• Grade blättere ich im hiesigen Lokalblatt, da springt mir die Todesanzeige für einen netten akademischen Lehrer entgegen: Gabriel Jüssen starb den 3. Januar mit 81 Jahren, Akademischer Rat (kein Prof oder so) am Philosophischen Seminar B der Uni Bonn. Seinen Kurs über "Praktische Philosophie - Ethik" hatte ich als Einführungsveranstaltung fürs obligate "Begleitstudium" vor nunmehr 40 Jahren belegt, und ich glaube auch noch eine Art philosophische Lektüreübung über Descartes - war es so? Ich denke; also bin ich (nicht ganz sicher). Brambachs-Grab für Sängertourneeplakat eines liedermachersMir ist's jedenfalls noch gegenwärtig, wie gern ich seine Kurse besucht habe, grade weil dem Lehrer jeder akademische Hochmut fehlte und die Studierenden bei ihm ungescheut reden und fragen konnten, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist, ohne von älteren Semestern mit Allerweltsweisheiten gedemütigt und zum Schweigen gebracht zu werden ("aber Schleiermacher hat das religiöse Erleben doch sehr zentral gesetzt, mein Lieber!"; diesen herablassenden Spruch eines Conoisseurs hörte ich mal anderen Orts und in einem viel, viel späteren Seminar, da war ich schon weit über dreißig). Aber bei Jüssen kam ich, noch grün hinter den Ohren, zur Vereinbarung eines Referatthemas in die Sprechstunde und hörte zu meiner Verblüffung, dass er mich nach meinem Künstlernamen fragte - "ob ich mit demunddem Liedermacher irgendwie verwandt sei"? Etwas beschämt wie immer, wenn man meine Jugendsünden kennt, gab ich zu, ja, ich bin das selber, und zwar zur Gitarre mit eigenen Texten. Vermute mal, er hatte den Namen gelesen, weil ich einige Zeit vorher für eine psychiatrische Jugendhilfeeinrichtung in Bonn ein Benefiz-Konzert gegeben hatte, zum Besten dieser Teestube. Ich erinnere mich, mit einem Lied von Ralf Huwendiek bei einem Pärchen sehr gut angekommen zu sein, das Lied behandelte einen Flipperspieler, und der Junge von dem Pärchen war irgendwie spielsüchtig. Nun ergoogele ich, dass AOR Jüssen selbst gesungen hat, und zwar im Männerchor von Metternich-Weilerswist, und für die 50jährige Mitgliedschaft 2011 sogar eine Ehrung bekam. Vielleicht hat er sich deshalb für mein künstlerisches alter ego interessiert, von dem ich mich doch grade ein wenig verabschieden wollte, um "erwachsen" und ein toller Student zu werden, heißemagister, heißedoktorgar!, einer, der nächtelang in verrauchten Bibliothekszimmern herumsitzt (das Rauchen war, glaubt es oder nicht, noch ganz lange in der Germanistischen Seminarbibliothek erlaubt!) und versucht, "die anderen Intellektuellen auszuintellektualisieren" (Fritz the Cat). Ich hab es dann redlich versucht die nächsten Jahre, und gelernt und gelesen und geschrieben was das Zeug hält, die Gitarre ist eher untätig geblieben, aber manchmal hab ich sie doch noch herausgeholt und dies und jenes Konzert gegeben. Aber ein gescheiter Beruf wurde weder aus der einen, noch aus der anderen Tätigkeit, ich musste mich mit allem möglichen durchmogeln und das ist mir (Stichwort praktische Philosophie / Ethik) ja auf Silhouette von Bloßfeld, Gitarrenprügelei einigermaßen legale und nach meinen Begriffen geistig unkorrumpierte Weise gelungen, bisher. Andere sind Professor, Pfarrer, Bischof geworden, aber Jüssen hat sich mit dem Lehren beschieden. Morgen werden in Metternich-Weilerswist die "Rosenkranz-Exequien" gebetet (habe ich schon gesagt, dass das Philosophische Seminar B so eine katholische Sonderabspaltung infolge der preußischen Gründung der Universität Bonn war, um auch katholisch gesonnene Einheimische zu guten preußischen Verwaltungsbeamten auszubilden? die machen viel mit Thomas von Aquin und Co., von dem Gabriel Jüssen auch einige Disputationes übersetzt hat: " Ist das Lehren eine Tätigkeit des praktischen oder kontemplativen Lebens?" - Vita activa, natürlich, nach thomistischer Einsicht, auch wenn man es noch bei nachlassenden Körperkräften ausüben kann). Übermorgen wird er beerdigt. Immer wieder mal hatte ich an ihn gedacht, den netten, an meinem Liedermachergedöns so freundlich interessierten Dozenten.


