• Bücher vor Weihnachten wegschmeißen?

    Klar, was sonst! Aber dieses Jahr springen keine Bücher von Amazon, sondern ausschließlich aus unserer eigenen Bibliothek über die Klinge. Und bei ebay oder Amazon darf ich sie schon gar nicht einstellen, weil ich dann ein Gewerbe anmelden müsste. Leider verschwinden die kleinen Antiquariate, die gelegentlich noch was angenommen hätten. Bonner Lebkuchen-RathausDie meisten Antiquare würden am liebsten Gebühr nehmen, damit sie sich überhaupt mal zu einem Blick in die angeschleppten Bananenkartons bequemen. Und Flohmärkte, da könnte ich Romane drüber schreiben. Es gibt kaum noch Laufkundschaft, die sich für Titel oder Autor interessiert. Wer an eine Flohmarkt-Grabbelkiste mit Büchern tritt, wägt die schweinsledern gebundene, vom längst verstorbenen Kultautor signierte Erstausgabe minutenlang mit spitzen Fingern - in der Denkblase bildet sich der Stoßseufzer: "Bücher! hat das überhaupt noch Zukunft? Die Leute schreiben sich heute doch alles selbst, in ihren Blogs..." -, lässt den Papierklotz wieder fallen, ohne auch nur einen Cent herauszurücken, und geht federnden Schritts, noch einmal kopfschüttelnd: "Bücher..." vor sich hin murmelnd, weiter. Na dann eben nicht. Geben wir die Bücher umsonst her. Aber nicht an Flohmarktspekulanten, sondern an pennyless people, die gar nichts ausgeben können, und sich daher dort umsehen, wo Bücher nichts kosten: in den Selbstbedienungsschränken oder -kästen, die mancherorts in der Fuzo herumstehen (z. B in Bonn, der Stadt, die von einem telekom-gesponsorten Lebkuchenhaus aus regiert wird), oder in Garderoben-Ablagen von studentischen Bibliotheken. Ein (zugegeben recht ungalantes) Lied von Paul Simon besingt fünfzig Methoden, sich von seiner Geliebten zu trennen: "Just slip out the back, Jack, / make a new plan, Stan, / no need to be coy, Roy, / just get yourself free..." - Über meine Trennungserfahrungen beim (umzugshalber notwendigen) "Freilassen" oder besser, Sichbefreien von einst und z. T. nicht weniger leidenschaftlich geliebten Büchern will ich berichten!Universitätsbibliothek Köln
    Verliebt, verlobt, verheiratet, geschieden, heißt ein alter Kinderreim. Doch von Pater Pereira (Muss ein Junge daran scheitern?) über Erich Fromm bis zu Stendhal: die "Kunst des Liebens" kann man überall erlernen, die Kunst des Entliebens und Trennens wird nur dilettantisch ausgeübt. Sammeln von Kulturgütern und Bewahren von Traditionen gilt wie selbstverständlich als rühmenswert - dass aber zum Sammeln auch das Auswählen, Verzichten, gar das Wegschmeißen gehört, will niemand wahrhaben. Und wehe, in den Briefen seiner Ehefrau Rahel, von denen K. A. Varnhagen gut 6000 eingesammelt und ein Menschenalter lang gehütet hat, erweist sich nach 200 Jahren ein Billet an Pauline Wiesel als fehlend, dessen Eintreffen ein Gegenbrief belegt - prompt heißt es, der Nachlassverwalter habe es "verbrannt" (Rahel Levin Varnhagen: Briefwechsel mit Pauline Wiesel, hrsg. v. Barbara Hahn, Nachwort der Herausgeberin). Dass es die Empfängerin verschlampt oder ihrem Witwer vorenthalten haben, dass es bei Rahels Lebenwanderungen von Berlin nach Schlesien, Prag, Töplitz, Wien, Baden bei Wien, Frankfurt a. M., Baden-Baden, Karlsruhe und zurück nach Berlin, bei der Überführung ihres Nachlasses von Berlin über Zürich nach Florenz, von Florenz über Berlin nach Krakau verlorengegangen sein könnte - das kann nicht sein. Der böse Sammler hat's in die Flammen geworfen. Und wenn schon? Er war der Universalerbe, es gehörte ihm. Aber aus irgendeinem geheimnisvollen Grund war das, was verlorengegangen ist und was keiner kennt und was nie wieder jemand finden wird, immer das Beste, Schönste, Aussagekräftigste gewesen.
