• "Nebel gehört zum alpinen Alltag", lautet eine stehende Redewendung meiner bergwandererprobten Gefährtin, im Moment jedenfalls darf ich wohl das Wort Nebel durch "Dauerregen" ersetzen, jedenfalls was das Voralpenland betrifft, am Alpenrand soll es aber noch schlimmer sein, da lehnt sich die Regenwolke tückisch an das ewige Gestein und lässt alles Nass, das sie mit sich führt, unter sich ab. Seit zwei Tagen hängen wir also im Regenloch und müssen uns anders als mit unseren bisherigen, hochfliegenden Kneipp-, Sport- und Wanderplänen beschäftigen. Gestern fuhren wir ins 25 km nahe Kempten, wo wir versuchten, nacheinander die Kunsthalle (geschlossen), die Allgäuer Kunstausstellung im Hofgartenpalais (noch nicht eröffnet), das Römermuseum (schließt in einer Viertelstunde) und das Allgäumuseum (schließt in fünf Minuten) zu besuchen. Wir hatten einfach zuviel Zeit in der Touri-Information vertrödelt, wo keiner uns sagen konnte, wo die Horst-Janssen-Ausstellung stattfindet (in Kaufbeuren statt in Kempten, aber sie sei längst vorbei - ist aber noch bis 30. Januar 2011 zu sehen, und in der Touri-Beratungsstelle von Kempten im Allgäu weiß man nichts davon!!!). Dann hatten wir noch den Hofgarten angeschaut und die Orangerie, in der heute die Stadtbücherei untergebracht ist (ein Bücherkarren mit Billig-Ramschexemplaren trug die Aufschrift "Vorwärts!" und wollte fotografiert werden). Das einzige, was wir angesichts der Museumsschließzeit 16.00 noch zu sehen bekamen, war die Residenz von außen und die Lorenzkirche von innen, die sich allerdings lohnte.

    Diese Lorenzkirche ist recht interessant, hochpolemischer Vollbarock mit goldrandiger Sahneschnitten-Stukkatur, wolkigem Trompe-l'oeuil-Marmor und ländlichen Szenen Barock in Kemptenim Chorgestühl, die ab 1692 eine Stukkateurin (!) namens Barbara Hackl ausgeführt hat. Der Schnitzmeister, der die Engel modellierte, muss seinerseits Humor gehabt haben, vor allem am hinten links vom Altar gelegenen Chorgestühl tanzt das himmlische Federvieh dermaßen verzückt und fummelt so sinnfrei mit den Instrumenten (Flöte, Pauke, Viola usw.), dass man sich in einem gegenreformatorischen Woodstock wähnt.

    Chorgestühl in KemptenKempten ist eine zwieschlächtige Stadt, mir kam es gleich komisch vor, als wir da reinkamen (Glück mit einem Parkplatz direkt an der Iller, deren Ufer auf breiter Front begrünt sind, wohl um periodische Überschwemmungen auszubremsen). Als erstes sieht man St. Mang, die alpinfränkisch vermurkste Version von "St. Magnus" (neben einem gewissen Tozzo und einem Theodor einer der drei Missionare des Allgäu), ebenfalls eine beeindruckende, freilich evangelische und daher bilderleere Gottesfabrik, dann gehts am Rathaus vorbei und später treppauf, zur Oberen Etage gewissermaßen, wo die besagte "Residenz" steht. Nicht, dass da in den letzten Jahrhunderten jemand residiert hat, seit die Bayern die zwischen Fürstbischof und reichsunmittelbarer Bürgerschaft geteilte Stadt - bzw. die beiden "Kemptens", die sich im Dreißigjährigen Krieg schon mal gegenseitig niedergebrannt haben - 1811 zwangsvereinigt haben, herrschte hier das Militär mit Exerzierplätzen, überdimensionalen Marställen und viel Hinlegen-auf-marsch-marsch. Heute ist die Artilleriekaserne nach jenseits der Iller verlegt und die Residenz bietet viel umbauten Raum für fast gar keine Kunst, von der Propagandakirche mal abgesehen. Auch der ganz hübsch bepflanzte Hofgarten ("Alkohol im gesamten Park verboten!") ist vergleichsweise läppisch, die Allgäu-Gartenschau findet andernorts statt. Vor St. Mang dagegen ist auch ein schöner Aufmarschplatz, der wird aber generalerneuert und ist nicht zu benutzen.