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  • Gestern liefen doch glatt zwei Demonstrant(inn?)en durch die Tagesschau, habt ihr's gesehen? Gut, kommt öfters vor, Hamburger Krawalle, aber diese zwei waren noch gar nicht '"dran" in den Nachrichten. Offenbar fand eine Hintergrunddemo zur Berichterstattung aus Berlin (Sondierungen) statt, und die vom ARD-Team unbemerkten Vermummten erfreuten sich der Medienpräsenz, zogen ihr Transparent voll auf uschnoerkel ueber der Kuhnd enthülten so vor Pantoffelkinopublikum ihren draufgepinselten Slogan TIERRECHTE IST DEMOKRATIE. Geht's noch? Teddy mit MilchkanneSondierungsgespräche ist Peta für Pelzhändler, Opposition sind Mist und was wollen Koalition? ubi liber grammaticus, hic sunt leones, wie? Schlimmer noch die Apfelsinen im Haar, die jetzt andauernd zitiert werden, wo France Gall, die Lieblingssängerin meiner Kindheit, leider gestorben ist. Diese Görenstimme mochte ich, noch bevor ich an so etwas Seltsames wie Sex dachte, von den Texten, die ich erst viel, viel später zur Kenntnis nahm, abgesehen. Und dass Singen auch sowas wie geschützter Oralverkehr ist, direkt vom Mund in die Ohren (Janis Joplin wäre am 19. Januar 75 geworden), war mir völlig unbekannt. Auch schön, sofern man keine ganz so stramme Banane an der Hüfte hat wie Roswitha, von der die modische Welt nächstes Jahr trägt, was ihr gefällt. Aber eigentlich wollte ich über Milchkühe sprechen. Bei einer kürzlich absolvierten Eisenbahnfahrt durch Norddeutschland ist mir aufgefallen, wie über den Kuhweiden in den Emsmooren seit neuestem schnörkelige Drohnen in der Luft schweben, von denen die Milchwirtschaft merkwürdige Etiketten herabbaumeln lässt, ganz so wie Preisschildchen, es steht aber nur Gutes drauf: Eine Silhouette der Kuh (vielleicht ist das sowas wie ihr Personalausweis) und die Bestätigung des Orthopäden, dass diese Kuh, obgleich sie sich dauernd nach dem Futter bückt, keine Haltungsschäden hat. Es gibt ja auch Schafe, deren Etiketten von Fahnenstangen baumeln, wenn sie grade nichts anderes auf ihren fliegenden Bestsellern zu tun haben und gemütlich lesen können, worauf sie grade Platz genommen haben (das Umblättern stell ich mir "on air" etwas Puppenhaus in Stein am Rhein Museumunpraktisch vor). Und jetzt achten Sie bitte mal auf den medialen Paradigmenwechsel in der Verpackungsindustrie. Die sieben Siegel, die da vorn raushängen, sind die Vorläufer der sog. "Marke", wie sie z. B. von putzigen Teddys auf Milchkannen ihrer Molkerei geklebt werden. Frischesiegel, Ökowapperl, grüner Punkt & Co: Man pappt man drauf, sie müssen nicht wie Etiketten irgendwo dranmontiert werden. In dem Alter, in dem ich erstmals France Gall singen hörte und singend imitierte, glaubte ich noch, diese Teddykolonie gäbe es irgendwo im AllgäLammrücken und Buchrückenu, so wie mir die katholische Kirche auch das Schicksal der fliegenden Schafe, des Damwilds (Hirsche mit Kreuzen im Geweih) und der vor ihrer Brut ausblutenden Pelikane glaubhaft ans Herz legte. Kein Wunder, dass ich Peta-Aktivist wurde. Einer von den bepelzten Michbauern aus dem Allgäu, wie er hieß, weiß ich nicht mehr (Meister Petz?) war