    Wie auch das Buch, das man aussortiert hat, mit 100%iger Sicherheit wenige Wochen später ganz dringend benötigt wird, weil jemand es ausleihen will, ein Zitat gesucht oder der Titel noch einmal verifiziert werden muss (gut, letzteres geht im Internet, und mit etwas Glück findet man das Zitat bei google.books). Warum ist das Abschiednehmen von Büchern so kompliziert? Komplizierter als das Fortschaffen von Butterbrotpapier, verjährten Telefonbüchern oder Golf-Beilagen der Frankfurter Allgemeinen Zeitung? (Wie heißt es bei Paul Simon: The problem is all inside your head, she said to me...) Gut, bei teuren Literatur- und Kunstzeitschriften (art, grafik novum, akzente etc.) gestaltet sich die Sache schon schwieriger.Hürther Bücherzelle Sie türmen sich mit all dem andern Wust (Telekom-Erstzeichner-Aktien, Mahnbescheiden und Stasi-Personalakten aus der Gauck-Behörde) unter dem Couchtisch. Der beste Platz für Gedrucktes und Gebundenes wäre doch eigentlich der blaue Container - Papiermüll, sofern es sich nicht um experimentelle Prosa oder Porno-Heftchen handelt (dann gehören sie in den Sondermüll). Wir haben doch auch kein Problem damit, funktionierende Gasherde, PC-Bildschirme und Fahrräder in die Schrottpresse zu geben. Aber irgend etwas in uns sträubt sich, schließlich handelt es sich um ein Kulturprodukt. Haben nicht die Nazis zuletzt Bücher verbrannt...? Aber was ist mit den vielen zwischen 33 und 45 erschienenen Büchern der "völkischen" Literatur, die schon in meiner Jugend massenhaft die Flohmärkte füllte, die Regale der Alträucher verstopfte? Blunck, Bruno Brehm, Dwinger, Agnes Miegel, Josefa Berens-Totenohl etc. pp.? Die neuere deutsche Germanistik hat sie durch kritische Aufarbeitung geadelt (z B. Theweleit, Männerphantasien - verdammt, hab ich das eigentlich schon aussortiert? ich lese es ja doch nie mehr, auch nicht das Buch der Könige Teil I b oder sonst etwas von dem Autor, den ich trotz seiner blendenden Linksromantiker-Kolportage letztlich doch für einen Scharlatan halte) und daher zieren sie heute wieder jede Seminarbibliothek.
    Wie schon das Rote Kreuz bei den Altkleidersammlungen und die Wertstoff-Annahmestelle des "Umweltzentrums West" (in der Nähe meiner alten Wohnung), wo man Altmetall, Elektrokram und Hausrat abliefern kann (keine Teppiche und nichts aus Holz), was sie teils instandsetzen und in einer Verkaufshalle preiswert verscherbeln, hat sich eine neue Mitleidsindustrie auch der von ihren Besitzern verstoßenen Bücher angenommen. Auf Initiative von Bürgern oder Stadtbibliotheken - die allerdings auch ihren eigenen Überschuss, womöglich gegen kleines Geld, loswerden wollen -, stellt man Schränke, Kisten oder ausrangierte und mit Regalen ausgestattete Telefonzellen auf, in Bonn allein gibt es sechs Sammelstellen. Dort stellt man seine Schätzchen unter, bis einer vorbeikommt, der gerade mal wieder ein Buch braucht (vielleicht sogar gerade das?) und es mitnimmt.Bonner Bücherschrank Bei diesen Kästen herrscht allerdings eine "negative Selektion" vor, alles einigermaßen Wertvolle wird bald mitgenommen, zurück bleiben Buchklub- und Readers-Digest-Ausgaben, die Gratisbücher aus Werbeaktionen und sonstiger Buchschrott. Da bringen wir mit unserem eher intellektuellen Angebot wieder Leben in die Bude. Man muss nur aufpassen, nichts Vorhandenes mitzunehmen und womöglich mehr nach Hause zu bringen, als man wegschaffen wollte! 