    Im Gegensatz zu Kempten ist Kaufbeuren das Weimar des Allgäus. Wer stammt nicht alles hierher! Markus Lüpertz und Ottfried Preußler (letztere aus Vertriebenenfamilien, die aus Gablonz kamen und nach 1945 im Stadtteil Neugablonz den berühmten Modeschmuck herstellten und damit den wirtschaftlichen Aufschwung der Stadt bewirkten), Vitrine mit Sophie von La Roches WerkenHans Magnus Enzensberger, Sophie von La Roche - nebenstehend eine Vitrine mit ihren Werken im Rathaus von Kaufbeuren - und Ludwig Ganghofer. Als sich heute früh herausstellte, dass die Regenschraffur noch immer nicht weichen wollte, fuhren wir heute über serpentinenreiche Landstraßen dorthin (unterwegs kamen wir durch Obergünzburg, wo die Milchfabrik Saliter, die angeblich auch die Trockenmilch erfunden hat, zu einem "Milchabend" einlädt...). Und siehe, Kaufbeuren begegnete uns viel, viel gastlicher als Kempten. Nicht nur, dass es an jeder Ecke ein öffentliches WC gibt, wie man es als Reisender ja immer mal benötigt, es hat auch ein Traditionscafé im Weberhaus mit erstklassiger Wellness-Torte"; der Autofahrer vor Sophie von La Roches Geburtshaus setzte freiwillig ein Stück zurück, damit man die Gedenktafel fotografieren kann ("Ausfahrt" steht auf dem gelben Schild am Tor), und die hiesigen weißen Würste namens "Aufg'schwemmte" bekommt man auch von der netten Metzgerin erklärt, sie schwellen nämlich in der Pfanne auf, weil sie keinen Darm haben ("man nennt sie auch Nackerte", hieß es in der sog. Nockerstube, wo wir sie gekauft haben, um sie abends zu braten, was im Gegensatz zu Weißwürsten nicht zu geplatzem Saitling führt).

    Kaufbeuren hat aber auch bessere Museumsöffnungszeiten (bis 17.00) und zeigt grade eine tolle Horst-Janssen-Ausstellung im Kunsthaus, das der verstorbene Unternehmer (und Janssen-Sammler) Peter Dobler der Stadt geschenkt hat. Das Museum ist zwar klein und zur Hälfte ein Bistro, aber die Kaltnadelradierungen und vor allem die Zeichnungen des verrückten Genies aus Hamburg-Blankenese machen mich sprachlos. Allein die Behandlung der Farbe, der Stofflichkeit, die Strichelung und die Schraffur (das kriegt der voralpine Regen nicht besser hin) machen seine Bilder zur deliziösen Augenweide. Kornelia gefiel auch die Behandlung des Papiers, die exquisitesten Kostbarkeiten wurden auf angekokeltes Löschpapier (dessen bräunlichen oberen Rand er dann unten mit Farbe nachempfand) oder aufgeschlitzte und zerknitterte braune Umschläge getuscht.

    Außer Landschaften, Kunstbüchern in Vitrinen und einem interessanten Hanno-Buddenbrook-stirbt-Zyklus sind es vor allem Selbstbildnisse aus unterschiedlichen Jahren, und man sieht deutlich, wie das krisenhafte Leben und der Suff den ehemaligen Napola-Haselünne-Schüler mit der Zeit verfallen ließen. Im Obergeschoss unterm Dach kann man die Selbstbildnisse mit den (brav und nicht wenig schmeicherlisch auf Janssens selbststilisierenden Geniekult eingestellten) homestory-Fotoporträts von Nomi Baumgartl vergleichen. Auch ein Film läuft, wo man den Künstler lallen und seine schüchtern bis peinlich berührt aus der Wäsche blickenden Mäzene durch den Kakao ziehen hört ("Habt ihr irgendwas gemacht, habt ihr Lieder gemacht, seid ihr mit Kunst aufgetreten, hat ihr etwas hergestellt, was die Welt verbessert? Nein, denn ihr sammelt nur Geld..."). Das hat Horst Janssen für seine tägliche Dröhnung natürlich auch dringend gebraucht und nahm es mit noch farbfleckigen Fingern dem Schlipsträger aus den Händen, um damit herumzuspielen und es unter seinem unglaublichen Schurrmur auf seinem Schreibtisch zu verkramen...