mir sogar zugelaufen. Klar, man hätte mir - so genderspezifisch war mein Spielzeug nicht, ich hatte als Junge auch eine Puppenküche - eine France-Gall-Barbie in den Arm legen können, aber das wäre längst nicht Roswitha und Janis - zwei Apfelsinen im Haarso kuschelig gewesen. Oder besser eine Janis aus Plüsch, die mit Görenstimme "Cowme an, uh cowme an" etc. ruft, wenn man sie nach vorn beugt (hihi), mit mehr Tiefenschärfe in der Basslinie, als die poupée de cire, poupée de sang aufbrachte. Mehr wie das "Gemuhe einer dunkelen Kuh" (hab ich so mal bei Rilke gelesen, reimt sich am angegebenen Ort überdies auch noch auf "Getue"). Kühe sind auch nicht grade kuschelig, aber sie lehren buddhistische Gelassenheit. Was scheren sie sich um Etikette, die über ihnen baumeln. Aber Landwirtschaft zum Anfassen, Ackerbau und Viehzucht als ein Streichelzoo mit milchkannenschleppenden Teddies, davon träumt vielleicht der Peta-Aktivist? Sehe ich da einen Pelzmantel auf dem Puppenhausbild Mitte rechts? Auch Teddies haben ein Recht auf Faulheit und den in Faulpelz verhüllten Tiermord trägt man nicht spazieren! Andererseits, in der Landwirtschaft ist nicht alles angenehm zum Anfassen, selbst wenn man es einsammeln oder auf die Felder ausbringen muss, und sofern die Landwirtschaft Nahrungsmittel produziert, möchte ich, dass diese nicht von allzu vielen angefasst werden. Ich will das ja womöglich noch essen. Und die traurige Wahrheit ist, douce France, chère voix de mon enfance, im Teddie-Alter mal mein Kinderschwarm, war fünf Jahre jünger als die nur 27 Jahre alt gewordene Janis Joplin, und starb nun mit 70.


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  • Nicht viele von uns werden einst so ein Begräbnis haben wie das, dem ich heute leider beiwohnte. Ein Freund, oder besser der Mann einer guten Freundin von mir, die ich seit meiner Zivildienstzeit 1976 kenne, ist am 21.12., knapp vor Weihnachten gestorben. Wir hatten noch ahnungslos Jahreswechselgrüße hingeschickt. Klaus der Geiger und ein GitarristEr war Neurologe und das Paar war sehr engagiert; sie hatten es auch mit der Kölner Musikszene; bei einer Party meiner Bekannten hab ich zum ersten Mal die "Black Fööß" gehört (während ich Rio Reisers Röhren erstmals bei Imogen vernahm, damals chancenlose Bundestagskandidatin für die trotzkistische Partei: "Keene Macht vor niemand!") - die Kontakte waren, anders als bei den Trotzkisten, Maojüngern und Buddhisten, mit denen ich verkehrte, nie ganz eingeschlafen, und bei einer kleinen Ausstellung meiner Frau, die meine Zivildienst-Bekannte besuchte, lernten wir auch den Verstorbenen kennen, der uns Schokolade mitbrachte, und das damit begründete, er tue das immer, weil er als Nachkriegs-Kind (1937 geboren) mal von Nachbarn Schokolade geschenkt kriegte und ihn das zeitlebens nicht losgelassen hat. Klaus der G. auf der Trauerfeier für Klaus B.Nun ruhe er in Frieden. Vor der Kapelle auf Melaten versammelten sich die schon bejahrten Gestalten verschiedener engagierter Gruppen, meine arme Freundin weinte und weinte, es war herzzerreißend, aber sie freute sich doch über jeden, der bei dem Sauwetter gekommen