• Du wirst es nicht glauben, aber in all meinen anarchistischen, bürgerlich-demokratischen oder gar protosozialistischen Phasen bin ich doch eigentlich heimlich Royalist geblieben. Nicht wegen der "Royals", das ganze Familiengezumpel wurde mir schnell zuviel, habe selber eine unübersichtliche Höllenstaffage von Verwandten. Aber die Wiedereinführung des erblichen Herrscherthrons z. B. in Bayern dünkt mich ein lohnendes politisches Ziel, ich wüßte, welche Partei ich dort wählen würde, schon damit sich Bayern endlich auf dem dritten Weg so langsam an die Demokratie gewöhnen kann, das ging 1919 einfach ein bißchen schnell für die Bewohner, man hätte Rücksicht auf das Deutschland der 35 Geschwindigkeiten nehmen müssen. Kurz, ich war auch schon vor einem halben Jahrhundert begeistert von der Queen, die damals Deutschland besuchte, und als ich zwei Jahre später nach England kam, um den Buckingham Palast, das Kaufhaus Harrod's, den Tower und die London Bridge zu sehen (und den Piccadilly Circus! Carnaby Street!! Swinging London, Miniröcke, Plattenläden, alles! Mann, es war 1967!!!), und ich jede Menge Posters mitnahm, von den Beatles, von Lord Kitchener, der vor den wunderbar britischen Union Jack Farben mit dem nackten Zeigefinger auf mich zeigte und I WANT YOU sagte, da hätt iThey say it's your birthdaych mich sofort eingemeinden lassen und wär' Engländer geworden, ich war nah dran. Ich hielt das Londoner U-Bahn-System für einen Beweis der waltenden Weltvernunft und es gab nichts Logischeres und Einsichtigeres als das Umsteige-Relais "Clapham junction", wo ich umsteigen mußte um das Reihenhaus (immerhin, jeder hat ein Haus!) meiner eher dem Proletariat angehörenden Gastfamiile wiederzufinden. Treppenbrücken über den Gleisen! Mind the gap! Dagegen wie unübersichtlich der Nahverkehr in meiner schmuddelligen usseligen Heimat! Hier in England war alles sauber und beschildert, angstfreie Orientierung ohne jedesmal irgendwen fragen zu müssen, für mich war das ein Phantasialand der Aufklärung und des Rechts auf Meinungsäußerung, z. B. im Hyde Park konntest du die Verrückten predigen hören und kein Polizist (alle nur mit Gummiknüppel bewaffnet, kein Schießgewehr) brüllte "Runter von der Teekiste!". Auch dass man auf der Fähre förmliche Einwandererpapiere ausfüllte und unterschreiben musste, keinen Hund einzuführen und keine ansteckenden Krankheiten, fand ich gerecht und nützlich. They say it's your birthdayEs war allerdings noch vor den Briefkastenbomben der IRA, und von Drogen hatte ich keine Ahnung. Und die Engländer waren so höflich, sprachen mich Schüchternen offen an, nach einer Weile verstand ich sie auch einigermaßen. Mit der Gastfamilie war ich in Blackpool, die Beatlestexte konnte ich bald alle auswendig, Ehrenwort! Als es so weit war, lösten sie sich auf, abgeschlossenes Sammelgebiet. Ich hatte die buntesten Poster (Beatles-Fotos mit Farbverzerrung), die Sgt.-Peppers-LP mit dem Starschnitt und die Let-It-Be-Kassette mit den eingelegten Fotos! Alles beim Erwachsenwerden umstandslos verschenkt, heute Tausende wert.They say it's your birthdayThey say it's your birthday Der Linksverkehr war mir noch ganz egal, und gut, das Zwölfersytem mit der verdammten Pfund, Shilling- und Pence-Rechnung, na schön, das fand ich nicht ganz so logisch. Aber wenn ich mir beim Kiosk ein Comicheft (englisch!) besorgte, dann ließ mich der Kioskbesitzer immer grundsätzlich das Wechselgeld ausrechnen, damit ich das lerne, sagte er, fand ich wahnsinnig nett, wie überhaupt alle sehr auf mich eingingen und mit mir viel Englisch redeten, damit ich das endlich mal lerne, später hab ich dann eine Zeitlang meinen oxfordisierenden Gymnasiallehrer mit Cockney verärgert, in der Hinsicht brachte mir der Aufenthalt nichts. Aber ich war eingeschworener Engländer mit Schirm, Charme, leider ohne Melone, und weil Hamburger damals noch völlig unüblich waren, investierte ich mein Taschengeld in "Wimpy's", woher ich (in der Londoner Zentrale) übrigens gelbe Senf- und tomatenförmige Ketchup-Spender als Mitbringsel nach Hause brachte. Kurz und gut, die Queen wurde vorgestern neunzig und sei von dieser Stelle aus von ihrem wohl treuesten deutschen Anhänger gegrüßt und beglückwünscht, ich hab noch den Ersttagsstempel (sowas sammelte ich eigentlich gar nicht, schon damals nicht) zum Gedenken an ihren Staatsbesuch vom 19. Mai 1965, boah, sah die mal hübsch aus, die war ja noch sehr jung im Gegensatz zu Adenauer oder Lübke oder Erhard, der bald darauf, glaube ich, Kanzler war. Aber der war bekanntlich "Atlantiker" und Adenauer mehr nach Frankreich orientiert, und ich bald auch, denn Frankreich lag doch viel näher, und ich kehrte erst Jahrzehnte später in Großbritannien der Queen zurück, in das mein Vater einst hatte sowieso auswandern wollen. Ich war also eigentlich desinignierter Brite, nicht wahr?


