• Den Raupen entrann ich
    Gegen Pilze bekam ich Medikamente
    Aufgefressen wurde ich
    von der Blattlaus
    So frei nach Brecht könnte das Gedicht der Nachkriegsrose lauten, die in Adenauers Rhöndorfer Garten das Licht der Morgensonne erblickte und von der sich ein Ableger nördlich nach Köln in den Vorgarten unseres Mietshauses verirrt haben muss, so hochgewachsen und blütenreich nimmt sich der prachtvolle Stamm neben unserem Terrassenbalkon aus. Blüte über Blüte poppt auf und krönt in luftiger Höhe den Stock. Allerdings erfordert die Pflege dieses Pflänzchens nicht nur tägliches Gießen, sondern ständige Leibesvisitationen. Ich wusste schon immer, dass Gärtnerei was Perverses hat. Der widerspenstig Kratzenden mit behandschuhten Fingern unter den Blütenrock fassen - Blatt für Blatt befingern - die Stängel auch in Bodennähe mit süßem Tau benetzen - und, ja, den holden Duft einatmen und das Gesicht in volle Blüte versenken wie dieser Opi, dessen Frau von hinten ruft: "Machsten du da?" in einer der letzten Karikaturen des verstorbenen Satirikers Chlodwig Poth (nach dem in Frankfurt übrigens schon eine Grünanlage benannt ist). Vor über 200 Jahren hat das ja auch schon Christoph Martin Wieland in klassischer Schweinkramlyrik angedeutet:

    Das Gärtlein still vom Busch umhegt,
    Das jeden Monat Rosen trägt,
    Das gern den Gärtner in sich schließt,
    Der es betaut, der es begießt,
    Es lebe hoch!

    Aber halt! was ist das, was da unter dem Kelchrand krabbelt, durch die noch eingerollten, rötlichen neuen Triebe wurmt, sich zu Kolonien unter den Blättern ballt! BLATTLÄUSE und anderes Ungeziefer, das wir Tag für Tag bekämpfen müssen. Das zarte, duftige Wesen verlaust, löchrige Risse in der Haut oder gar aufquellende schwarze Quaddeln sind dem Lustgewinn des Gärtners abträglich. "Euch werd ich's zeigen!" (Chlodwig Poth) Die Raupen, Käfer und die schwarzen Blattläuse lassen sich noch einigermaßen bequem durch die Wasserwerfermethode (Spritzkanne) beseitigen, selbst in großer Höhe. Über Kimme und Korn visieren, Zielpunkt nehmen und zack! abdrücken, kein Flächenbombardement, versteht sich, sondern kurze, effektive Luftschläge. Heißa, da purzeln die ungebetenen Gäste von ihrem schwankenden Chlorophyllfloß und stürzen ins Ungewisse hinab! Bei den weißlichen Blattläusen, ein schleimiges Gezücht, muss man die härtere Tour fahren, die klammern sich geradezu verzweifelt an die Unterseite gerade der Blätter, wo man sie am wenigsten vermuten möchte, und müssen einzeln abgerieben werden, hinterher kann man allenfalls die Finger, an denen sie saugnapfartig klebenbleiben, mit der wassergefüllten Spritzpistole reinigen. Raupen - na schön, die schleudern wir ins Gras, gegen Schmetterlinge haben wir ja auch nichts. Aber alles Unnütze, das der reinen Schönheit der Rose abträglich ist, wie dieses vermaledeite Blattlausvölkchen, gehört gnadenlos ausgemerzt. Ich wusste schon immer, dass Gärtnerei was Faschistoides hat.