war. Bei der Trauerfeier spielte Klaus der Geiger mit einem ausgezeichneten Gitarristen drei Sachen, darunter ein Lied "Das Leben ist schön" (bei schlechter Akustik kaum verständlich) und das neulich hier so oft zitierte Scarborough Fair - perfekt begleitet , eröffnet mit Flageolet-Tönen, eigentlich war der Geigenschmus drumherum, vom Straßenmusikanten ungewohnt,  fast unnötig, aber auch nicht störend. Die Predigt, besser Trauerrede (gespickt mit Intellektuellen-Zitaten von Umberto Eco, Barbara Tuchman, Jacques LeGoff, Statistitiken über Sternenferne und Anzahl der Hirnzellen geteilt durch neuronale Netze), hielt der eigentlich als linker Leutpriester beliebte Pfarrer Meurer, der zuvor eine Joseph-Beuys-Postkarte mit der Aufschrift Mensch verteilt hatte. Übrigens kommt dieser Meurer aus derselben Siedlung wie ich und hat so ein, zwei Jahre vor mir Abitur am selben Gymnasium gemacht, während sein Arbeitgeber, der Erzbischof mit dem Rilkesken Vornamen, ebenda aufgewachsen ist und am selben Gymnasium ein, zwei Jahre nach mir Abitur machte. Schade eigentlich, dass ich die Grundausbildung (Vaterunser auf Latein auswendig lernen) zum Ministranten bei dem etwas zudringlichen Kaplan abgebrochen habe, ich hätte es in der alleinseligmachenden Mutter Kirche womöglich noch weit bringen können! - Statt dessen wurde ich erfolgloser Dachbodendichter, und dichter Dauerregen setzte beerdigungsgerecht ein, als der Zug sich in Bewegung setzte und dem Sarg hinterherschlurfte bis zu dem unumgänglichen Erdloch, in welches vom Pfarrer Weihwasser, ein Schäufelchen Torferde und Blüten geworfen wurden, letzteres wiederholten die übrigen Trauergäste. Ich stand am Grubenrand so ziemlich als letzter, barhäuptig im Pladderregen, und entschloss mich dann, die Karte mit der Aufschrift Mensch hinterhersegeln zu lassen. Da lag sie, Vorderseite nach oben, ein schwarzes Viereck inmitten der Blumen. Denn als Kaminsims-Andenken an den lieben Bekannten ist mir die Kunstpostkarte dann doch zu artifiziell und um die Ecke gedacht (tut mir leid, liebe Crossposter), ich lege meine Andenken dafür hier nieder.

    Wachsbild vom SylvesterwachsgießenUm aber zum Jahresauftakt so trübe nicht zu enden, hier noch ein Wahrsagerätsel aus der Sylvesternacht. Bleigießen, so musste ich mich belehren lassen, ist igittibäh, giftig und outdated. Wachsbild vom SylvesterwachsgießenDie umweltverträgliche Alternative der Klimawandelära ist: Wachsgießen. Kein Wunder, dass bei meiner Frau eine echt künstlerische Form (links) herausgekommen ist, während ich nur Hudel zustande kriege. Man soll ja angeblich die Zukunft aus dem im Wasserbad erkalteten Schmelzklumpen lesen, bei mir (rechts) kann ich da allenfalls auf ein Männlein mit Stiefeln tippen, einen leicht angegammelten Ötzi mit verlorengegangenem Kriegshackebeilchen. Das von meiner Frau identifizierten wir anfangs als "Baum", schön in Blumenkohlmanier gemalt, jetzt denke ich immer mehr, es ist das 19. Jahrhundert-Medaillon einer Frau mit Lockenkranz (Dutt?) von hinten. Jedenfalls bezaubernd schön, mysteriös, phantasiestiftend, und giftiges Blei liegt jetzt nicht mehr bröselnd herum, dafür klebriges Wachs.