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  • Ice-Age-Eichhörnchen als RostskulpturAls Kunstsammler bin ich und bleToter Fuchs im Grüngürtelibe Veganer. Wohlgemerkt: das MALEN von Fleisch und Würsten (oder von Menschenhaut, hihi) hat ja noch keinem Gottesgeschöpf wehgetan. Ich denke an die prächtigen niederländischen Stilleben mit Hasen, Fasanen und Schweinsköpfen, die Bilder heißen ja ebenfalls Schinken, aber das Öl, was man da vermalt, beutet die Fauna nicht aus, oder? Halt, das Eitempera, das die Maler älterer Schule verrührten, ist sicher auch nicht vegan? Na schön, beschränken wir uns auf Zeichnungen und Aquarellschers. Und was ist mit "Hausenblase", eines meiner Lieblingswörter, die braucht man doch als Fixativ zartester Gouache-Tinten? Wie man heute las, ist das Angucken von millionenteuren Damien-Hurst-Skulpturen (aufgeschnittene schwangere Kühe, Haifisch in Gelee) wegen der dabei ausgasenden Formaldehyd-Moleküle auch gar nicht gesund. (By the way, ich kam als astronomisch interessierter Laie auch nie klar damit, dass es einen Stern namens Fomalhaut gibt, ich las immer ein "r" hinein, und dachte, ha, ha, der Form-Aldi-Hit wird dort als Nationalhymne gesungen!) Ich lese in meiner Morgenzeitung dazu den schon des Konjunktiefs wegen bedenkenswerten Satz: "Bei einer Messung von 5 ppm würden die Augen tränen und die Betroffenen ein deutliches körperliches Unbehagen verspüren." Na bitte, eine Gefahr für die kunstinteressierte Bevölkerung war nicht feststellbar und hat laut Präparatorenfirma zu keiner Zeit stattgefunden. Fischförmige Bank in ListAber was ist mit den Fachleuten, die das untersucht haben? Sicher sind die von irgendwelchen Tierschützern aufgehetzt worden, um auf Deibel komm raus schlechtere Meßergebnisse zu erzielen. So hat man auch den VW-Konzern kaputtgemessen. Sie hätten, so die Morgenzeitung, "Dämpfe des krebserzeugenden Gases festgestellt, die mit 5 ppm (Teile einer Million) ein Zehnfaches der zugelassen Dichte überschritten." Aber wieso überschritten 5 ppm gleich das Zehnfache der "zugelassen Dichte"? reicht die Überschreitung der zugelassen Dichte des Formaldehyddampfs nicht völlig aus, muss nun aus lauter Öko-Alarmismus nun noch das Zehnfache überschritten werden?