    Dazu gehört auch die Einteilung in "unerwünschter Schädlingsfraß" und erwünschte, ja bewillkommnete und bewirtete Gäste. Die Meisen führen zu festen Tischzeiten ihren Akrobatenzirkus auf, aber gestern, bei starkem Wind und unberechenbaren Böen, hielten sie sich auffallend zurück. Dafür kam gegen 16.00 - wir saßen gemütlich bei Gemüsepizza und grünem Thee -, ein bräunlicher Vogel direkt auf uns zu, vielleicht wollte er an den Knödel? Aber er war viel zu schnell, mir schien, dass er schon unsicher trudelte, und plonk! knallte er gegen das Küchenfenster und fiel rücklings in den Balkon runter. Ich stürzte hinaus, wollte ihn in die Hand nehmen, da zuckte er noch was und legte den Kopf zur Seite. Dank google-Bildsuche wissen wir, dass es eine Amselin war. Unser Fenster wird ja auch von Elstern angesteuert, die sich - zum Ausbaldowern der Entfernung zu den darüber hängenden Meisenknödeln - in die Küchenkräuter setzen (lässt sich durch Wäscheklammern am Blumentopfrand verhindern), und heute früh sah meine Frau einen prächtigen Buntspecht, der keine Schwierigkeiten hatte, sich am Meisenknödel zu bedienen. Einen Grünspecht und einen Eichelhäher hatte ich schon neulich in der Vogelbadewanne entdeckt - leider auch ein Amselweibchen, das vor Tagen noch lustvoll herumplantschte, vielleicht war's dasselbe, das auf unserem Balkon verunglückte und binnen Sekunden den Tod fand? Oder war es in der Vorgartentanne nistende Mutter, vorn, direkt vor dem Rosenstock (neulich erst hörten wir den Nachwuchs fiepen)? Litt sie gar an einer postnatalen Depression, sah sie, nachdem die Brut sprechen gelernt hat und womöglich flügge geworden ist, keinen Sinn mehr im Dasein und raste absichtlich ins Verderben? Gut, wir haben große Fenster, aber nie hat sich ein Vogel an die Scheibe verirrt, und eine Warnsilhouette drankleben wollen wir auch nicht, nachher trauen sich die Meisen nicht mehr an den Futterplatz... Wenigstens hat sie nicht lange leiden müssen wie das Tier in diesem fast schon unappetitlich rührenden Vogelschützerblog. Wer weiß, wenn sie überlebt hätte, wäre ich genauso verzweifelt gewesen und hätte versucht, ihr zu helfen, sie zum Tierarzt geschleppt... aber so luden wir den kleinen Leichnam auf die Kehrschaufel und schleuderten ihn über den Zaun in das Brachland. Unfreiwillig verhalfen wir dadurch wohl auch noch den gefiederten Räuberbanden zu einer Abendmahlzeit. Sie werden's uns nicht zu danken wissen, die sich gegenseitig in Schach haltenden Elstern und Raben, oder die hochmütigen Falken, die in den Schornsteintürmen der ehemaligen Ziegelei nisten.


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  • "Rose, oh reiner Widerspruch", dichtete Rilke, und in der Tat: zwischen den beiden Erziehungsmodellen, die da lauten: Führen oder Wachsenlassen kann sich jemand, der diese Pflanze pflegen will, irgendwie nicht sinnvoll entscheiden. Terrasse straßenseitigIst das schon wieder dialektisch zu verstehen? Jedenfalls zeigte meine zweite Rosenkur (nach zehn Tagen soll man das Bestäuben mit Pilzgift wiederholen), dass am Rosenstock, dem es zwischenzeitlich besser ging - weil oder obwohl ich ihn in Ruhe ließ? - , doch wieder einige gelbende oder schwarzbepunktete Blätter bemerkbar sind. Inzwischen waren die meisten Knospen in aller Herrlichkeit aufgegangen und wir haben mehrere Dutzend Blüten am Strauch (einzelne abgeblühte Zweige habe ich nach der Drei- bzw. Fünf-Blätter-Regel zurückgeschnitten). Blattläuse habe ich nur noch an einem Blütenstamm entdeckt Rosenschnittund auf dieselbe Weise entfernt, wie die Stuttgarter Eingreiftruppe den Stuttgart-21-Bauplatz von Demostranten "säuberte" - mit gezieltem Wasserstrahl, allerdings nur aus meiner mikrofeinen Zerstäuberdüse. Dann ging ein neues Blättersammeln und -entfernen an, und zum Schluss wurden die stehengebliebenen Stängel mit dem anderen Zerstäuber voll milchigen Teufelszeugs eingewölkt.Küchenkräuter Übrigens fand ich einzelne häßliche Käferlein, die sich frech in den blütenwärts gelegenen Blättern einquartiert hatten - gemeine oder goldglänzende Rosenkäfer (im Jahr 2000 "Insekt des Jahres", my god!) waren das nicht, ich konnte sie nach Herzenslust und ohne Übertretung irgendwelcher Naturschutzbestimmungen zerquetschen. Es war mehr so eine eklig-orangefarben-schwarzgemusterte Variante (vielleicht Kongo-Rosenkäfer?), die bei Berührung mehr oder weniger zu Staub und weißem Schleim zerfiel, vielleicht waren sie auch schon tot oder geschlüpft oder was.