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  • Wunderkerze im KüchenbalkonkastenEigentlich konnte ich den Geldsegen gar nicht brauchen, der mein Konto am Tag vor Jahresschluss zum Platzen brachte - steuer- bzw. vorsorgemaßnahmen-technisch wäre es ein paar Tage später willkommener gewesen, weil ich 2017 zuwenig ausgegeben und "zuviel" verdient, aber 2018 voraussichtlich weitgehend Ebbe in der Kasse habe. Ich muss nämlich in jedem Kalenderjahr ein gewisses Minimum verdienen, kann das aber nicht in "Vortrag" nehmen, wie der Fiskalbeamte sich ausdrückt. Angedroht war mir die Einnahme im Sommer, als die erste Tantiemenzahlung der VG Wort eintraf, auch schon ganz nett, aber wer glaubt schon noch an das Wunder des Eintreffens von Versprechungen? Bierflasche auf ParkbankDie Autoren-GEMA hat noch eine Nachzahlung ergehen lassen, ansehnlich sogar. und wir konnten zu Sylvester ausnahmsweise mal den Champagner aus den Hirnschalen darbender Verleger trinken (statt wie sonst umgekehrt, was Arno Schmidt Ernst Rowohlt vorhielt). Die bekamen nämlich bisher einen Löwenanteil von den Lämmern, ihren Autoren, geschenkt. Die Urhebertantiemen-Verwertungsgesellschaft darf nunmehr, nach einem von einem Querulanten erstrittenen BGH-Urteil, kein Geld mehr an die Verleger auszahlen, da sie nun mal keine Urheber sind. Das Geld, das sie durch Bücherverkäufe einnehmen, muss ja erstmal durch Ausdenken und Niederschreiben der Bücher, Texte usw. usf. erwirtschaftet werden. Komischerweise stehen wir Autoren am Anfang der literarischen Wertschöpfungskette, aber ganz am Ende der Verdienstskala, und das, wovon so mancher in seiner blühenden Jugend produktive Autor jenseits der Pensionsgrenze leben muss, - während nicht selten die "großen Verlegergestalten" einen Prachtbau nach dem anderen in die Innenstädte setzen, von ihren Villen (Rowohlt!) auf Sylt ganz abgesehen - kannst du in einem ganz kleinen Portemonnaie aufbewahren, wenn's nicht längst aufgezehrt ist. Und während des Verlegers Erben oder Enkel sich ein flottes Leben machen und ihren Kindern und deren Enkeln die Villen vererben, kriegen Enkelkinder der Kinder der Autoren - NICHTS, denn das Urheberrecht, das jene erwirtschaftet haben, erlischt 70 Jahre nach ihrem Ableben (hähä, weg ist weg!). Im Gegensatz zu allem anderen Eigentum auf Erden wird das der Dichter und Autoren "gemeinfrei". Die 1948 gestorbenen sind so viele nicht, da zuvor die anständigeren ihrer berühmteren Kollegen im Krieg krepiert, im Exil verhungert oder im KZ ermordet worden waren. Na, Schwamm drüber, ich habe mich jedenfalls nicht überreden lassen, einen Revers zu unterschreiben, der die Hälfte meiner mickerigen VG Wort-Einnahmen Verlegern überlässt, von denen ich keinen kenne. Die, für die ich arbeitete, haben genug an mir verdient und mich mit Peanuts-Honoraren abgespeist, wenn sie nicht ganz aufs Zahlen verzichteten oder von mir Druckkostenzuschüsse oder die Abnahme der halben Auflage verlangten. Ein Verleger zahlte mich mit symbolischen Beträgen, zu denen ich Bücher aus seinem Sortiment entnehmen durfte, aber keine Freiexemplare meines eigenen Werks, und schon gar keine aktuellen Sachen aus dem laufenden Verlagsprogramm, nur jahrealte Hündchen.

