• Lebendlaube nach Jacob Lorber und Swedenborg

    In Bad Grönenbach gibt es einen hübschen großen botanischen Kräutergarten, in dem eine lebensgroße Figur des Sebastian Kneipp Wache hält. Sie ist mit einer Priesterkutte aus Stoff bekleidet und hat zwar keine Füße, aber Lederschuhe, allerdings ist einer schon ziemlich kaputt, da regnet es rein. In der Hand hat Sebastian Kneipp ein frommes Buch mit einem Kreuz drauf. mon blog retrouvé...In dem Garten gibt es jede Menge Kräuter und Heilkräuter, manchmal unter sonderbaren Sortierungen wie "Bibel- und klerikale Pflanzen". Zwischen den Erklärtafeln, die jeweils den lateinischen und den (manchmal ebenso sonderbaren) deutschen Namen der jeweiligen Pflanzen nennen, finden sich auch solche mit Sinnsprüchen wie "Geduld ist eine Pflanze mit bitterer Wurzel, deren Frucht nicht jedermann schmeckt - persisches Sprichwort" oder "An einem geöffneten Paradiesgärtlein gehen alle achtlos vorbei, aber sie weinen darum, wenn es geschlossen wird - Gottfried Keller" (Zitate nur sinngemäß aus dem Kopf wiedergegeben). An der Gärtnerhütte finden sich lustige Holzgesichter, die als Insektenhotels aufgehängt wurden, deren Gäste anschließend für das Bestäuben der Kräuterlein und Blümlein sorgen. Links und rechts neben dem Gärtchen befindet sich ein "Lehrbienenstock", auf der linken Seite kann man selbst die Tafel öffnen wie eine Schranktür, dann sieht man eine Glasvitrine, unter der die Bienen herumwimmeln und Waben bilden; der Bienenstock rechts ist viel größer und da ist ein ständiges Kommen und Gehen, wie auf dem Stuttgarter Hauptbahnhof in ein paar Jahren. Weiter hinten zum "Hohen Schloss" zu (das übrigens während der Bauernkriege mal geschleift worden ist - man fragt sich staunend, wie der Memminger Haufen das geschafft hat mit Sensen und Äxten), gibt es einen weiteren Garten, der größere Pflanzen, Salat, Rhabarber und auch Gemüse enthält. Aber auf der Wiese hinter dem Kräutergarten findet sich etwas sehr Interessantes: zwei "Lebendlauben" und ein "Lebendstuhl" (in den ich mich ganz bequem hineinsetzen konnte).

     

    Lebenlaube nach Lorber mit Gesicht

     

    Die beiden Lauben sind aus verflochtenen Ästen gefertigt und man kann sie gut auf der Internetseite von Hermann Fritz Block sehen (hier habe ich eigene Fotos eingestellt). Er hat diese Lauben und den Stuhl gepflanzt und ein Buch über die notwendige gärtnerische Technik geschrieben, das bei der Kurverwaltung von Bad Grönenbach und natürlich auch in jeder guten Buchhandlung sowie beim Verlag erhältlich ist.

     

    Eingänge zur Grönenbacher Lebenlaube

     

    Die Lauben sind sehr angenehm schattig, man kann in ihnen aufrecht stehen und findet auch bei leichtem Regen einen gewissen Schutz. Sobald es aber stärker regnet, wird man wohl lieber eine Kirche oder ein Antiquariat aufsuchen wollen, und letzteres ist hier schwer zu finden. Auf den Hinweisschildern vor den Lauben steht zu lesen, sie seien "nach Kundgaben (!) von Jacob Lorber und Emmanuel Swedenborg" errichtet worden. Beide kenne ich als esoterische Autoren, Swedenborg war ja der berühmte Geisterseher, der im April 1745 seine erste Christusvision hatte. Eine ausführliche Biographie, dazu Linksammlung und Fanseite von Swedenborg  findet sich hier. Lorber, der slowenische Pietist, den es nach Graz verschlagen hatte, arbeitete eigentlich als Musiklehrer und Komponist, setzte aber alles daran, die ihm von einer inneren Stimme namens Jehova, Gott von Ewigkeit, der Wahrhaftige und Getreue, der Erste und der Letzte, Jesus Christus diktierten Bücher zu schreiben, angefangen mit "Die Haushaltung Gottes". Eine interessante Biographie zu diesem Autor findet sich hier. (Wikipedia-Quellen gebe ich hier nicht extra an, die sind leicht aufzufinden.)

    Der Schöpfer der Bad Grönenbacher Laubenkolonie schreibt hierzu:

    Hier noch eine kleine Erklärung und Deutung zum Anhang und zu Jakob Lorbers und Swedenborgs „lebendigem Haus“.

    Unser Thema „lebendiges Haus“ spielt in den Werken dieser beiden im Anhang zitierten „Schreibknechte Gottes“, nur eine beiläufige Nebenrolle. Bei dem Gartenbauingenieur (später nannte er sich Naturbau – Ingenieur) Arthur Wiechula, sind diese Worte allerdings sofort auf fruchtbaren Boden gefallen. Doch viel wichtiger ist, was eigentlich gemeint ist mit diesem „lebendigen Haus“. Denn in der geistigen Entsprechung ist mit dem Haus auch unsere seelische Behausung gemeint. Das ist unser, für sich selbst toter Erdenleib. Diesen bewohnt, bewegt und benutzt unsere Seele solange wir uns in dieser materiellen Welt aufhalten. Wer in seinem Leben nur nach materiellen Gütern strebt, nur für seinen Leib sorgt, nicht aber auch für seine ewig leben sollende Seele, ist derjenige, der sein Haus statt mit lebendigen Gehölzen, mit faulendem, totem Holz baut, den die Stürme des Lebens am Ende leicht unter sich begraben können.