    Hinten am Garagenhof blüht auch eine Rose als Beispiel für "Wachsenlassen". Dort verspritzte ich den Rest von dem Pilzgift, aber insgesamt ist dieser "naturbelassene" Strauch, der sich vermutlich aus hinter den Zaun gekippten Gartenabfällen entwickelt hat (und jetzt mit einem Brombeerstrauch konkurriert) bedeutend gesünder, hatte nur minimal verpilzte Blätter und gar keine Blattläuse, dafür aber eine größere Zahl von Käfern. Viel machen musste man da nicht. Aber damit nun keiner denkt, ich würde mich nur mit dem Hochadel der Blumen abgeben ("das Vollkommenste, das die Erde in unserem Klima hervorgebracht hat", J. W. v. Goethe über die Rose): Heute früh hab ich beim Discounter zwei lila Margeriten begnadigt, die schon auf den Gratis-Abstellplatz ausgesetzt waren und entsprechend vermickert wirkten. Sie wurden erstmal kräftig gewässert, dann vorläufig eingetopft, nochmal begossen und besprüht und in die Sonne gestellt, die sie in der Pflanzenfabrik bestimmt noch nie gesehen haben. Eine hat sich zumindest bis jetzt erkräftigt und wirkt ganz lebendig, ob's auch die andere schafft, zwei maulhängcholische Blüten sind dran, die ich mit je einer halben Wäscheklammer stütze, mal sehen... eine der Wäscheklammern ist grade umgefallen und, sapristi, die nickende Blume hielt den Kopf weiter oben als zuvor.

    Boltens SchallplatteUnser Kräutergarten ist inzwischen auch herangewachsen; während meine Saaten - vom Basilikum abgesehen - nur sporadisch aufgingen (die Kresse, okay, die haben wir schon abgeerntet und ich habe neue in gesäuberte Frischkäse-Plastikpackungen angesetzt), bilden die Rühlemannskräuter in ihrer Zinkwanne geradezu einen Dschungel. Wir benutzen sie nur zuwenig, eigentlich sollte man jeden Tag Melisse-Pfefferminztee zu Pesto-Nudeln und Ruccolasalat servieren - aber was wird dann aus dem Bohnenkraut, Estragon, Liebstöckel? (Von letzerem habe ich vor kurzem verdächtige Pünktchen, die ich für Blattläuse hielt, einfach mit den Fingern abgestriffen - die sind seither noch nicht wiedergekommen.)

    Mich erinnert der Anblick der Balkon-Oase - nur die Petersilie fehlt, die wäre aber besser im Boden angesiedelt, und da müssen wir mit Hundebedüngung rechnen - an das schöne, freilich tieftraurige Lied Scarborough Fair von Simon & Garfunkel, das mein Freund Oliver Bolten auf einer seiner verschollenen Vinyl-Schallplatten (Und bin doch immer noch hier) in feinfühliger Übersetzung kongenial eingespielt hat. Mein Liedermacherkollege tritt übrigens immer noch in seiner alten Verkleidung als Wiedergeburt des François Villon auf und begeistert das Publikum mit den Jammerballaden und Hasstestamenten des Argot-Barden, in den bekannten und vielvertonten, von Bolten teils überarbeiteten Nachdichtungen von Paul Zech. (Zech war der sprachkräftigste Eindeutscher des Villon-Balladenwerks, allerdings nicht so romanistisch korrekt wie Karl Klammer, genannt K. L. Ammer, dem Brecht seine Anleihen in der Dreigroschenoper verdankt. Kürzlich wurde in der Ausstellung von Karikaturen des Karl Arnold, der eine frühe Ausgabe dieser Villon-Nachdichtungen illustriert hat, in einer Beschriftung im Kölner Käthe-Kollwitz-Museum doch tatsächlich spekuliert, K. L. Ammer sei ein Pseudonym für Karl Arnold! Im Katalog fand sich dieser Fehler gottlob nicht wieder.) Der Text soll demnächst auf Boltens Webseite eingestellt werden: Das Lied heißt Zwischen Rosenduft und Jasmin, und ist genauso traurig wie die Paul-Simon-Version: eine Aufzählung unlösbarer Aufgaben, die ein Verlassener seiner Verflossenen stellt, und - in Gottes Schöpfung kein Gewächs / blüht so giftig wie der Ex - jedesmal mit dem Kehrreim schließen lässt: "...mag sein, dass ich dann wieder gut zu dir bin!"