    Inzwischen waren wir wieder in der Oper, Don Giovanni, ganz ausgezeichnetes Gitter-Bühnenbild, Sänger taugten etwas, und die spielten auch klasse, manchmal wurde es zieEintrittskarte zum Hügelgrabmlich schnell und der Dirigent Franz-Xavier Roth hetzte mit überhöhter Geschwindigkeit durch die eigentlich per Metronom vom überhasteten preßtißißiimo herunterzutemperierenden Tempi.Quartzgranit im Steinzeitgrab Interessant ist, dass ihm der Korrepititor oder Inspizient oder wie das heißt, vor Beginn der Aufführung einen silbrigen BLEISTIFT aufs Pult legte, richtig mit Bleistiftspitze, in die Mitte der Partitur der Ofentüre, und ich denk, der notiert sich vielleicht das eine oder andere, nee! der nimmt ihn in die rechte Hand und dirigiert damit, zwischendurch kaute er auch mal daran, wie meine Liebste bemerkte. Ich hab schon John Elliot Gardiner dirigieren sehen, ziemlich locker, eine Hand in der Tasche und dann immer so Bewegungen, als wolle er eine eher kleine Superconstellation in den Landeslot einweisen oder auch mal, wenn es ganz wild wurde und Pauken und Gong eingesetzt werden sollten, so mit beiden Händen zwei Gänsefüßchen in die Luft malend. Apropos, neulich kam am Frühstückstisch bei uns die Frage auf, wieso niemand bei dieser neu entwickelten menschlichen Meta-Kommunikations-Regulierung die Gänsefüßchen NACHEINANDER in die Luft malt, immer werden sie gleichzeitig mit dem Aussprechen des in Gänsefüßchen zu setzenden Wortes abgemalt, bersonders gern von Oliver Welke in der Tagesshow. Soll man das so verstehen, dass alles auf einmal geschieht, Aussprechen des Wortes und gleichzeitig Infragestellen seiner Bedeutung in aller Eigentlichkeit? Man sollte vielmehr die Herkunft der Gänsefüßchen aus der Schriftkultur respektieren und sie schon mal Anführungszeichen nennen (das erste, ja, aber das zweite? Kein-Hundeklo-Schild in SyltAbführung? nee, lieber nicht, klingt nach Abführmittel, oder "Abführen, den Übelmann"; unterscheiden wir es in "öffnendes" und "schließendes Anführungszeichen"). Und zweitens sollte das erste Anführungszeichen VOR Aussprechen des Wortes mit der RECHTEN (jawohl!) Hand bzw. mit zwei Fingern derselben (Zeige- und Mittelfinger) in die Luft gemalt werden und das zweite mit der LINKEN, d. h. erst, wenn man es ausgesprochen hat, und keine Sekunde vorher. So lassen sich auch längere Zitate aus der wörtlichen Rede unmißverständlich als solche kennzeichnen, zu. B. Witze, oder satirische Beiträge. Deshalb erst das reche und dann das linke Patschhändchen heben, weil die "Leserichtung" des Ausgesprochenen für die UmstehendenGosch_alkoholangebot ja auch von rechts nach links geht, gelle? Hätte der Böhmermann das beherzigt, müsste er sich jetzt nicht vor dem königlich-preußischen Halsgericht verdrücken, das ihn bis zu fünf Jahre ins Loch schmeißen wird, wegen Majestätsbeleidigung. Der letzte, der damit zu tun hatte, war übrigens Gottfried Keller, der einer Freundin helfen wollte und die Korrekturfahnen der Bücher ihres verstorbenen Onkels, die in einem schweizer Verlag erscheinen sollten, danach durchsah, ob sie wohl in Preußen erlaubt sein würden, in dem Manuskript ging es vielfach um den neuen Franzosenkaiser Napoleon III., "da war es einfach", erinnerte sich Keller, "ich mußte nur unzähligemal das Wort Lump oder Schuft streichen", genutzt hat es nichts, die Bücher blieben verboten und der schweizer Verleger durfte sich entschädigungslos aus der Affäre ziehen und den weiteren Verlag der Bücher stoppen, der Rest dieser Serie erschien dann in Hamburg.

    Steinzeitgrab von innenIn Hamburg kamen wir mit dem Zug durchgerast, am Gleis in Altona mussten wir uns ganz schön abhetzen, um den privat betriebenen und daher auf das Zusammenspiel der Bundesbahn-Verspätungen nicht angewiesenen Inselzug noch zu erreichen, und so gelangte ich am anderen Ende meiner Lebensmitte doch noch mal auf den "Ballermann des Hamburger Bankenviertels", nämlich nach Sylt. Tatsächlich kommen die meisten Besucher entweder mit Hund, damit der mal richtig den Strand und die Dünen vollscheißen kann, (dafür gibt es an jeder Ecke Schilder, die besonders gern angepinkelt werden) - für mich als Hundehalterhasser eine gute Konfrontationstherapie - oder zum Saufen dahin. Schon morgens sind bei Sturm und Eisregen die Strandkörbchen voll mit Leuten und selten fehlt die Bierpulle, das Piccolöchen oder der kleine Feigling im extra dafür vorgesehenen Getränkedosenhalter. Die Kellnertruppe bei Wonnemeyer muss uniforme T-Shirts tragen, Wonnemeyer's Strandlokalauf der man die tröstlichen Worte "TRINKEN HILFT!" lesen kann. Ich erkläre mir das so, dass der protestantische Hanseat als solcher nicht gerne besoffen oder verkatert im Rinnstein seines Wohnviertels gesehen wird, dafür ist Sylt so eine Art Las Vegas in der Wattwüste, wo alles erlaubt ist, womit man sich die Kante geben kann (bestimmt wi. Und da der Hamburger an sich mit Geld umgehen kann, fehlt es nur an Spielhöllen oder schickeren Hotels wie Cesar's Palace, dafür holt man sich halt ein Krabbenbrötchen bei GOSCH, einer Imbißkette, die es inzwischen auch im Kölner Hauptbahnhof gibt. Meine Frau war ganz begeistert von einer hummerförmigen Tupperware, in der sie uns rosafarbene und sehr gut schmeckende Matjes eingekauft hat. Die Dose gab es umsonst dazu. Sie verkaufen auch Krebsfleisch dort, und fragt man den Koch, der das rosa Gewurstel im Wok hin- und herschiebt, wo die Krebse dafür her seien, sagt der mürrisch-ehrlich "vom Mississippi"!

