• Bessere Nachbarn als diese finden wir überall

    Heute um 8.00 geht es los. Alle Schränke sind geräumt, der Inhalt verpackt, Regale etc. abmontiert, Bilder abgehängt, 100.000 Einzelteile (vor allem Bücher und Ordner) schon in der neuen Wohnung... Mal sehen, ob mein Nachbar, der so gern die Parkplätze meiner Wohngegend möbliert, den Parkplatz vor dem Haus freimacht, damit die Möbelpacker das Umzugsgut nicht um seine Höllenmaschinen herumbugsieren müssen. Er stellt auch Motorräder links und rechts von seiner Einfahrt so auf, dass er praktisch über zwei Grundstücke einschließlich aller Parkplätze gebietet.Drei Parkplätze für einenBitte freilassen, Herr Nachbar
    Freundlich gebeten haben wir ihn schon per Schild.
    Aber er hat schon angedeutet (nicht mir persönlich, sondern im Vorbeigehen meiner Frau), er habe dann "Dreharbeiten", müsse nachts arbeiten, unsere Umzugsfirma soll den Kasten doch vor seine Einfahrt stellen - dabei hat er zwei halbwüchsige Söhne. Aber da ist noch ein PKW, augenscheinlich mit platten Reifen, der parkt seit vielen Monaten dort, ohne bewegt zu werden - ebensowenig wie der Nachbar seinen Schrott. Darüber, dass kein anderer dort einparkt, wacht die selbsternannte concierge im Erdgeschoss, die auch gern mal Post von mir in ihre Wohnung nimmt, der Briefträger reicht sie ihr plaudernd durchs Fenster, statt sie in den Briefkasten zu stecken oder dem Adressaten auszuliefern, selbst wenn der persönlich herunterkommt. Sie passt auf, dass hier nur ihre Freunde parken und hat außer einem Teddy in Polizeiuniform, der eigentlich für durch Unfall o. ä. traumatisierte Kinder vorgesehen ist (sie ist bei jedem Unfall, jedem Blechschaden, jedem Notarztruf in der Straße als erste Sachverständige vor Ort), sogar einige dieser humorigen deutschen Schilder im Fenster: Vorsicht, bissiger Nachbar! und Wer hier parkt, fährt auf Felgen heim. Heute hat sie ihren großen Tag, bei schönster Aussicht, denn die Arbeiter müssen mit meinem Hausrat unter ihrem Fenster defilieren, und das kann dauern, wenn der Parkplatz nicht - wie es unter netten Menschen mit guter Sozialisierung selbstverständlich wäre - für drei oder vier Stunden geräumt wird. Wir werden sehen!

    Ein paar Stunden später:
    Tatsächlich, der Anhänger blieb stehen, die Halter ließen sich nicht blicken, ebensowenig wie der des immobilen PKW, der seit Monaten wie einzementiert vor dem Haus stand; ich glaube, er hat platte Reifen.Bitte-freihalten-Umzugsschild (Inzwischen durch Winterreifen ersetzt, ein Motorrad des Filmmagnaten steht hält jetzt dort den Platz besetzt.) Jedenfalls musste unser türkisches Helferteam vom Niederrhein in der 2. Reihe parken und Autoverkehr ein bisschen, den Fahrradverkehr stark behindern. - Natürlich gibt es in dieser Gegend auch noch andere Zeitgenossen, die mit ihrem Krempel die Straße dauerhaft möblieren. Diejenigen, die ihre Bierbuddeln auf jedem Mauervorsprung oder Blumenkasten abstellen, hinterlassen wenigstens keine unvertilgbaren Spuren, da die Sammlergilde das Pfandflaschengut alsbald beseitigt (Unbepfandetes, wie die Coffee-to-go-Becher vom nahegelegenen Subway-Imbiss, bleibt liegen). Andere, die gegenüber im Hypermarché eingekauft haben, lassen gern ihre Pfand-Einkaufswagen stehen. Radler, die ihres Drahtesels überdrüssig sind - vielleicht sind es auch Studenten, die unversehens in die äußere Mongolei auswandern - , ketten ihn am Laternenpfahl oder anderswo an und kommen nie wieder her, um ihn abzuholen. Daher gibt es kaum Parkplätze für Radler. Die besseren Funktionsteile werden nach und nach abgeschraubt, der angekettete Rumpf bleibt. Man sollte Nummernschilder einführen - für Räder und für Einkaufswagen, deren Nutzer notfalls den Plastikchip drinlassen den Euro mit der Kneifzange aus der Anschließvorrichtung reißen, um den Warenkorb am Straßenrand auszusetzen. Letzteres ist aber nicht ungünstig, wenn man umzieht und Nachbarn ihre Mobilien stur vor dem Haus stehenlassen. In so einen herrenlosen Einkaufswagen kann man bis zu drei Bananenkisten mit Büchern zum entlegen geparkten eigenen Auto transportieren. Als die Familie meines Hauswirts weggezogen war und fünf Wohnungen bei uns leerstehen ließ, hatte er gleich die Park- und Gesetzeslücke entdeckt und nutzt nun den Platz gewerblich, auf den Madame Pseudo-Concierge - vielleicht ebenfalls gewerblich? - ein Auge für ihn hält.