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  • Denjenigen, die uns besuchen und die gern im Grüngürtel spazieren, konnten wir bisher ein Spektakel zeigen, über dem die Kreisregierung gemeinsam mit der Sittenpolizei zum 1. Mai (Tag der Arbeit!) den Vorhang senkte. Nuttomobil-GeländeDie Nähe der Kaserne, des Großmarkts und des Autobahnzubringers hat zwar nicht dazu geführt, die Tante-Emma-Läden (Lebensmittel, Schreibwaren, Drogerie) unserer main street zu erhalten. Hier gibts nur noch Bestattungsunternehmen, Pflegedienste, Krankengymnastik, Apotheken, Kosmetik- und Frisiersalons; Richtung Zollstock kommen noch Floristik, Cafés und Grabsteinmetze hinzu. Doch ein anderes, horizontales Gewerbe, das angeblich-älteste der Welt, hatte bis kürzlich Hochkonjunktur. Und das nahm sich so aus: Direkt am Militärring, auf bundeswehreigenem Grundstück (seltsamerweise soll das bei dem Parkstreifen an der Seite der Fall sein) hatte sich seit Jahren eine Wohnwagenkolonie etabliert. Wie die so Stoßstange an Stoßstange stehen, eine abgestellte Mobil-Rostlaube neben der anderen, hätte man fast den Eindruck eines Campingplatzes an der Côte d'Azur (eines, wo Zelten verboten ist) gewinnen können. Brühler-StraßenprostitutionManche der Hütten waren von LED-Girlanden erleuchtet, einige der Rückfensterchen ließen Herzchen sehen oder auch Namen in Zierschrift wie KITTY, NIKKI oder LYUDMILA. Nur von Gartenzwergen und Jägerzäunen, wie sie im Bergischen Land die Schlafstätten der Dauergäste zieren, war nichts zu erkennen. Auch Rast und Muße suchte man auf diesem Rastplatz vergebens, denn rund um die Uhr war hier ein Abbiegen und Schrittfahren und Anhalten wie am Flughafenterminal - das ging praktisch morgens in aller Herrgottsfrühe los, erreichte nach den normalen städtischen Büroschlusszeiten ca. 16.00-19.00 den Höhepunkt und war nach 22.00 immer noch nicht zu Ende, winters wie sommers! Morgens kamen allerdings die schwereren Kisten, da wurde wohl abkassiert, und bullige Glatzköpfe mit mannscharfen Kötern machten die Runde. Übrigens standen auch auffallend viele Wagen mit einzelnen Fahrerinnen in den Wald-, Rad- und Fußgängerwegen herum, die sonst noch vom Militärring abgehen. Und weiter zum Bonner Verteiler zu, in einiger Entfernung vom Wohnwagenfriedhof, sah man schon am frühen Nachmittag hochhackige Spaziergängerinnen in Minishirt & Glitzerkleidern am Rand des Grünstreifen stolzieren, selbst in nächtlicher Finsternis ohne reflektierende Warnschutzwesten! Jahrelang lief das so seinen kölschsozialistischen Schlendergang, angeblich war nichts zu machen, seit 2005 ist Prostitution nicht mehr verboten, sogar sozialversicherungspflichtig, und weil kein Kindergarten in der Nähe sei und  der stadtauswärts gelegene Teil des Grüngürtels nicht mehr zum Stadtgebiet gehöre, weil die Stadt Hürth auch kein Interesse an der Angelegenheit zeige, weil weit und breit nur Autobahn, aufgelassene Fabrikgelände, Containerbahnhof und Kaserne angesiedelt seien (angeblich kein Wohngebiet), die Kreisregierung zuständig sei und so weiter... kurz, man ließ alles beim alten und damit zu, dass eine Bulgarenmafia sich und ihre Pferdchen hier fest installierte. Allerdings hatte man zu Jahresbeginn 2010 den Kalscheurer Weiher und seine Ufer neu gestaltet, der liegt wenig tiefer im Grüngürtel, ein Verein hat dort ein nicht-kommerzielles Kaffee- und Bootsverleihbüdchen eröffnet, in der Nähe entsteht neue Wohnbebauung, und schließlich sind sogar wir hierhergezogen (immerhin ein Beitrag zur intellektuellen Gentrifizierung). Sonntagsspaziergänge in den Grüngürtel, Jogger/-innen zuhauf, das sog. Umfeld wandelte sich... Und als gar die ambulanten Damen (das schien eine Konkurrenz zu den Wohnwagen-Behausten zu sein) bis nach Meschenich auf der Landstraße anschaffen gingen (mit Kühen und Rapsfeldern als Hintergrund, ein seltsamer Anblick), wo in letzter Zeit selbst bejahrte Dorf-Omas an der Bushaltestelle von Autofreiern angequatscht wurden (ein befreundeter Lyriker sagte neulich, seine