    In meiner Kindheit waren Absender Nikolaus Stuck (ein Junge, der andauernd Briefe schreibt) von Hertha von Gebhardt und Das Haus mit den schiefen Fenstern (eine Geschichte, wo sich ein Junge in einem geheimnisvollen Nachbardorf einen Vater kaufen kann) von Britt G. Hallqvist meine absoluten Lieblingsbücher (die geb ich nicht her, sie liegen grade als gesondert transportierte Kostbarkeiten auf meinem Schreibtisch) Als ich mein erstes literarisches Buch bekam (ausgerechnet Und keiner weint mir nach, von Siegfried Sommer, aus einem Heyne-Prospekt ausgesucht, und irgendwas US-Amerikanisches von einem Schriftsteller mit Nachnamen Disney, leider war es ein anderer und nicht der Erfinder von Micky Maus) war ich etwa zehn. Meine Mutter hatte einen riesigen Bücherschrank. Allerdings las sie nicht viel, es war das Erbe meines Vaters, vorwiegend Rezensionsexemplare oder Werke der Exilliteratur von Alfred Kerr, Heinrich Mann, Feuchtwanger und Co., die mein Großvater aus der DDR schickte. In dem Schrank konnte ich mich fleißig bedienen, Tabus gab es nicht. Aber Hörspiele und Dramen konnte man viel schneller weglesen als dickleibige Romane von Feuchtwanger oder Heinrich Mann, so wurde ich ein früher Anhänger von Heinz Schwitzke, Ingeborg Bachmann und Brecht (Furcht und Elend des Dritten Reiches, danach wußte ich alles!). Dann beann eine lange Perry-Rhodan-, SF-, Ray-Bradbury-Phase und sehr viel später kam noch Tolkien, der Harry Potter meiner Jugend dazu.
    Jedenfalls schien der Besitz von Büchern (am besten natürlich auch das Lesen) in den späten 1960er Jahren erstrebenswert. Es war irgendwie geil, auf der Höhe der kritischen Theorie zu sein mit Marcuse, Wilhelm Reich oder mit dem schwierigen Adorno (den ich noch heute zu lesen und zu verstehen suche). Manche von denen - Ernst Bloch - hab ich noch persönlich als Vortragsredner erlebt. Da hatte ich bereits kapiert, dass seine Thesen schon in den Titeln der Werke enthalten sind (Atheismus im Christentum, Avicenna oder die aristotelische Linke, Das Prinzip Hoffnung, Experimentum Mundi) und die Werke seine Lesefrüchte zur jeweiligen These nachliefern. Irgendwie breitete sich in mir damals die Vorstellung aus, auch ich müsse eine enzyklopädische Bibliothek für alle mich entfernt interessierenden Wissensgebiete zusammentragen: Geschichte aller Epochen, Musik, Philosophe, Meditationsliteratur aus China, Indien und Tibet (I Ging, Mahabharata, Gedichte aus dem Rig-Veda, Sri Aurobindo), Mythen, Heilkräuter, Astronomie und Raumfahrt (die Mondlandung verhalf mir zu einer Mondkarte und zum ersten signierten Buch, Das Weltall und seine Entdeckung von Günter Doebel). Deutsche Literatur, na klar, die interessierte mich schon, weil ich ein Germanistikstudium anfing. Von allen Autoren, die ich mag, oder die ich auf Dichterlesungen erlebte (incl. Signaturwünschen) ein, zwei Bücher, von einigen Werkausgaben (die Freundin einer Freundin verschaffte mir ein gutes Dutzend Meyers' Klassiker-Ausgaben, DDR-Zwangsumtausch sorgte für Aufbau-Klassiker, Lexika, Literaturgeschichten), Außerdem wollte ich alles von Arno Schmidt lesen und alles, was er gelesen oder übersetzt hatte. (Möchte vielleicht irgend jemand da draußen dänische oder französische Übersetzungen von "Aus dem Leben eines Fauns" haben? oder eine dänische Auswahl dt. Gegenwartsautoren von 1970 mit Signaturen von Wolfdietrich Schnurre und Wolfgang Hildesheimer?) Dann kamen noch einige andere Namen, von denen "Alles", jedes Werk, jeder Essay- oder Briefband, jedes kleinste Anthologie-Fitzelchen gesucht und gefunden wurde. Als ich dann studierte, mußten Kindlers' Literatur-Lexikon und neue, bessere Ausgaben her. Natürlich auch von Engländern, Franzosen, Russen, Tschechen etc., alles, was gut und teuer ist: der ganze Swift, alles von Sterne