    RheinschiffWie auch immer, kurz nach Weihnachten hatte ich einen Traum, bei dem ich an einer Tagung teilnahm. wo ich nicht referieren musste. Sie fand mehr oder minder im Freien und in eine Art Stuhlkreis statt. Stuhl, haha, ihr ahnt, worauf es hinausläuft! Da suchte ich verzweifelt nach einer Toilette und die stand tatsächlich auch im Freien, ohne Häuschen drumherum, allen einsehbar, die am Colloquium teilnahmen. Das Klopapier war auch seltsam, so eine Art transparentes Knisterpapier, das man in riesigen Vierecken abreissen musste.  War mir das peinlich, vor aller Augen auf dem Lokus zu sitzen! und ich hatte dermaßen lange an dem Geschäft zu tun - nicht wg. Verstopfung infolge Käsefondue, das nicht, sondern es war einfach die schiere Masse des von mir Ausgedrückten - dass ich die Pause überdehnte und das Vortragsprogramm ohne mich weiterging. Das war natürlich noch peinlicher, weil die anderen Referent-/innen gewahr wurden, dass mir die körpereigene Peristaltik ein dringenderes Anliegen war als die Würdigung ihrer wissenschaftlichen Leistungen. Ich sah schon die vorwurfsvollen Mienen und - erwachte. Nun sind sich ja von Artemidoros bis S. Freud alle Traumdeuter einig, wenn man im Traum - äh - mit Exkrementen zu tun hat, bedeutet das, es sei in nächster Zeit reicher Geldsegen zu erwarten. Graffito in Überlingen, August 2918Zumal ich den Traum in den "Rauhnächten" hatte, was meine Lebensabschnittsliebste für besonders traumverwirklichungskräftig hielt. Aber wie erkläre ich mir den Traum von heute nacht, 2. auf 3. Januar? Ich hatte irgendeine Krankheit, eine Lähmung, konnte das Bein nicht bewegen und lag in einem Krankenzimmer, in einer (mir fremden) Wohnung, glaube ich, darnieder, da kam eine junge Frau und gab mir Kleingeld, das sie aus Mitleid für mich gesammelt hatte. Ich war erst irritiert, freute mich aber, schließlich habe ich keine Krankenhaustagegeld-Versicherung (zwanzig Jahre lang nie Gebrauch davon gemacht und nahm eine Beitragserhöhung zum Anlaß, sie zu kündigen). Dann besah ich die Münzen, ein paar Groschen und zwei Zwei-Euro-Stücke, das eine kam aus Frankreich, es zeigte eine Guillotine und Olympe de Gouges auf der Verso-Seite! Das andere war eine deutsche Münze, mit einem "Ernst von Wied", das soll ein äußerlich ziemlich beleibter Refomator gewesen sein, der an seinem Schreibtisch sitzend mit Federkiel und so weiter gezeigt wurde. Ich erzählte dann der jungen Frau, wer Olympe de Gouges war, die sei (so glaubte ich im Traum) eine ziemlich radikale Jakobinerin gewesen, dann aber selber auf dem Schaffott gestorben - diesen Herrn von Wied aber kennte ich nicht. Traumdeuter, aufgepasst! Was ist davon zu halten? Erst träume ich so, dass ich mir Hoffnung auf Reibach machen kann, und muss dann leider vier, fünf Tage später das Gegenteil träumen und - deshalb serviert mir dieses neue Jahr noch jede Menge Sch...???


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