• Inselflora

    Zuletzt erwähnte ich wohl den vitaminhaltigen, säuerlich-zitronigen, mit Zucker genossen aber sehr leckeren Sanddorn. Wenn es ein Symbol für die Wesensart der Friesen gibt, repräsentiert dieses stachlige HagebuttenblueteGewächs wohl die Widerstandskraft, das zähe Festhalten an Traditionen und das gewaltsame Abwehren aller Versuche, die Beerenfrucht aus dem Dorn zu puhlen. Gabel mit scharfen Zinken, Messer, Rosenschere - alles versucht, eine spitze Schere, mit der man das krumme Geäst in kurzen, effektiven Vorstößen herausschneidet, hat am ehesten geholfen. Aber während man versucht, die Beerenkolonie aus dem Dornenbett herauszuoperieren, zerquetscht man ein ums andere Mal die Beere selbst und der für das Kochvorhaben ungenutzt blebende Saft spritzt einem ins Gesicht,Silhouette der Hagebutte in die Augen, auf die Klamotten, als würde man von der letztlich doch unterlegenen Pflanze haßerfüllt angespieen! Die Dornen schlitzen nicht nur die Plastiktüten auf, sie bleiben ein gefährlicher Gegner, selbst wenn man nach getaner Arbeit auch nur die Reste beseitigt. "Sanddorn sprach, ich steche dich..." Das Küchenfenster, in dessen Nähe ich schnibbelte, konnte ich nachher dreimal abwienern, und fand immer noch Saftreste. Erst mal eingekocht, mit Orangensaft und Gelierzucker, soll das ein vitaminhaltiges und schmackhaftes Gelee ergeben... mal gespannt! Übrigens war das meiste wegnahe Sanddorngestrüpp schon abgeerntet, und auf den Dünen darf man bei Todesstrafe nicht herumkraxeln. Sonst kommt um Mitternacht der Deichgraf Hauke Haien auf dem Pferdegerippe, die Seegras-Sense drohend erhoben... Wir haben aber immer noch Stellen gefunden, wo sich Beeren üppig knubbelten, und zwar an touristisch besonders stark frequentierten Ecken, z. B. wo der Strand einen angenehmen Treppenzugang hat. Die Fremden trauen sich nämlich nicht an den Sanddorn heran (steht vielleicht auch unter Naturschutz, weiß man's?), wir haben auch erst damit angefangen, als wir eine junge Frau beobachteten, die sich den Fahrradkorb mit Sanddorn füllte. Ich vermute, es sind Einheimische, die den in dieser kargen Landschaft einzigartigen Früchtesegen pflücken und an die Marmeladenfabriken des Emslandes verhökern, wo der Gelee in neckische Souvenir-Gläschen mit Friesensprüchen umgefüllt, auf die Insel zurücktransportiert und dort im Andenkenladen feilgeboten wird. Ein zweites Hauptgewächs auf der Insel ist die ubiquitäre Hagebutte, die wir eigentlich als Marmeladenergänzung auch noch sammeln wollten. Die Komplikationen bei der Saftgewinnung aus dieser Frucht schreckten mich aber von der weiteren Ernte ab, auch hätten die zwei Säckchen wohl nicht genug ergeben, um nennenswert Marmelade draus zu kochen. Das probieren wir mal mit einheimischer Hundsrose aus (bei einer kleinen Fahrradtour ins Rechtsrheinische habe ich schon im September gesehen, wie Anwohner der Flüchtlings-Unterkünfte zwischen Stammheim und Holweide die Früchtchen ernteten). Hagebutte und Sanddorn verleihen den hellgrünen hügeligen Dünen den orangeroten Schimmer. Ansonsten wachsen hier Moose und Flechten in ungeahnter Vielfalt, Gebüsch und Gestrüpp und gelegentlich windschiefe Pappeln und Birken. Gebüsch mit RebhuhnDie Blumenpracht in den Gärten kann sich natürlich mit allen kontinentalen Ansprüchen messen, und wahrscheinlich gedeiht das meiste sogar besser hier, unbelastet von Abgasen und Überdüngung. In den Gärten spazieren in Scharen die Fasanen herum, dieHagebuttensilhouette dort selbst in der Jagdsaison nicht erlegt werden dürfen  - "die wissen das", meinte ein Einheimischer. Zwei Drittel der Insel sind übrigens Naturschutzgebiet und man kann dort zwar gehen, aber es ist teilweise sumpfig, mit Wanderschuhen nicht so angenehm, weshalb wir diese Wanderwege nicht komplett abliefen. Ansonsten ist alles von schönen Wiesenmatten bedeckt, beispielsweise die Trasse der Inselbahn, die vom einstigen Hafen in die Stadt Spiekeroog führte (wir lernten den langjährigen SchGleisbett der Inselbahnaffner auf der Strecke kennen, der gewissermaßen zu meiner Familie gehört, auch wenn wir nicht direkt verwandt sind.) Im Bahnhof ist noch ein Museum für die Inselbahn errichtet. Das Heimatmuseum haben wir auch besichtigt und unter den vielen Ölschinken, Aquarellen und Zeichnungen der Umgebung nach Inseldarstellungen eines Malers gesucht, der aber nicht vertreten war. In dem Heimatmuseum fanden sich allerlei alte Werkzeuge, Ladenschilder, Spinnräder der Nachfahrin des Kölner Bankiers Pferdmenges, der hier ein Landhaus besaß und wohl viel für die Insel getan haben soll, z. B. die Eisenbahn finanziert. Ehrenbürger von Spiekeroog war auch Johannes Rau, den man sogar mal zur Kandidatur als Bürgermeister überreden wollte, und auch Richard von Weizsäcker soll sich hier gelegentlich aufhalten. Für uns der ideale Urlaubsort, wir waren ja auch öfter auf Ischia, immer wenn Angela Merkel dort Entspannung suchte (und in den heißen Quellen der deutsch-italienischen Pension, in der wir dort zu gastieren pflegten, haben auch die hundertjährigen Gliedmaßen Leni Riefenstahls gebadet, igitt - ich fand ihre Signatur in einem Bildband der Gästebibliothek, in dem ich blätterte, als wir auf das Inseltaxi zur Fähre warteten). Übrigens gibt es auch regelrechten Wald auf der Insel und wenn ich mich nicht irre, habe ich Knochenreste eines Bibers gefunden - Unterkiefer mit zwei säbelförmigen Nagezähnen und Watschelfußknochen, wenn das kein Massaker unter mehreren Tierarten war... Aber zur Fauna komme ich in Kürze in der nächsten Folge.


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  • Commentaires

    1
    karinkornelia Profil de karinkornelia
    Lundi 12 Décembre 2011 à 11:03

    Die leckerste Marmelade ist Erdbeermarmelade, und die Erdbeeren wehren sich auch nicht. Das Leben könnte so einfach sein.

    2
    karinkornelia Profil de karinkornelia
    Lundi 12 Décembre 2011 à 11:15

    Wenn dieser Winter sich endlich entschließt, die Blumen konsequenter blühen zu lassen, schenke ich dir meine Erbeerpflanzen, dann hast du die Marmelade im Hinterhof. Im Moment blühen bei mir immer noch die Rosen, kürzlich sah ich einen blühenden Kirschbaum.



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