und John Donne und Joyce (aber lese ich Finnegans Wake im Original in diesem Leben noch?), Dos Passos, Robert Frost,  Camus, Sartre, Queneau und (meiner schweizerfranzösischen Freunde halber) Ramuz; Stanislaw Jerzy Lec, Karel Capek, Bulgakow, Daniil Charms, von Tolstoi Anna Karenina und Krieg und Frieden (hörte letzteres kürzlich in 1000 Folgen im Radio, statt es zu lesen), Dostojewski, Gogol, Jurij Trifonow, Louis Paul Boon, Anthony Burgess, Lewis Carroll, die Südamerikaner und noch ein paar Dutzend mehr. Broschuren gab's damals für umgerechnet 25, später 50 Cent auf Ramschtischen, die direkt am Wegrand vom Bahnhof zur Uni lagen. Billig-Bouvier wurde mein Stammlokal, wo ich mehr Zeit verbrachte als im E-Raum! Zudem brach die Zeit von Zweitausendeins-Buchpaketen und "im Schuber" verpackten Taschenbuchklötzen an (ich sage nur: Goethes Weimarer & Hamburger Ausgaben, Grimmsches Wörterbuch, Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens usw., usw.).
    Ja, ich bekenne mea culpa, es war nicht normal, ich war nicht ganz dicht, es war Suchtverhalten, ich beging die Kardinalsünde der voluptas (Völlerei). Dafür belohnte mich Abend für Abend der Anblick der bunten, verheißungsvollen Buchrücken, und das beruhigende Gefühl, jederzeit etwas herausgreifen und lesen, zitieren oder vorlesen zu können (ich liebe Rückenansichten, aber nicht dass ihr glaubt, ich sähe mir alles, was ich mag, nur von hinten an, da wurde von vorn, seitwärts und in allen denkbaren Positionen geblättert, gelesen, gelacht und geseufzt - sitzend, liegend, stehend, beim Essen und Zähneputzen, kartoffelschälend oder Pizzateig knetend, und natürlich auf dem Klo).
    Schließlich wurde ich in einem Verlag angestellt und kriegte neben der Gesamtproduktion vieles von anderen Verlagen, auf Buchmessen, in Verlagsetagen, augenzwinkernd von stolzen Autoren zugesteckt... Ich wurde Übersetzer, Herausgeber, Autor - noch mehr Werbeexemplare und Belege. Anrufer im Oktober vermuteten zu Recht, dass ich von den soeben gekürten Literatur-Nobelpreisträgern (z.B. Neruda, Canetti, Claude Simon, Kértesz, Naipaul) immer schon ein, zwei Bücher im Regal haben könne (traf aber nicht immer zu). Gottlob kam ich in keine Literatur-Jury, sondern rezensierte vorwiegend "nur" CDs, die dann ebenfalls über mich hereinbrachen, aber das ist ein andres Thema. Schließlich meine Dissertation, die mir ermöglichte, den Ankauf vieler schöner Erstausgaben des 19. Jhds. steuerlich als Fachliteratur zu behandeln. Und endlich die Vereinsgründung: noch mehr Bücher, als Geschenke, Werbeexemplare, unverlangte Zusendungen von Leuten, die beurteilt (aber nur gelobt!) werden wollen, die selbstherausgegebenen Bücher des Vereins, und so weiter, und so weiter... Graffiti an der Kölner UBAber wie verhielt sich das alles zu den asketischen Idealen meiner Jugend? "Intensiv leben, früh sterben" (Janis Joplin), "die vielen Dinge machen uns arm" (Indianerweisheit), "nie mehr mitnehmen, als man mit einer Hand tragen kann!" (Jonathan, ein Motorradfreak und Gras-Dealer)??? Bei einer Zählung, die ich vor etwa fünfzehn Jahren unternahm, hatte ich 3.500 Bücher, heute wird es mehr als das Doppelte sein. Ich habe jedes Exemplar kürzlich in der Hand gewogen und eingepackt, und werde bald wieder jedes Exemplar in die Hand nehmen. Und ja, ich habe ich von vielem bereits getrennt und werde noch mehr aufgeben. Just get on the bus, Gus, you don't need to discuss much... Unten im Keller habe ich 5 Kisten in 3 Reihen zu einer Höhe von 4 Kisten getürmt, macht 60 Bananenkartons prallvoll mit Büchern (getragen haben wir immer die halben Kartons, wäre sonst zu schwer), ein summendes Kraftwerk aus Büchern, eine wahre Fußbodenheizung des Geistes. Aber es enthält immer noch zuviele Brennstäbe und darf keine Endlagerstätte werden.