zwei hübschen Töchter hätten als studentischen Ferienjob mal eine "Verkehrszählung" am Militärring durchführen sollen, die könnten Abenteuerliches berichten!), war der politische Wille da. Plötzlich gab es eine Bürgeranhörung, die Kreisregierung wurde aktiv und seit 1. Mai 2011 gelten neue Sperrgebietsgrenzen. Sperrbezirke in KölnDiese sehen zwar vor, dass Nachtarbeiterinnen von 20.00 bis 6.00 auch am Grüngürtel und in angrenzenden Vierteln tätig sein dürfen, nicht aber zu Tageszeiten, nicht auf dem Weg nach Meschenich und insbesondere nicht in fest auf dem Parkplatz installierten Wohnmobilen. In Nullkommanix waren die ganzen Apparillos verschwunden und vermutlich hat man den Platz anschließend auch noch von Myriaden von Einwegspritzen, gebrauchten Kondomen und Viagra-Streifenpackungen reinigen müssen. (Bei uns gegenüber besitzt jemand so ein überdimensionales Blechhotel, besitzt auch noch ein zweites Trumm in der Art - wir parken schon möglichst unser Auto vor dem Wohnzimmerfenster, damit wir nicht dauernd auf die "Knaus"- oder "Hymen"-Fassaden - sprechende Markennamen - starren müssen. Er stellt sie fast täglich von hinnen nach dannen - Fahndungsfotonicht wegen der Parkplatzsache, man darf ja nicht ununterbrochen auf der Stelle stehen, sondern er ist oft tagelang nicht und dann wieder da, und ich hab den leisen Verdacht, auch das Vermieten an die Mafia könnte lukrativ sein...) Inzwischen geht nämlich der Rummel am Containerbahnhof Eifeltor weiter (das ist der weiße Fleck auf der Sperrbezirkskarte), dort dürften sich inzwischen die Wohnwagen knubbeln, denn da war schon kaum noch Platz für Konkurrenz, wie der Kölner Stadt-Anzeiger berichtete. Was mich am meisten dabei wundert, ist die Tatsache, dass es gar keine Prost-Institution in der Nähe gibt. In meiner Jugend konzentrierte sich das Angebot in der Innenstadt, an der sogenannten Brinkjass, da lagen die Apartements und Stundenhotels, vor die hatte man sogar ein Mäuerchen gezogen, damit wir Kinder nicht die lange Schlange einsamer Männer sähen, die sich ziemlich hinzog. Sinnigerweise zweigte die Brinkgasse von der "Ehren"straße ab, die eine hohe Kneipendichte zum Mutantrinken besaß und deshalb besser Schandenstraße geheißen hätte. Das wurde dann aufgelöst und ein sog. "Eros-Center" an der Inneren Kanalratte eingerichtet (zum Stadtteil "Ehrenfeld" gehörig!). Worauf sich der Straßen-, Kneipen- und Autostrich schwemmflutartig in der Innenstadt vermehrte. Ich wurde selber angesprochen, damals noch langhaarig! Denn um in das Eros-Center zu kommen, musste Mann sich das ja vornehmen, und zumindest ein Aspekt dieses Geschäfts besteht (möchte ich vermuten!) doch darin, beduselte Saufnasen abzuschleppen, die guter Dinge sind, sich gern vor dem Heimgehn noch was aufmuntern lassen, sowieso nicht mehr recht wissen, wie's geht, und nach etwas Gerubbel beseligt ihren Fuffi rausrücken. Ein anderer Teil der Kundschaft fährt zielgerichtet dorthin (oder lässt sich bringen - Taxifahrer kriegen in bestimmten Saunaclubs 50 EUR, wenn sie ihre Gäste vor der Tür abladen), wo man sich nach Feierabend amüsieren kann ("ich komm heut später, Schatz, mal wieder 'ne Konferenz!") -, aber doch nicht, wo in Neonleuchtschrift "Eros-Center" drübersteht und man womöglich fotografiert wird oder einem Journalisten auf Recherche begegnet. Biegt man hingegen am Parkstreifen beim Heeresamt ein, kann man sich ja auch verfahren haben ("ich wollte nur den Sicherheitsgurt richtig einschnappen lassen!") oder fährt wieder raus, falls man vor sich das Nummernschild vom Wagen des Abteilungsleiters erkennt... Jedenfalls ist zur Zeit "Ruhe im Puff", wie man humorig sagen könnte, der Caravanstrich hat ein Ende. Wovon mögen nun die bulgarischen shareholder leben? Der Übelste von ihnen, in der einschlägigen Szene unter dem Decknamen "Nutten-Nikolaj" bekannt, ist übrigens landflüchtig, von ihm existiert nur ein unscharfes Fahndungsfoto. Sachdienliche Hinweise nehmen alle Polizeidienststellen sowie die Verkehrsministerin entgegen!