    Horst Janssen über sich selbst:

    Ein paar Zitate aus der Ausstellung, die noch bis 30. Januar im Kunsthaus Kaufbeuren zu sehen ist (geöffnet Di – Fr 10 – 17 Uhr, Do 10 – 20 Uhr, Sa / So / Feiertage 11 – 17 Uhr, Mo geschlossen):

    "Ich bin im Kern gut und fleißig, ein Säurepantscher, ein Zweckenzähler, ein Neffe, ein Tittenfrettchen und Brahmsholder. Ein Anton Fuß, ein Landgeher und ein Fröhlicher in Grind und Seide."

    "Ich habe figürlich gearbeitet, als die andern noch abstrakt in die Windeln machten."

    "Wo doch die ganze Genialität eines Menschen, wenn er ein Künstler ist, darin besteht, daß er wirklich zur Metapher werden will, daß er durch das Beste, was er zu geben hat, wirklich entmenschlicht werden will, daß er wirklich zu einem Beispiel werden will, zu einem sozialen Wesen. Warum wollt ihr da noch das Leben haben. Es ist katastrophaler als das eines Mittelbürgers."

    Anschließend wanderten wir noch ein wenig durch das Städtchen, schlüpften durch winzige Einlasstürchen in der avignonhaften Stadtmauer, fanden endlich die Klosterkirche, wo die 2001 heiliggesprochene Franziskanerin Creszentia Höß im gläsernen Sarg wie Schneewittchen aufgebahrt ist (wohl aber eher eine Wachsimitation der Leiche) - der Seligsprechungsprozess dauerte übrigens von 1715 bis 1900, und als Haupttugend dieser Heiligen wird genannt, dass sie so praktisch veranlagt gewesen sei. "Der Heiligen blieb aber auch das Leiden nicht erspart", schreibt das Bistum Augsburg auf der ihr gewidmeten Internetseite: "Mobbing gab es schon zu ihrer Zeit. Die Schikanen in der heiligen Gemeinschaft ertrug sie ohne an ihrer Berufung zu zweifeln. Der lange Atem in Leidenschaft ließ die Tugend der Geduld in ihr reifen. Das kam ihr zugute, als sie selbst Oberin wurde. Geistlich leiten hieß für sie dienen. Sie war freigiebig gegenüber den Armen, mütterlich zu ihren Mitschwestern und feinfühlig zu allen, die ein gutes Wort brauchten." Voilà die Schutzheilige der Gemobbten!

    Geburtshaus der Sophie von LarocheGewiss war sie auch ein Vorbild für die erste deutsche Romanautorin, Sophie von La Roche, deren Geburtshaus wir hier besucht haben. Allerdings ist es mit der Außenleitung des Blitableiters und dem Toreinfahrt-Parken-verboten-Schild keine besonders schöne Fassade, und anstelle einer Ausstellung zeigt man im Rathaus eine Vitrine mit Kopien von Buchtiteln und Prospekten, deren Exponate aber kaum zu lesen sind.

    Hinter dem Kloster der Franziskanerinnen gibt es übrigens nicht nur eine Wärmestube für Obdachlose, sondern der Sozialdienst katholischer Männer (SKM) bietet auch die Möglichkeit zu einer Kurzübernachtung für unbemittelte Durchreisende. Außerdem findet man eine Tür in der Mauer, die in den Franziskanergarten führt, der jedermann offen steht. Er ist auf dem Steilhang angelegt, mit Treppchen und Wegen verbunden, blüht und gedeiht, Passagen aus dem Sonnengesang des Jünglings aus Assisi sind auf Stelen zu lesen (und hier und da sind geschmacklich weniger gelungene Marienfigürchen oder ein flötenspielender Hirtenknabe aus Gußeisen platziert). Kraxelt man bis ganz nach oben, findet man eine tolle Aussicht über Kaufbeuren und sogar einen Grillplatz, sinnigerweise mit einer Tafel, die Franzsiskus' Gebet an "Bruder Feuer" illustriert. Ob Bruder Schweinekotelett oder Schwester Rostbratwürstchen auch so zufrieden sind, wenn sie auf dem Rost liegen? Da muß man wohl den Hl. Laurentius aus Kempten fragen, den Heiligen der Grillroste.