    Nehmen wir den Autor Alan Sillitoe: Ich liebte ihn abgöttisch, seine sozialkritisch-realistischen Kurzgeschichten törnten mich an, alle Romane von der Einsamkeit des Langestreckenläufers über Samstag nacht und Sonntag Morgen bis zu Nihilon - brauche ich das noch? Nein. Auch Bücher, die ich sehr liebte, von Marquez, Singer und Co. sind nach oft mehrmaliger Lektüre abgeliebt und bedürfen keiner Erneuerung. Das Beste davon habe ich im Kopf. Auch anderes, darunter manches Alt- oder Fremdsprachliche, werde ich es je lesen, mich in die Fremdprache vertiefen, auf keinen Fall Griechisch, aber noch einmal Latein angehen? Alles von Goethe, Heine und Co. behalte ich (noch), das meiste aus der neueren deutschen Literatur, natürlich Widmungsexemplare und liebe Geschenke, aber die mittelhochdeutschen Ausgaben? Das Statistik-Lehrbuch? Die Alfred-Adler-Bände und die vielen politischen Schwarten, Psycho-Kommunardenliteratur, Rudi Dutschkes Sozialismus-Analysen, in sozialliberaler Belle Epoque ein kritischer Stachel, heute längst überholt? Ein Buch aus dem Werkkreis Literatur der Arbeitswelt hab ich dem penetrant-altstalinistischen, lernunfähigen Autor kommentarlos zurückgeschickt. Marxens Kapital in 3 Bänden ließ ich fahren (nicht allerdings die köstlichen Briefe); behalten werde ich Adorno und (vermutlich) auch den Bloch, vielleicht nehme ich es auch mit Kant oder Hegel als Leser nochmal auf... vielleicht ist das falsch oder auch das noch zuviel des Guten. Esoterik ging dahin, Soziologie & Politik weitgehend, von Geschichte blieben nur Standardwerke, Linguistik und Kommunikationstheorie ist längst weg. Mythen- und Märchenbücher aus aller Welt, da überlege ich noch, ob ich mich auf diesen noch unberührten Kosmos dereinst einlasse.
    Andrang am Bonner BücherschrankAndrang am Bonner BücherschrankDas meiste haben die Studenten der Uni Köln gekriegt, alle paar Tage rollte ich einen großen Rollkoffer zur Ablage. Es war auch alles bald verschwunden (vielleicht sieht man manches auf Flohmärkten wieder), nur die dänischen Ausgaben von Robert Neumann  lagen länger herum. Auch die UB Bonn hat so eine Ecke, zudem gibt es dort den Bücherkasten (dessen Transfergeschäft sich die Studenten der Marktforschung nicht erklären können), wohin Kornelia den Versailler Vertrag, Oswald Spenglers Untergang des Abendlands, die Dokumente zum Zweiten Weltkrieg und den gesammelten, veralteten "Gebhardt" (eine historiographische kommentierte Bibliographie) brachte. An einem Sonntag glaubten wir schon, zuviel mitgebracht zu haben, aber nach einem Spaziergang durch Bonn war, wie wir zur Poppelsdorfer Allee zurückkamen, die Hälfte der Fuhre weg, und wir konnten nachlegen - worauf es zu einem regelrechten Ansturm kam, man ließ uns kaum durch! In die Hürther Zelle kam die leichtere Kost für Hausfrauen und Bauernburschen: Stephen King, Kochrezepte, Reisebücher, Zeichen- und Bastelanleitungen, von mir übersetzte Thriller und Liebesromane (anstatt anständiger Honorare gibt man verlagsseitig gern mehr Belegexemplare, mit denen man allerdings im Bekanntenkreis, wenn es literarisch von minderer Güte ist, auch nicht grade Ruhm erwirbt). Leichtere neuwertige Unterhaltungsromane kriegt Kornelias Mutter für einen Basar, wo ebenfalls Bücher für gratis oder für kleines Geld zu gutem Zweck verteilt werden. Kurz, die papierne, gedruckte und gebundene Weisheit, die in den letzten 25 Jahren stagnierte, kommt wieder in den Fluß. Und dagegen ist doch nichts einzuwenden, oder?