    Man hätte ein absolutes Halteverbot erwirken und ein Verkehrsschild mieten können, das kostet allerdings 33 € Gebühr zzgl. Schild-Miete, und der Nachtmahr wäre doch nicht abgerückt und hätte das Knöllchen von max. 25 € in Kauf genommen, mein Nachbar ist so drauf, dem ist das wurscht, und die Polizei hätte ihn wegen der Bagatellverkehrsstörung vermutlich nicht abschleppen lassen. Also hatte ich mein eigenes Schild gebastelt, und weil es so schön ist und die Sperrmüll-Abfuhr auch den Ständer nicht mitgenommen hat, lasse ich es noch eine Weile liegen, vielleicht mehrere  Jahre? Damit jeder sieht, wes Geistes Kind die Leute hier sind.  Fahrrad und Einkaufswagen Und dann gibt es noch den französischen Nachbarn, den Hersteller von Pferdestärkendroschken, der immer neue Blechkisten anliefern lässt, mit ebenfalls in der zweiten Reihe stationierten Transportern, aber zum Abstellen der Verkaufsware okkupiert er wenigstens nicht die öffentlichen Parkplätze, sondern hat sein eigenes riesiges Areal hinterm Haus. Außerdem entschädigt der Franzose die Anwohner anlässlich von offenen Verkaufs-Sonntagen durch Werbegeschenke wie Umhängetaschen oder Kaffeetassen mit Firmenlogo, während der Höllenmaschinen-Nachbar früher jedem, der auch nur im Fünf-Meter-Abstandsbereich von seinem Hof parkte, einen Zettel an die Windschutzscheibe zu heften pflegte: Sie behindern wichtige Dreharbeiten! (er leiht seinen Schrott, wenn er nicht grade vor meinem Haus herumsteht, an Filmproduktionsfirmen aus, offenbar läuft das Geschäft seit vielen Monaten schlecht). Lieferung neuer AutosDer Franzose hat einen einen eigenen Parkplatz für sein Angebot, statt öffentlichen Raum gewerblich zu nutzen, und zweitens macht er ca. viermal im Jahr Event-Sonntage ("keine Beratung! kein Verkauf!") mit Kaffee und Kuchen, Grillfleisch und Kölsch und Musikband für die gestressten Anwohner, die, wenn sie seine Marke fahren, mitunter auch mal ein Werbegeschenk abstauben. Das konnte mal ein Wasserball, mal eine Tasse mit Köln-Silhouette oder auch eine knallgelbe Umhängetasche sein (meine zweite beginnt mittlerweile auszufransen). Außerdem war der Service wenn auch nicht grade billig, so doch zuverlässig und freundlich, und gleich neben der Riesenfirme gibt's noch einen Pneu-Händler, wo nun die Sommerreifen unseres Wagens gelagert sind, was vorher in meinem Keller möglich war (wir lassen sie nicht auf der Straße herumstehen oder -liegen). Dort stauen sich, seit der erste Frost kam, auch jeden Morgen die Wechselwilligen in der 2. Reihe, bis Polente kommt und dem Spuk ein Ende macht.