    Oberhalb  des Gärtchens ist dann noch der Fünfknöpfeturm zu sehen, auf den Wehrgang der Stadtmauer konnten wir nicht hinauf, der war uns verschlossen. Aber die kurvigen Dächer des Klosters und die geduckten mittelalterlichen Häuser der Stadt waren ein Aniblick, der uns entschädigte. Auf der Rückfahrt nahmen wir noch einen lustigen einheimischen Trämper mit, einen Späthippie, der auch nicht wusste, was ein "Milchabend" ist und ob dabei verschiedene Sorten Milchpulver verkostet werden.

     


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  • In Bad Grönenbach gibt es einen hübschen großen botanischen Kräutergarten, in dem eine lebensgroße Figur des Sebastian Kneipp Wache hält. Sie ist mit einer Priesterkutte aus Stoff bekleidet und hat zwar keine Füße, aber Lederschuhe, allerdings ist einer schon ziemlich kaputt, da regnet es rein. In der Hand hat Sebastian Kneipp ein frommes Buch mit einem Kreuz drauf. mon blog retrouvé...In dem Garten gibt es jede Menge Kräuter und Heilkräuter, manchmal unter sonderbaren Sortierungen wie "Bibel- und klerikale Pflanzen". Zwischen den Erklärtafeln, die jeweils den lateinischen und den (manchmal ebenso sonderbaren) deutschen Namen der jeweiligen Pflanzen nennen, finden sich auch solche mit Sinnsprüchen wie "Geduld ist eine Pflanze mit bitterer Wurzel, deren Frucht nicht jedermann schmeckt - persisches Sprichwort" oder "An einem geöffneten Paradiesgärtlein gehen alle achtlos vorbei, aber sie weinen darum, wenn es geschlossen wird - Gottfried Keller" (Zitate nur sinngemäß aus dem Kopf wiedergegeben). An der Gärtnerhütte finden sich lustige Holzgesichter, die als Insektenhotels aufgehängt wurden, deren Gäste anschließend für das Bestäuben der Kräuterlein und Blümlein sorgen. Links und rechts neben dem Gärtchen befindet sich ein "Lehrbienenstock", auf der linken Seite kann man selbst die Tafel öffnen wie eine Schranktür, dann sieht man eine Glasvitrine, unter der die Bienen herumwimmeln und Waben bilden; der Bienenstock rechts ist viel größer und da ist ein ständiges Kommen und Gehen, wie auf dem Stuttgarter Hauptbahnhof in ein paar Jahren. Weiter hinten zum "Hohen Schloss" zu (das übrigens während der Bauernkriege mal geschleift worden ist - man fragt sich staunend, wie der Memminger Haufen das geschafft hat mit Sensen und Äxten), gibt es einen weiteren Garten, der größere Pflanzen, Salat, Rhabarber und auch Gemüse enthält. Aber auf der Wiese hinter dem Kräutergarten findet sich etwas sehr Interessantes: zwei "Lebendlauben" und ein "Lebendstuhl" (in den ich mich ganz bequem hineinsetzen konnte).

     

    Lebenlaube nach Lorber mit Gesicht

     

    Die beiden Lauben sind aus verflochtenen Ästen gefertigt und man kann sie gut auf der Internetseite von Hermann Fritz Block sehen (hier habe ich eigene Fotos eingestellt). Er hat diese Lauben und den Stuhl gepflanzt und ein Buch über die notwendige gärtnerische Technik geschrieben, das bei der Kurverwaltung von Bad Grönenbach und natürlich auch in jeder guten Buchhandlung sowie beim Verlag erhältlich ist.

     

    Eingänge zur Grönenbacher Lebenlaube

     

    Die Lauben sind sehr angenehm schattig, man kann in ihnen aufrecht stehen und findet auch bei leichtem Regen einen gewissen Schutz. Sobald es aber stärker regnet, wird man wohl lieber eine Kirche oder ein Antiquariat aufsuchen wollen, und letzteres ist hier schwer zu finden. Auf den Hinweisschildern vor den Lauben steht zu lesen, sie seien "nach Kundgaben (!) von Jacob Lorber und Emmanuel Swedenborg" errichtet worden. Beide kenne ich als esoterische Autoren, Swedenborg war ja der berühmte Geisterseher, der im April 1745 seine erste Christusvision hatte. Eine ausführliche Biographie, dazu Linksammlung und Fanseite von Swedenborg  findet sich hier. Lorber, der slowenische Pietist, den es nach Graz verschlagen hatte, arbeitete eigentlich als Musiklehrer und Komponist, setzte aber alles daran, die ihm von einer inneren Stimme namens Jehova, Gott von Ewigkeit, der Wahrhaftige und Getreue, der Erste und der Letzte, Jesus Christus diktierten Bücher zu schreiben, angefangen mit "Die Haushaltung Gottes". Eine interessante Biographie zu diesem Autor findet sich hier. (Wikipedia-Quellen gebe ich hier nicht extra an, die sind leicht aufzufinden.)