     


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  • Commentaires

    1
    karinkornelia Profil de karinkornelia
    Lundi 6 Décembre 2010 à 21:15

    Gruselig!!!

    2
    Petit Larousse Profil de Petit Larousse
    Mercredi 8 Décembre 2010 à 13:22

    Aberaberaber, lies erst mal zu Ende - und lass dich nicht provozieren. Die Container,von denen hier die Rede ist, werden ja von neuen Lesern geleert. Und es kommen noch genug zur Hinrichtung (hin und wieder begnadige ich auch noch eins), vielleicht auch erst zur Sommerreifensaison. Falls du dann in der Nähe bist, selbstverständlich gratis. Das beste hast du ja schon! - Und: In meines Vaters Haus gab's keine Wohnungen, nicht mal das Haus. Hinterher ist alles ein Platzproblem. Man darf sich auch mal trennen von Büchern, mehr sollte dieser Blogeintrag nicht sagen, oder soll ich warten, bis sie mich ins Altenheim resp. in die Grube fahren? Da ist erst recht kein Platz mehr - und wehe, jemand kommt auf die Idee, mir alles von Böll, Heine, Hesse, Kempowski, Weiss, Walser, Wieland etc. etc. in den Sarg zu legen, dann wird's mir zu eng!

    3
    Brennerverbuchung
    Jeudi 9 Décembre 2010 à 08:44

    Wird vom Kremateur (oder "Kremator"?) sicher gern gesehen - da sie als Brandbeschleuniger wirken.