    Karikatur Karl Arnold

     "Ja, Kleenes, wie icke noch bei't Jeschäft war, war pervers nur Sache des feinen Kavaliers - aber seit die Umwälzung valangt ooch der einfache Bürjer sein Recht!"


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  • Einer der größten Vorteile dieser Wohnung ist, nach vorn heraus (Wohnzimmer) ebenerdig und nach hinten (Küche) im 1. Stock zu wohnen. Balkonterasse vorn herausDas liegt am Raderthal, laut Geschichtsbuch floß hier einmal der Rhein lang, noch im Mittelalter. Das tägliche Panorama-Dorfkino ringsum ermöglicht allerlei Beobachtungen in der belebten Natur; Küchenkräuterkrambalkonspeziell nach hinten heraus gehen zumindest die Tiere ungestört ihren Geschäften nach und bemerken den neugierigen Betrachter gar nicht. Ein Fernglas liegt auch schon griffbereit, leider nicht der Fotoapparat. Erst vorhin war ein gräulich-bräunlicher, ziemlich großer Vogel mit braunschwarzem Schnabel (ich tippe mal auf Amselweibchen) in der Vogelbadewanne gelandet (in die ich neulich beim Fliederdoldenköpfen rückwärts reingetreten bin) und hat ein ausgiebiges, pudelnasses Vollbad genommen. FutterhausAngesichts der mittlerweile zwei Meisen-Gehänge, ein Ball und eine etwas kniffliger zu bespringende Stange mit Nüssen, und der Streufutter spendenden lila Blechkatze (bei "Depot" gab es alle Balkon-Dekoware zu 30 % billiger, mit sowas kann man mich immer ködern...) legen die Meisen vor dem Küchenbalkon einen regelmäßigen Vierecks-Parcours hin: Tanne - Flieder - Balkongeländer oder Blechkatze (mitunter auf den Knickohr balancierend!) - Knödel.

    Das neulich gezimmerte Wohnhaus wurde übrigens noch nicht "angenommen", außerdem erwies sich das avantgardistische Walmdach als Fehlkonstruktion. Es blieb zwar gut verankert an der Blech-Schelle im Ast hängen, aber der Sturm sorgte dafür (oder es setzte sich diese fette Taube drauf, die hier immerzu in den Wipfeln herumhüpft?), dass sich die Schrauben lösten & das Haus herabfiel - nicht auszudenken, was für eine Familientragödie passiert wäre, falls bereits ein Vogelpaar mitWohnhaus Nachwuchs drin gewohnt hätte. Die unausgebrütete Leibesfrucht wäre am Boden zerschellt, man hätte in der gesamten hiesigen Tierwelt mit dem Finger, pardon, der Kralle auf mich gezeigt: "Kein Urlaubsort, wo Vogelmord!" (Diesen Spruch las ich um 1980 auf einem antiitalienischen Aufkleber im WDR-Paternoster.) Kurzerhand wurde das wellige Blech durch ein solide genageltes, wasserabweisendes Plastik-Flachdach ersetzt (Deckel einer XXL-Packung Body-Building-Kraftfutter, das irgendwer im Haus verzehrt - jedenfalls lag die leere Dose in der Gelben Tonne) und mit einem Wandbildhalter versehen. Jetzt hängt das Häuschen an der rückwärtigen Fassade, in einiger Entfernung vom unruhigen Küchenbalkon über dem Badezimmerfenster. Mal sehen, ob es Bewohner anzieht, dieses oder im nächsten Jahr; beispielsweise sollen Goldammern erst relativ spät siedeln.

