei gegen solche Parolen nichts unternehmen. Anarcho-Auto 3Der Halter des Gefährts scheint überdies einer nicht verbotenen Organisation anzugehören, der "Anarchistischen Terror-Front". Linke waren ja schon immer ganz groß im Abkürzungen-Erfinden, z. B. Komintern, NKWD, NÖP, DDR, DKP, DBDDHKP. "Anarchistenkongress, das klingt für mich wie das Wort Einsiedlerschule!" hat Tucholsky mal gesagt. Aber wieso der Raderberger Anarcho von der Monarchie schwärmt, ist mir schleierhaft.  Tja, einige sind eben gleicher als andere, selbst in der Anarchie!Was immer ihr Ziel Schlägt man von hier den Weg in die Markusstraße ein, gelangt man nach zwei, drei Minuten zu einem Friseur, der mit anrührenden moralischen Appellen um Kundschaft wirbt. Der sei auch mal dem Anarchisten empfohlen (sein Auto könnte auch mal wieder gewaschen werden). Wie man sich überhaupt manches zu Herzen nehmen sollte, z. B. die Aufforderung "Kopf einziehen" an der Severinstorburg, die allerdings nur denen gilt, die auf den großen Prunkwagen im Rosenmontagszug stehen. Ich hatte schon berichtet, dass der Zug hier früher endete (auf der anderen Seite des Tores, versteht sich) und Fußtruppen in die eine, Gespanne mit Pferden in die andere Richtung geschickt wurden. Die brauchten also keine Angst vor den Zacken der Falltür zu haben. Wahrscheinlich wären sie auch viel zu benebelt von Gesang, Schunkeln, Ovationen, Kusshändchen und Kölsch gewesen, um den Ausgang zu finden. Wie jetzt die Prunkwagen-Mitfahrer mit dem Nadelöhr der Severinstraße zurechtkommen, weiss ich nicht. Immerhin haben die auch schon ein wenig "vorgeglüht", wenn der SeverinstorburgZug zum Start hier durchmuss. Manchmal bleibt der Zug ja auch stundenlang stehen, weil es vorne irgendwo knubbelt. Mir wäre ja ein wenig mulmig, wenn ich unter den spitzen Holzlatten zu stehen käme, ob das nicht doch eine böse Falltür ist? Und ob es da eine so gute Idee war, das Wort "Kopf" in Gelb zu setzen und die eigentliche Aufforderung darunter, rot auf schwarz, auch noch zu dehnen und zu sperren? Manche von den Promies (Podolski, Meyer-Landplag) und Karnevalsfunktionäre hoch auf den bunten Wagen werden erst recht die Hälse recken, um genauer zu lesen, und ZACK! ist es passiert. Und darunter haben alle zu leiden, denn der wirft dann erst mal keine Kamellen mehr von der Reling...


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  • Commentaires

    1
    karinkornelia Profil de karinkornelia
    Mardi 15 Mars 2011 à 16:01

    Recht so, diese pseudofranzösische Pseudogourmetsprache muss in ihrer ganzen Dummheit entlarvt werden. Und die Griechen haben es auch nicht verdient, dass man ihren Salat kleingehäxelt in einen schmierigen Käse versenkt, der noch nie ein Schaf gesehen hat.


    Aber wieso regst du dich über den Anarcho-König auf? Hast du nicht das Haupt unter der Krone gesehen? Le roi est mort!

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    2
    hdorn
    Mardi 15 Mars 2011 à 17:34

    Savez vous planter des choux - à  la mode de chez nous?

    Diese kritzeleien und vieldeutigen Aufforderungen bringen mich zum grinsen, wenn Julie LOL bei uns auf die Flurwand schmiert, dreh ich durch und sehe rot. Wie beeinflussbar sind Kinder, junge dumme Mädchen, fürchterlich.

    Die Lektüre war köstlich, 

    und griechischen Salat mach auch lieber selbst



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