    Gartenseite der alten WohnungAlles in allem hab ich gern hier gewohnt, bis vor einigen Jahren das Viertel herunterzukommen begann. Die Straße war laut, dreckig, eine Rennpiste für Verrückte, die sie für einen Autobahnabzweig nach Bonn hielten, wenn jemand sie zu überqueren wagt, wird nicht gebremst, sondern gehupt - und beschleunigt! und jede Woche gab es zwei Blechschäden, die vom Fenster im Erdgeschoss gut zu beobachten sind. Aber der Blick aus dem Küchenfenster (im Bild: das linke Dachfenster) auf den verkrauteten Garten des Hauswirts entschädigte für vieles, von hier kam auch gute Luft. Allerdings hatte ich noch andere Probleme im Haus: oben Ratten im Speicher, gegen die der Vater des Hauswirts Mausefallen auslegte - mit denen hörte ich die Viecher nachts Fußball spielen, am andern Tag fehlte der Köder.Im Keller verschimmelte Briefe Im Bad funktionierte die Wasserleitung nicht und gab nur ein dünnes Rinnsal ab, auf Besserung war nicht zu hoffen, ich solle den Hahn weiter aufdrehen, teilte man mir im Brief an den Mieterverein mit. Auch noch vor vier Wochen, als es um eine Mieterhöhung (!) ging, freilich ohne die Absicht, etwas gegen die feuchten Wände im Treppenhaus zu tun, oder gegen den nassen Keller,Garten-Blick aus dem Fenster in dem mir die dort deponierten Briefe der Jahre 1982 bis 1984 regelrecht verschimmelt sind.Gitarrenkoffer des Liedermachers Die hätten vermutlich nicht mal díe Restauratoren des Kölner Stadtarchivs mit ihrer Gefriertrocknungs-Methode zu retten vermocht. Von anderen Schätzen habe ich mich bei diesem Umzug gar freiwillig getrennt - mein alter, aber nicht mehr zu schließender Gitarrenkoffer, den ich auf vielen Liedermacher-Tourneen mit Aufklebern geschmückt habe, z. B. mit Werbung gegen Strauß bei der Bundeskanzlerwahl, für einen Feuerlöscher, für Hoyaer Fleischschweine oder für den Bonner Neanderthaler. Ich kann nun mal nicht alles aufheben und ein "Museum meiner selbst" eröffnen - dazu fehlt denn doch der Platz, wenn man einen Lebensort nach 25 Jahren aufgibt, um mit dem Partner in eine gemeinsame Wohnung zu ziehen. Vermissen werde ich vielleicht auch Möbelwagen vor dem Umzugshausmanche meiner Nachbarn, wie den mit Migrationshintergrund von gegenüber, der ganzjährig einen gitarrespielenden Weihnachtsmann auf seinem üppig bepflanzten Balkon hält. Möbelpacker und ZuschauerZur Weihnachtszeit stellt er zusätzlich eine aus LED-Lämpchen gebildete Gruppe von Leucht-Rehlein auf, ein Elch senkt und hebt perodisch den Kopf, als ob er in seinen Blumenkästen grasen wollte. Dieses Anblicks werde ich also zum kommenden Weihnachten entbehren müssen. Dieser Nachbar (er ist aber nicht des Besitzer des ominösen PKW) hat sich die Prozession meiner Möbel und des Hausrats allerdings auch nicht entgehen lassen, während meine Concierge, jedesmal wenn ich zu dem Fenster schaute, verbissen abwandte und in ihren EXPRESS guckte. Apropos EXPRESS, der hatte gestern die Schlagzeile Google-Street-View / Peinlich! / Das Stadt-Archiv steht noch - dieses Werbeblatt für eine kuriose Fotoserie pflückte ich mir noch vom Automatenkasten, um es als Andenken in meinem Keller aufzuhängen. - Ein großes Lob noch an die Duisburger Umzugsfirma, die im Hürther Wochenblättchen inserierte und das von uns vorbereitete Transportgut schnell, effizient und klaglos abräumte. Mein muskulöser 17jähriger Neffe (Rudersportler, ging danach noch zur Muckibude) hat auch mitgeholfen, und wir hatten ebenfalls unser Päcklein zu tragen. Jetzt ist erstmal alles vollgestellt in der neuen Wohnung, ohne Ordnung und Verstand, aber das wird sich noch ändern. Übrigens haben wir selbstverständlich noch die Treppe geputzt in dem Haus, wo ich bisher wohnte, von oben bis unten, wir sind ja kein asoziales Gesindel. Dafür empfehle ich mal einen Neujahrsbesuch vor der überbreit definierten Hauseinfahrt des Filmmagnaten. Der brennt in jeder Sylvesternacht ein Wahnsinns-Feuerwerk von Billigkracherpaketen ab und lässt die Überreste wochenlang liegen und latscht (oder fährt) da durch, bis sich die städtische Straßenreinigung irgendwann erbarmt und vor seiner Türe kehrt. Wenn er das noch für sich allein machte, meinetwegen, sowas soll's geben, aber wie gesagt, der Mann hat zwei Söhne im Alter meines Neffen... was die Sozialprognose angeht, kein gutes Vorbild!