    4
    Vendredi 10 Décembre 2010 à 07:39

    Begrabt mich in einem IKEA-Regal... aber nehmt die Bretter vorher raus.

    5
    Sunny59
    Vendredi 10 Décembre 2010 à 14:43

    so viel Mut zu sehen tut mir gut! Ich ersticke im Papierkram, kann kaum Zeitungsartikel wegschmeißen, also euer Mut ist mir ein gutes Beispiel, auch mal auszumisten oder vernünftig die Schâtze unters Volk zu bringen .

    6
    karinkornelia Profil de karinkornelia
    Dimanche 12 Décembre 2010 à 16:30

    Kein Wunder, dass die Buchläden sterben, wenn doch die Bücher ganz umsonst im Park stehen.  Erinnert ihr euch noch an die Bücherstadt Bredevoort, in der letztendlich auch die Antiquariate starben und nur noch Bücherreagle an Hauswänden blieben. Ich war lange nicht mehr da, denn man kann nirgendwo mehr parken, also wie sollen die Leute in dieses gottverlassene Nest gelangen?


    Gestern haben wir auf dem Weihnachtsmarkt übrigens hübsche Steintafeln zu 49 € gesehen, die sich sehr schön als Grabsteine eignen würden, muss ja nicht immer groß sein. Die Frau am Stand war wohl nicht glücklich über unsere Interpretation. Also bitte verbrennt mich nicht, stellt mir eine nette Tafel auf mit Namen, Geburts- und Sterbedaten, Blogadresse und keltischem Triscel. Nur weil es dekorativer ist als ein Kreuz. Und in die Kiste könnt ihr mir auch was legen, Zettels Traum unter die Füße, Faust I und II in je eine Hand, Villon unter den Kopf, bloß keine Schulbücher.

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    7
    Kornelia
    Lundi 13 Décembre 2010 à 09:50

    Wir haben uns diesen Sommer schon inspirieren lassen können. Unsere Ferienwohnung war eine liebevoll gepflegte

    http://www.bookcrossers.de/bcd/help/buch-freilassen

    Zone.

    Auch meine Mutter hat mit Ihren Nachbarinnen eine solche kleine Tauschbörse für "Schmöker". Neuerdings untermalt mit künstlichem Kaminfeuer vom Vlatsreen (es knackt so schön und das Holz brennt so langsam runter) lesen meine Eltern in den Winterabend hinein.

    8
    Petit Larousse Profil de Petit Larousse
    Lundi 13 Décembre 2010 à 10:03

    Da gibt's ein Problem: Der Tragödie erster und zweiter Teil erscheinen in der Regel als Doppelpack. Was nun: von Graf Luckner auseinanderreißen lassen und in je eine Faust legen, oder die Hände sittsam um Bd. 1 der Hamburger Ausgabe falten?!

    9
    Kornelia
    Lundi 13 Décembre 2010 à 12:35

    Es macht nicht immer Sinn alles zu teilen - manchmal kann man auch Texte gemeinsam genießen, wenn sie vorgelesen oder vorgetragen werden.

    10
    karinkornelia Profil de karinkornelia
    Mardi 14 Décembre 2010 à 12:21

    Stimmt, Kornelia, geteilte Freude ist doppelte Freude. Aber Faust I und II kann man doch teilen, Goethe hat es ja irgendwie auch getan. Gibt es die nicht in zwei unterschiedlichen Reclambändchen? Denn ich möchte in der Kiste schon gern eine Faust ballen bzw. zwei, keine sittsam gefalteten Hände. Ich denk nochmal drüber nach, hoffentlich habe ich noch soviel Zeit, wie ich glaube.

    11
    karinkornelia Profil de karinkornelia
    Mardi 14 Décembre 2010 à 12:24

    Graf Luckner ist übrigens gut. In meiner bibliophilen Sozialisation gab es auch einen Seeteufel, heute serviert man den ja nur noch mit jungen Kartoffeln.



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