    Der Schöpfer der Bad Grönenbacher Laubenkolonie schreibt hierzu:

    Hier noch eine kleine Erklärung und Deutung zum Anhang und zu Jakob Lorbers und Swedenborgs „lebendigem Haus“.

    Unser Thema „lebendiges Haus“ spielt in den Werken dieser beiden im Anhang zitierten „Schreibknechte Gottes“, nur eine beiläufige Nebenrolle. Bei dem Gartenbauingenieur (später nannte er sich Naturbau – Ingenieur) Arthur Wiechula, sind diese Worte allerdings sofort auf fruchtbaren Boden gefallen. Doch viel wichtiger ist, was eigentlich gemeint ist mit diesem „lebendigen Haus“. Denn in der geistigen Entsprechung ist mit dem Haus auch unsere seelische Behausung gemeint. Das ist unser, für sich selbst toter Erdenleib. Diesen bewohnt, bewegt und benutzt unsere Seele solange wir uns in dieser materiellen Welt aufhalten. Wer in seinem Leben nur nach materiellen Gütern strebt, nur für seinen Leib sorgt, nicht aber auch für seine ewig leben sollende Seele, ist derjenige, der sein Haus statt mit lebendigen Gehölzen, mit faulendem, totem Holz baut, den die Stürme des Lebens am Ende leicht unter sich begraben können.

    Über diesen 1941 mit 74 Jahren verstorbenen Gartenbau-Ingenieur Arthur Wiechula findet man merkwürdig wenig im Internet, obwohl sich die Freunde des ökologischen Bauens heute gern auf ihn berufen. Hier z. B. die Webseite des Baumland-Vereins. Merkwürdigerweise gibt es nur in der englischsprachigen Wikipedia einen knappen Eintrag über seine Biographie. Und hier zeigt eine US-Webseite auch einige Bilder aus seinem Buch. Offenbar schwebten ihm sogar mehrstöckige Häuser aus geflochtenen lebenden Ahorn- und anderen Bäumen vor. Inwieweit Wiechula von christlichen Esoterikern inspiriert war, vermag ich nicht zu sagen. Aber seine famose Idee, ganze Häuser um Bäume herum zu gruppieren bzw. auch noch Möbel aus ihnen erwachsen zu lassen, hat doch ein eindeutig heidnisches Vorbild aus viel, viel älterer Zeit: das Bett des Odysseus, das die arme Penelope so lange erfolgreich gegen die Freier verteidigt hat. Anna Seghers hat diesem Baum des Odysseus in "Die drei Bäume" ein Denkmal gesetzt. Aber hören wir Odysseus selbst, wie Homer ihn reden lässt beziehungsweise der gute Joh. Heinrich Voss uns souffliert:

    Innerhalb des Gehegs war ein weitumschattender Ölbaum
    Stark und blühendes Wuchses; der Stamm glich Säulen an Dicke.
    Rings um diesen erbaut' ich von dichtgeordneten Steinen
    Unser Ehegemach, und wölbte die obere Decke,
    Und verschloss die Pforte mit festeinfugenden Flügeln.
    Hierauf kappt' ich die Äste des weitumschattenden Ölbaums,
    Und behaute den Stamm an der Wurzel, glättet' ihn ringsum
    Künstlich und schön mit dem Erz, und nach dem Maße der Richtschnur;
    Schnitzt' ihn zum Fuße des Bettes, und bohrt' ihn rings mit dem Bohrer,
    Fügete Bohlen daran, und baute das zierliche Bette,
    Welches mit Gold und Silber und Elfenbeine geschmückt war;
    Und durchzog es mit Riemen von purpurfarbener Stierhaut.

    Gut, er hat ihn an der Wurzel "behauen", wahrscheinlich lebte der Ölbaum nicht mehr, aber "geglättet" usw. sind die Lebendhütten in Bad Grönenbach auch. Aus dem Stuhl (der allerdings auch mit einer Art Drahtkonstruktion gegengestützt wird) wächst mit frischen belaubten Trieben die Lehne empor.


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