• Heutzutage ist das ja schon ein Schimpfwort, "du Opfer". Aber wie schön und erhebend ist es doch, wenn man ein Opfer für seinen Drang, Gutes zu tun, findet! Nehmen wir den Fall dieses armen, todkranken Bettelstudenten, der in seinem kalten Dachstübchen vor sich hin mickert, nur Licht im Kühlschrank hat oder nicht mal mehr das, denn das BaföG reicht hinten und vorne nicht. Für den muss man was tun! So dachte es sich wohl eine unverheiratete Wohltäterin namens Marie Holzhauer, als sie die folgende Annonce in der Vossischen Zeitung vom 15.11.1849 veröffentlichen ließ:

    Helfersyndrom

    Da kam sie aber schön an, die Klatschbase mit dem Helfersyndrom, die neben seiner Adresse auch Details über "Näheres" preiszugeben bereit war. Der Betreffende hat sich solche Zurschaustellung seines Elends im Kleinanzeigenteil verbeten und konterte in der Nummer vom 16. 11. 1849:

    Helfersyndrom

    Am Ende musste sie sich wohl noch rechtfertigen, dass sie 27 Taler für den Patienten erbettelte, der offenbar von krankhafter Hypersensibilität befallen und - womöglich wg. Teilnahme am Barrikadenkampf während der Märzrevolution - längst, seit über 3 Semestern, exmatrikuliert war:

    Helfersyndrom

    Oder liegt (statt la Bohème) ein Fall vor, für den uns der Siebenjährige Krieg schon längst ein paradigmatisches Musterbeispiel gegeben hat?


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  • Ärzte aller Art brauchen Reklame, und sie sind immer wieder im Anzeigenteil der "Vossischen" vertreten (alle Beispiele hier aus dem Jg. 1849, Mitte November), nicht nur in Dankadressen ihrer Patienten.

    Die stets gut informierte Königlich-privilegirte Berlinische Zeitung von Staats- und gelehrten Sachen berichtete in der Nummer vom 14.11. dies:

    Das Gegenteil

    Wie sicher ist man einer Sache, wenn unter allen Umständen bekräftigt werden muss, NICHTS sei vorgefallen? Jedenfalls fand sich unter "Todesfälle" diese traurige Annonce von der missglückten Anästhesie, die wohl ein gewisser Dr. Wahlländer (oder so ähnlich?) unternahm:

    Das Gegenteil

    Das Gegenteil

    Woher weiß ich, wie der Zahnarzt heißt, in dessen Praxis  sich die Tragödie abspielte? Ein Hinweis findet sich weiter hinten im Blatt, unter Anzeigen vermischten Inhalts - der Hofoperateur wollte es nicht gewesen sein und den Argwohn des Publikums gegenüber seiner Zunft mildern:

    Das Gegenteil

    Man könnte jetzt kleinlich sein und einwenden, der "Unfall des Patienten" (elegant!) sei, wie berichtet, durch Äther geschehen und nicht durch Chloroform? Aber schon in der nächsten Nummer meldete sich ein Namensvetter mit Annonce zu Wort, offenbar bildeten sie eine Dynastie:

    Das Gegenteil

    Tjaaaa, und da es laut Boickes Berliner Adreß-Verzeichnis im Winter 1849 tatsächlich drei Zahnärzte dieses Namens gab in Berlin,Das Gegenteil bleibt nur noch der junior übrig, nämlich W. in der Friedrichsstraße 190, der Kunstfehler ist damit aufgeklärt... W. praktizierte aber munter weiter, wenn er auch mehrmals umziehen musste, er klempnerte 1851 in der Kronenstraße 60 (passender Straßenname), 1852 Friedrichsstr. 125, 1856 ebenda, Nr. 87 (als Nachfolger Eduards). Der unter dem dentistischen Familienunternehmen genannte Dr. Werth war übrigens Zahnarzt meines Lieblingsautors, diese Erkenntnis hat mir zu Anfang des Jahres einen  Irrtum benommen. Ich las nämlich in einer der vielen Aufzeichnungen dieses Autors, er habe einem "Dr. Werth" soundsoviel Taler übersandt, und da glaubte ich erst, er habe einem Namensvetter (schrieb sich mit 2 e) das Geld gezahlt und sich nur verschrieben, und womöglich die kommunistische Bewegung unterstützt, dem dichtenden Mitstreiter von Karl Marx und Feuilletonredakteur der Neuen Rheinischen Zeitung - es war aber nur die Zahnarztrechnung, die er bezahlt hat. Schade, und ich dachte, ich hätte ein geheimes missing link von Köln nach Berlin gefunden... aber der Schriftsteller Georg Weerth war mitnichten promoviert, verließ das Gymnasium vorzeitig und wurde Kaufmann, hat seine Geschäfte nach der Kumpelei mit der Marx-Engels-Bande globalisiert und ist auf Kuba beerdigt.


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  • Ziemlich unverschämt, oder? Welche wohlhabende Dame will schon ihre "ältlichen" Tage als Serways-Toilettenfrau an der Raststätte beschließen!

    Die Rechnung gemacht, ohne schon Wirt zu sein


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  • Nett ist übrigens, dass man früher nach überstandener Krankheit Dankadressen an die Ärzte drucken ließ.

    Sollte man wieder einführen, denn es gab auch das Gegenteil...

    Von der Dyskalkulie geheilt

    Okay, der hier sichtlich noch fehlende Dritte im Bunde fiel wohl einem sälbstendig kürzenden Säzzer zum Opfer und wurde nachgetragen,

    Von der Dyskalkulie geheilt


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  • Was bedarf denn jetzt größerer Verschwiegenheit? Leichte Konversation im Hinterhaus oder heimliche Niederkunft im Vorderhaus? Oder hat der angestrebte Dialog mit der sokratischen Methode zu tun?

    Pscht!


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