    Über diesen 1941 mit 74 Jahren verstorbenen Gartenbau-Ingenieur Arthur Wiechula findet man merkwürdig wenig im Internet, obwohl sich die Freunde des ökologischen Bauens heute gern auf ihn berufen. Hier z. B. die Webseite des Baumland-Vereins. Merkwürdigerweise gibt es nur in der englischsprachigen Wikipedia einen knappen Eintrag über seine Biographie. Und hier zeigt eine US-Webseite auch einige Bilder aus seinem Buch. Offenbar schwebten ihm sogar mehrstöckige Häuser aus geflochtenen lebenden Ahorn- und anderen Bäumen vor. Inwieweit Wiechula von christlichen Esoterikern inspiriert war, vermag ich nicht zu sagen. Aber seine famose Idee, ganze Häuser um Bäume herum zu gruppieren bzw. auch noch Möbel aus ihnen erwachsen zu lassen, hat doch ein eindeutig heidnisches Vorbild aus viel, viel älterer Zeit: das Bett des Odysseus, das die arme Penelope so lange erfolgreich gegen die Freier verteidigt hat. Anna Seghers hat diesem Baum des Odysseus in "Die drei Bäume" ein Denkmal gesetzt. Aber hören wir Odysseus selbst, wie Homer ihn reden lässt beziehungsweise der gute Joh. Heinrich Voss uns souffliert:

    Innerhalb des Gehegs war ein weitumschattender Ölbaum
    Stark und blühendes Wuchses; der Stamm glich Säulen an Dicke.
    Rings um diesen erbaut' ich von dichtgeordneten Steinen
    Unser Ehegemach, und wölbte die obere Decke,
    Und verschloss die Pforte mit festeinfugenden Flügeln.
    Hierauf kappt' ich die Äste des weitumschattenden Ölbaums,
    Und behaute den Stamm an der Wurzel, glättet' ihn ringsum
    Künstlich und schön mit dem Erz, und nach dem Maße der Richtschnur;
    Schnitzt' ihn zum Fuße des Bettes, und bohrt' ihn rings mit dem Bohrer,
    Fügete Bohlen daran, und baute das zierliche Bette,
    Welches mit Gold und Silber und Elfenbeine geschmückt war;
    Und durchzog es mit Riemen von purpurfarbener Stierhaut.

    Gut, er hat ihn an der Wurzel "behauen", wahrscheinlich lebte der Ölbaum nicht mehr, aber "geglättet" usw. sind die Lebendhütten in Bad Grönenbach auch. Aus dem Stuhl (der allerdings auch mit einer Art Drahtkonstruktion gegengestützt wird) wächst mit frischen belaubten Trieben die Lehne empor.


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  • Commentaires

    1
    Jeudi 5 Août 2010 à 02:13

    Diese Hütten sehen super aus, aber ich kann fast fühlen, wir mir die Spinnen auf den Kopf fallen, wenn ich darin sitze.


    Ich habe jetzt übrigens doch meine Reisepläne geändert, auch ein bisschen inspiriert von dir, da ich noch nie die Anna Amalia-Bibliothek gesehen habe, auch noch nie in Dresden war und dann gar nicht weit von Breslau wäre. Gibt es denn da wohl noch Spuren von Paul Barsch?

    2
    Petit Larousse Profil de Petit Larousse
    Jeudi 5 Août 2010 à 10:39

    nö, Spinnen sind da nicht, außerdem kann man die Mütze aufbehalten. - Matthiasstraße 16 dritter Stock, da wohnte Tante Miezchen (Marie Muthreich) zuletzt 1941 laut Breslauer Adressbuch (am Kriegsende war sie mit meinem Vater, der noch 1 Semester studieren durfte, in Berlin und mußte also nicht flüchten, aber natürlich war alles  in Schlesien geblieben). In der Universität hatte man 1910 Barschens Büste aufgestellt, aber ob die noch steht, glaube ich eher nicht, oder sie ist in irgendein Oberseminarstübchen verbannt wie die Varnhagenbüste in Berlin im Konferenzraum. Ich würde den alten jüdischen Friedhof mit dem Grab von Ferdinand Lassalle aufsuchen, das ist bestimmt interessant, und das Stadtmuseum, vielleicht kennen sie die "Dichterschule"...

    Muzeum Miejskie Wrocławia
    ul. Sukiennice 14/15
    50-107 Wrocław
    Polen

    3
    Petit Larousse Profil de Petit Larousse
    Jeudi 5 Août 2010 à 10:41

    Im gotischen Rathaus am Rynek soll ein "Museum der bürgerlichen Kunst" untergebracht sein, das eine Galerie berühmter deutscher und polnischer Breslauer zeigt. Und es gibt ganz gute Breslau-Krimis von Marek Krajewski...

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