    Die Meisen, die morgens herumflitzen, haben vermutlich schon Nachwuchs zu versorgen. Einmal am Knödel gelandet, klammern sie sich in zirzensischer Gewandtheit an, picken gierig zu und wenden sekundenschnell und fast gleichzeitig den Kopf nach allen Seiten, um sich unvermittelt wieder abzustoßen und im eleganten Schwungflug zur Tanne zurückzukehren. Die Nuss-Stange haben wir aufgehängt, damit die nächsten wartenden Meisen schon mal eine Alternative haben. Außerdem war sie bei "Fressnapf" im Angebot - Ausverkauf der Winter-Saisonware! Komisch: Immer wieder hört man leise Vorwürfe, das Meisenfüttern in den Monaten ohne "R" wäre irgendwie schädlich für den Darwinismus, man solle das lassen, abgesehen vom Eingreifen in Gottes weisen Schöpfungsplan führe, heißt es, ganzjähriges Vögelfüttern zu Verweichlichung, Überfütterung, Kotbefall auf dem Garagenhof etcetera etcetera. Weit gefehlt! Und jetzt der ganz schwere ethische Vorschlaghammer: Hier erklärt ein landauf, landab als Fachmann bekannter Professor der Ornithologie, korrespondierendes Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, weshalb es geradezu eine moralische Verpflichtung ist, Vögel zu füttern. Ganzjährig! Wer etwas anderes behauptet, lügt und ist jedenfalls falsch informiert, unmoralisch und / oder ein ganz mieser Charakter. Denken wir an Kant! Handle so, wie du, wenn es allgemeine Maxime wäre, usw. usf. Wäre es die Allgemeine Maxime, so der Professor, würden wir alle auf den Kauf von Leberwurst verzichten, das Geld in Streufutter oder Fettknödeln anlegen und selber uns nicht so überfressen. Die falsche Ernährung zur richtigen machen und gleich weiterleiten. Aber jetzt bloß kein altes Brot mit Leberwurst verfüttern, das tut den Vögeln nicht gut wegen der Schimmelpilze.

    Und was ist mit dem Eichhörchen? Möchten wir etwa, dass sich die Vögel von schnuckeligen, rotbebuschten Oachkoatzeln ernähren müssen, wie sie hier so flink von Baum zu Baum hüpfen und gelegentlich ihre Walnüsse auf der Wiese liegenlassen? Neulich beobachteten wir morgens, wie sich ein Eichhörnchen am Baum festklammerte, in dem zwei Raben lauerten. Der eine hielt sich ein paar Äste höher, sozusagen im zweiten Stock auf, vermutlich um Schmiere zu stehen, der andere suchte verzweifelt nach dem Eichhörnchen, das unbeweglich an der Rinde klebte und, wenn der Rabenschnabel hinter der Biegung des Stammes sichtbar wurde, sich zentimeterweise weiterbewegte. Eine regelrechte Verfolgungsjagd setzte ein, spannend wie "Richard Kimble"! Der Rabe ratlos spähend rings um den Baum herum, die free-climbende Eichkatz ebenfalls. Als sich der zweite Rabe, der mit mehr Überblick, von oben krächzend meldete und flatternd vom Baum abstieß, um den Flüchtling bei dem unteren Raben zu denunzieren, gab sich das Eichhörnchen einen Ruck und flitzte in atemberaubenden Tempo zwischen den beiden schwarzbefrackten Verfolgern hindurch und den Stamm hoch, als wären 1000 Teufel hinter ihm her. Die Raben, schwerfällig wie sie sind, konnten ihm im oberen Gezweig nichts mehr anhaben. Sie ähneln übrigens nicht Kunststudenten, wie Grandville in Un autre monde sie darstellt, Raben-Karikatursondern erinnern an Leichenbestatter. Anderntags sah ich das Eichhörnchen quietschvergnügt wieder herunterkrabbeln, kein Rabe weit und breit. Aber die kommen wieder, die gehören hier sozusagen zur Nachbarschaft.

    Meine Frau meint, das Eichhörnchen wäre ein wahrer Leckerbissen für die Raben, ich kann mir das nicht recht vorstellen. So ein Pelztier ist doch ganz schön zäh und selbst von zwei Raben nicht ganz leicht zu killen, oder? Auch sind Reste ausgeweideter Eichhörnchen, abgelutschte Knochen oder dergl. hier nie zu sehen (im Gewölle eines Eulenvogels fand ich neulich einen interessanten Schädel im Grüngürtel, sah aber eher nach Marder oder Fuchs aus), es sei denn, die Raben machen das wie ihre großen Brüder, die "richtigen" Raubvögel mit den Karnickeln auf der Brachwiese hinter der Schmierölfabrik ab. Ich nehme mal an, die Raben betreiben da oben eine Rabenfamilie und mögen es nicht, wenn der Vormieter jetzt im Frühling an seine Walnußsammlung will. Deshalb dieses Auflauern.

    Für solche und ähnliche Dorfgeschichten habe ich übrigens inzwischen eine eigene Rubrik mit dem Titel "country life" eingerichtet. Vorn heraus zur Balkonseite sind die neuen Pflanzungen herangekeimt, die Rose macht sich und zeigt nur noch selten gelbe Blätter. Thymian und Rosmarin kommen nachher ins Gulasch, die Minze in den Obstsalat. Meine Basilikumplantage wird gewaltig, ich habe sie alle auf verschiedene Töpfe und Kästen verteilt, und vermutlich muss ich sie nochmal umtopfen und schmeiße schon keine Buttermilchbecher mehr weg - das wird eine Menge Pesto geben, falls das alles heranwächst!