    In Wenningstedt wollte ich eigentlich nur den Friedhof besuchen und verirrte mich dann selber in eine olle Friesengruft. Da sollenWenningstedter Friedhof mit Mimengrab Steinzeitleute die Riesensteine aus der Eiszeit, u. a. einen Rosenquartz, zusammengetürmt und rund 12 ihrer Leute dort beigesetzt haben. Hügelgrab bei WenningstedtDie technische Seite der Angelegenheit wurde uns ganz gut erklärt durch einen Ingenieur. Auf dem neuzeitlichen Friedhof des Orts hat sich ein Steinmetz getummelt, der sehr komplizierte Schreibschriften auf die Grabsteine meißelt. Wir fanden da auch das Grab eines Lieblingsschauspielers von mir, Heinz Schubert, den alle nur als seine Rollenfigur ("Ekel Alfred") gekannt haben. Als ich noch jung war, gingen ich und meine Freunde öfters in ein griechisches Restaurant, da stand einer am Tresen, von dem wurde gesagt, das sei der Schauspieler von Ekel Alfred, mit dem unterhielt ich mich mal. Er sei hier, sagte er, weil er in kölschen Eckkneipen sein Bier nicht mehr trinken könne, da würde er aggressiv angemotzt, was er denn seiner Familie wieder für einen Scheiß über Willy Brandt und die Polen erzählt hätte neulich. Da tat er mir sehr leid. Die Leute können zwischen der Fernsehwirklichkeit und ihrem meist ereignisarmen Leben gar nicht mehr unterscheiden, wenn einer, den sie vom Bildschirm kennen, stirbt, rufen sie die Angehörigen an und deklarieren ihr Beileid - sie glauben, ein Recht darauf zu haben, denn der Verblichene saß ja schließlich Abend für Abend bei ihnen am Eßtisch. Und bei Heinz Schubert war das besonders gemein, denn der war doch ein Schauspieler aus der Brecht-Schule, hatte am Berliner Ensemble gespielt, außerdem war er ein begabter Fotograf, der sogar schon auf der Documenta ausgestellt hat. Nun ist er von der WeNoch mehr Likörellen und Ottifantenlt, die nur zu oft die Bretter vorm Kopf bedeutet, abgetreten, in Wenningstedt unter dem Rasen. Ich hoffe, er hat dort den Frieden, deLikörellen-Galerie in Westerlandn er an der Theke der griechischen Weinlaube an der Alten Feuerwache gesucht hat.

    In Westerland aber fanden wir die Verquickung von Kunst und Schnaps in Gestalt der Likörellen. Diese Maltechnik hat der Musiker Udo Lindenberg erfunden, offenbar an der Hotelbar. Ist das Rathaus, in dem der NS-Kriegsverbrecher Heinz Reinefarth, beim Warschauer Aufstand als kommandierender Militär beteiligt, über zwölf Jahre das Bürgermeisteramt innehatte, schon beeindruckend genug (man hat dem Skandal eine sehr ausführliche Gedenktafel gewidmet, aber ich fürchte, außer uns liest sich das kein Tourist durch), schließt sich gleich daneben die Udo-Lindenberg-Galerie an. Auch Otto verscherbelt seine Ottifanten dort. (Aber nicht, dass man die Westerländer jetzt als Banausen hinstellt, sie haben einen sehr rührigen Kunstverein, wo wir noch kurz vor der Abreise tolle Textilkunst von Guda Koster sehen konnten, die sich immer selber darstellt und zwar meist mit textilen Oberflächen getarnt.) Wir waren ganz erstaunt, dass der Schriftzug "UDO LINDENBERG" den des Rathauses bei weitem in den Schatten stellte. Natürlich kann man sich auch die flüssigen Farben, die Lindenberg zum Malen benutzt, fläschchenweise als Souvenir mitnehmen oder gleich hinter die Binde gießen.


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