• Spielzeug-ScheiterhaufenDie erste Ketzerverbrennung fand in Köln 1146 statt, am 5. August 1161 wurden aus Flandern durchreisende Katharer verbrannt, vier Männer und ein Mädchen, wobei letzteres von der mitleidigen Volksmenge fast gerettet worden wäre, hätte es sich nicht denen, die es aus derLuther als Lebkuchen Hinzurichtendengruppe herausholten, stracks entzogen und wäre "freiwillig" in die Flammen gehüpft. Alljährlich erinnert die Nubbel-Verbrennung nach den Karnevalstagen, begleitet mit frommen Liedern und nur zu oft mit mehr oder minder "echtem" priesterlichem Segen an diesen Kölner Volkssport. 1520 wurden natürlich die Schriften Martin Luthers in Köln verbrannt, und wo man Bücher verbrennt, verbrennt man bald auch Menschen: der Protestant Peter Fliesteden ließ 1529 auf dem Scheiterhaufen sein Leben (vom Henker angeblich "versehentlich" mit der Kette erdrosselt) und die Postmeisterin Katharina Henot wurde 1627 die bekannteste Kölner "Hexe", als man sie in einer kleinen "Strohhütte" auf der Hinrichtungsstätte in Melaten verbrannt (ebenfalls zuvor erdrosselt). Nachdem sogar eine Schule nach ihr benannt ist, hat der Stadtrat von Köln die Hexen in einem merkwürdigen Retro-Schauprozess rehabilitiert. Jetzt wird auch Martin Luther, der ebenfalls zu den paranoischen Hexenwitterern und -jägern zählte, in Köln geehrt. Die neuen Thesen, es sollen laut einem Zettel am kölner Dom "500" sein, werden nicht mehr in Wittenberg angeschlagen, sondern als Lebkuchen in hiesigen Kettenbäckereien (Backofen! Lebkuchen! merkt ihr nix?) unters Volk gebracht. Der Kölner Dom ist ja eigentlich sowieso von einem protestantischen König zu Ende gebaut worden, und ursprünglich mal als ökumenische Kultstätte geplant. Damit wollten die Preußen die hiesige katholische Bevölkerung mit den hierhin entsandten Beamten aus Berlin versöhnen. Dem wurde grinsezwinkernd zugestimmt und hinterher gleich anders gehandelt, die Evangelischen kriegten Groß Sankt Martin als Ausgleich und gaben ihre Nutzungsrechte am Dom ab, sonst wär es uns ergangen wie den Erfurtern, wo bis heute der Dom zwiekonfessionell genutzt wird und es einst an Sonntagen drauf ankam, wer früher aufstand und am Ort war: Der durfte die erste Messe lesen. Aber der Dom wird von vielen interessierten Gruppen genutzt. Kein in Köln verfertigtes oder vertriebenes Produkt, das nicht mit Domsilhouette beworben wird, das "public viewing" der Fußball-WM findet dort statt, die verkorksten Sylvesterfeiern wurden vom Bahnhof vor den Dom verlegt, Bettler, Pflastermaler und Pantomimen tummeln sich gemeinsam mit Trickbetrügern und Taschendieben, ganz wie im Mittelalter, die Antifas demonstrieren dort gegen die AfD, das Domkapitel schaltet bei rechten Demos die nächtliche Illumination aus, ein inzwischen verstorbener in der roten Wollsocke gefärbter Antisemit hing, touristenfototrächtig, antijüdische Karikaturen als eine Art Wandzeitung vor den Dom, kurz, was die Welt bewegt, ärgert und verrückt macht, zeigt sich in und an und vor die Kathedrale. Eigentlich sollten wir die Ketzer der Gegenwart auch auf der Domplatte verbrennen, dann kriegt die Öffentlichkeit was davon mit. Dazu passt ein feiertagsgemäßes nettes Geduldsspiel, das derzeit im rechtsrheinischen Mülheim bei E-bay vertickt wird, ein lustiger zusammensteckbarer Scheiterhaufen. Kinderleicht ist es nicht: Vor dem Anzünden muss herausgeknobelt werden, wie man ihn sinnvoll aufbaut, und anzünden lässt er sich wohl nicht ohne Weiteres, mit Kerzenwachs als Brandbeschleuniger schon besser!

     


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