    Tags Tags : , , , , ,
  • Commentaires

    1
    hdor Profil de hdor
    Samedi 20 Novembre 2010 à 10:19
    Ich wünsche euch einen stressfreien und erfolgreichen Tag, bestimmt seid ihr heute Abend wie erschlagen, aber glücklich!! Eine Freundin sagt oft: die Hoffnung stirbt zuletzt ...
    2
    karinkornelia Profil de karinkornelia
    Samedi 20 Novembre 2010 à 19:29

    Die arme Concierge, nun ist ihr einziger Schutzbefohlener und Beschützer ausgezogen. Wessen Post soll sie jetzt horten, wen bespitzeln und wem die Haustür vor der Nase abschließen? Findet sie jetzt noch etwas besseres als den Tod? Muss sie etwa nach Bremen umziehen? 

    3
    karinkornelia Profil de karinkornelia
    Samedi 20 Novembre 2010 à 19:33

    Gerade sehe ich in der Lokalzeit Köln, dass in Köln auf den Friedhöfen Kaninchen gejagt werden, weil sie die Gräber kahl fressen. Sterben ist also auch keine Lösung.

    4
    Samedi 20 Novembre 2010 à 22:26

    ...andererseits hat man's nicht mehr weit, wenn sich mal wieder eine Jagdgewehrkugel verirrt.

    5
    karinkornelia Profil de karinkornelia
    Dimanche 21 Novembre 2010 à 11:42

    War auf dem alten Gitarrenkasten auch ein Aufkleber vom Klever Radhaus?

    6
    Kornelia
    Dimanche 21 Novembre 2010 à 17:46

    Der Umzug verlief völlig reibungslos - schnauf - jetzt müssen erst einmal Möbel gerückt werden - was kommt wo hin, passt wo hin und dann kommen die nächsten Möbel an.

    Aber auch die alte Wohnung muss noch fertig gemacht werden. Herzensdinge her und hinüber.

    7
    Petit Larousse Profil de Petit Larousse
    Dimanche 21 Novembre 2010 à 19:23

    Radhaus-Aufkleber? nö. Kriegte ich nicht oder gab's nicht. Es sind auch eher Aufkleber origineller Natur, von den Spielstätten meiner Bardenzeit ist eigentlich nur der WDR (Radiothek) und der Club Kuckucksei in Nürtingen dabei gewesen. Aber von Greenpeace hatte ich mal ein Robbenbaby, das ist wieder abgeflattert. @h'dor die Hoffnung ist putzmunter, warum sollte sie sterben? Das nicht ganz freiwillige Herausreißen aus dem Lebenszusammenhang stimmt einen maulhängkolisch, aber nicht mutlos...

    8
    Kornelia
    Lundi 22 Novembre 2010 à 09:33

    Zurück lasse ich die Vergangenheit, die in ihrer Summe weder gut noch böse war, sondern gemischt - einmal süß und einmal salzig - wie das Leben. Ich schließe ein Stück Leben ab, das ich nicht bereuen muss,  und beginne etwas Neues, was sich erst langsam strukturiert.



    Ajouter un commentaire

    Nom / Pseudo :

    E-mail (facultatif) :

    Site Web (facultatif) :

    Commentaire :