• Lappen versus Plastikkarte

    Im Dezember war's also auch bei mir so weit - weg mit dem guten alten grauen Lappen (und nein, es handelte sich nicht um den ängeblichen "Schriftstellerausweis" einer von mir längst verlassenen Gewerkschaft (Abbildung ähnlich), der mir einst gute Dienste leistete, als ich die BNF in Paris besuchen wollte), den ich so selten vorzeigen musste, dass er praktisch wie neu war, und umtauschen gegen eine blöde Scheckkarte, Lappen versus Plastikkartegenau wie vor gar nicht langer Zeit den noch-nicht-maschinenlesbaren Perso im halben Din A 5 Format, der das bis dato gültige, ebenso unscheinbar grau broschierte Raubvogel-Bestimmungsbüchlein ersetzt hatte. Plattgefahrene Vogelsilhouetten wären ja nun auch auf dem Führerschein die angemessene Deko gewesen, aber wie ich höre, hat ein pensionierter Biologe namens Knutzon mit Flattened Fauna hier bereits ein Grundlagenwerk geschaffen, das auch vom Nebelspalter nicht übertroffen werden konnte. Ich hatte das Dokument erst in meiner fortgeschrittenen Twen-Phase erworben, und da ich seit vielen Jahren kein Auto mehr mein eigen nenne, weshalb, wie gesagt, mein Führungszeugnis blütenweiß und mein graues Kraftfahrzeugführungszeugnis quasi ohne Abnutzungsspuren war - nur das Foto entwickelte sich zurück und erschien seit einigen äh, Jahren denn doch etwas zu jugendlich. Die freundliche Beamtin im Bürgerhaus, die meinen Antrag auf fristgerechte Neu-Ausstellung entgegennahm (die alten sind seit 19. Januar für meine Altersgruppe ungültig), konnte sich vom Anblick meines alten Ego gar nicht losreißen und glaubte sichLappen versus Plastikkarte einer vagen Jugendbekanntschaft zu erinnern - "Larousse, Larousse", wiederholte sie zweifelschmunzelnd, "den Namen kenn' ich doch, auf welche Krankheiten sind Sie spezialisiert, Herr Doktor?" Ich aber verneinte den Dr. med und redete mich auf Germanistik heraus. Behörden gegenüber halte ich gern an meiner "Ingo C. Nito"-Identität fest, bzw. mag es nicht, mit Jugendsünden konfrontiert zu werden, ohne dass ein Schwamm zum Drüberbürsten zur Verfügung steht. Daher verwies ich die Beamtin auf meine ähnlich-namige Nichte, die im Umland des nahen Überschwemmungsgebietes ein Impfzentrum organisiert hat, vielleicht kenne sie den Namen von daher. Einen Lockdown später konnte ich den neuen Permis von der inzwischen umgesiedelten Schalterhalle abholen. Man muss das nicht glauben, aber wegen Restaurierung der Innenstadt ist das zuständige Meldeamt jott-weh-de ins Industriegebiet gezogen, wohin zu Tageslichtzeiten auch alle paar Stunden mal ein Bus verkehrt, aber noch hatte ich ja den alten Schein und den Wagen meiner Frau. Und an dem Bürgerhaus, das in einer Fußgängerzonen-Lauflage beheimatet war, ließ sich die Behörde seit Corona gegen das Volk, dem es doch dienen soll, abschotten, und auch hier - wo man jeden feindliche Aufstand von weit her anrücken sähe, wird das sogenannte Bürgerhaus von einer phantasie-uniform-geschmückten "Security" umringt, die jeden Antragsteller in die Schranken seines Drängelgitters verweist. Wetterharte Typen, Russenmafia, oder haben den Syrien-Bürgerkrieg überlebt. An denen kommt keiner vorbei. "Du wollen wo?" wird man auf Migrantsch angeherrscht, "du gebbe Personalweis, gebbe Führeschein" und schon entschwindet der bärtige Salafist mit meinen Identitätsnachweisen (seh' ich die je wieder?),Lappen versus Plastikkarte zu deren Einsichtnahme sein Job ihn gewiss nicht bevorrechtet, kehrtLappen versus Plastikkarte zurück mit listigem Zwinkern in den Augen, als hätte er mehr für mich rausgeholt, eine trinkgeldwürdige Guttat verübt, und gibt (endlich!) den Weg frei. Nach einigem Murren eines zweiten uniformierten Sbirren (Bemängeln meiner Mundschutzvorrichtung) durfte ich an einen Schalter treten, hinter der eine wesentlich ältere Bürokraft saß und grußlos nach meinem Begehr fragte. Sie interessierte sich keinen Deut für mein Jugendbildnis und bellte statt dessen: "mal kontrollieren, ob alles stimmt", und ich sinnierte nach, ob mein Geburtsdatum auf der Plastikkarte stimmte, während sie meinen recyclebaren alten Führerschein mitleidlos mit UNGÜLTIG überstempelte. Nicht nur, dass der Austausch eine schöne Stange Gebühren kostet - ich hatte den Fahrlehrer bezahlt, die Prüfungsgebühr und was nicht alles, und jetzt wieder. Die alte Erlaubnis berechtigte zum Betrieb von allerlei Lastkraftwagen, die ich heut nicht mehr lenken darf! Die vor Weihnachten kurz aufblinkende Chance zum  beruflichen Neubeginn im britischen Speditionsgewerbe, wo es seit dem Brexit an fahrendem Volk fehlen soll, ist damit zunichte gemacht. Wie hab ich mich auf den Linksverkehr gefreut! nicht rechtzeitig ins Ausland abgesetzt, Pech. Und war der alte Permis auf Lebenszeit ausgestellt, so verliert die Scheckkarte ihre Gültigkeit automatisch nach 10 Jahren, dann darf man wieder beantragen und blechen. Allerdings bin ich dann Mitte 70 und sehe schwarz, ob man dann noch am Straßenverkehr teilnehmen darf, angesichts des Jugendwahns in unserer so schnellfahrenden wie kurzlebigen Zeit!


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  • Commentaires

    1
    Golfclub
    Mardi 1er Février 2022 à 11:27

    Hättest du den grauen Lappen überhaupt noch nutzen dürfen, wenn du dir irgendwann ein zeitgemäßes Elektroauto zulegtest? Denn eigentlich warst du ja nur zum Führen von Verbrennungsmaschinen berechtigt. Nun fallen wohl die Lastwagen und Dieselloks für dich raus, aber auch mit Aussicht auf ein komfortables Alter ist es doch schön, dass die elektrischen Rollstühle hinzugekommen sind. Und bei Polizeikontrollen kannst du fortan auch sagen, du seist zu schnell gefahren, weil du zu einem Notfallpatienten unterwegs bist. Oh pardon, Herr Doktor, wir eskortieren Sie. 

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