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  • Zugegeben (seufz!), meinetwegen. Beim Zeus, ja, ich HABE Dir einen Rosengarten versprochen. Aber damals war ich noch naiv. Da wusste ich noch nichts von saprogenen Pilzen, Sternrußtau & Rosenrost, falschem und echtem Mehltau sowie Blattläusen. Auch nicht, dass man neue Triebe beschneiden, quertreibende Äste abhacken und tote Stängel ausholzen muss.

    Die Sache mit den Handschuhen, ohne die man sich höllisch die Haut ritzen kann, war mir klar, und dass es beim Baumarkt - ich gehe plötzlich mit ganz anderem Blick durch die Gartenabteilungen - Essenzen gibt, die gegen alles Mögliche wirken, ich sage nur: Saprol®, Provado® und Baymat® ...! Diese "systemischen Fungizide mit vorbeugenden Eigenschaften" schonen angeblich Laufkäfer, Siebenpunkt-Marienkäfer, Raubmilben und Wolfsspinnen, sind laut Aufdruck und winzig gesetzter Packungsbeilage bienenfreundlich und absolut pflanzenverträglich. Empfindlich reagieren können nur die Sorten Rock'n'Roll, Kleine Dortmunderin, City of London, Rosa Perle, Christel von der Post, Lilli Marleen, Rumba, Monica, Desiree, Montana und Konrad Adenauer.

    Dass Rosenhege mit fundamentalistischen Umweltschutz-Dogmen eher schwer in Einklang zu bringen ist, ahnte ich ebenfalls. Gegen die Blattläuse: Herzklopfen beim Umtopfeneine Mischung aus geraspelter und in Warmwasser aufgelöster Seifenreste und etwas Brennspiritus, das ging ökomäßig in Ordnung und hat funktioniert! Vor der Pilzbekämpfung mit dem genannten Teufelszeugs, das in der Nähe oberirdischer Gewässer oder Küstengewässer laut § 6 Absatz 2 PfSchG schon mal gar nicht zulässig ist (deshalb so wenige Rosenbeete zwischen Wogenrand und Nordseestrand, auch nicht parsley, sage, rosemary and thyme), zieht man am besten einen Taucheranzug mit Goldfischglashelm über und verdrückt sich für eine Woche per Space Shuttle auf die ISS, um die Wirkung zu beobachten. HAT man erst mal eins der Mittelchen versprüht (Mindestmenge in der üblichen Darreichungsform: 100 ml für 9,99 €, aber davon sind nur zwei Teelöffelchen nötig), muss man es zehn Tage später mit einer anderen, gleich teuren Flüssigkeit wiederholen, sonst bilden sich Resistenzen. Übrigens: Wer den angerührten Liter für den einen schimmligen Rosenstrauch nicht aufbrauchen sollte, darf die Anwendungsflüssigkeit und deren Reste, Mittel und dessen Reste, entleerte Behältnisse oder Packungen sowie Reinigungs- und Spülflüssigkeiten nicht in Gewässer gelangen lassen! "Dies gilt auch für indirekte Einträge über die Kanalisation, Hof-, und Straßenabläufe sowie Regen- und Abwässerkanäle." Sinnvollerweise füllt man die Reste in Castor-Behälter ab und schafft eine unterirdische Endlagerstätte in der Art des CERN-Teilchenbeschleunigers oder der Schachtanlage Asse II.

    Verzichtet man auf die Anwendung, kriegt die glattgrüne Echsenhaut der Rosenblätter erst quietschbunte orangefarbene Pusteln, die, wenn niemand was unternimmt, bald immer dichter auftreten, dann weiß und schließlich schwarz werden, bevor das gilbende Blatt knittrig welkt und vom Stängel herunterkrümelt wie eine überdimensionale abgestorbene Schuppenflechte. Das breitet sich dann nach und nach auf den ganzen Strauch aus. Sind die Blätter erst fleckig, lohnt sich das Giftsprühen nicht mehr; und wehe, man lässt die Blätter am Boden liegen, jedes muss einzeln aufgelesen und radikal vernichtet werden! Sonst verseucht es die gesunden, noch am Strauch befindlichen - denken Sie an Fußpilz. Oder besser noch, denken Sie an das Hüttendorf in Gorleben. Versetzen Sie sich in die Lage von einem dieser gepanzerten, waffenstarrenden GSG-9-Beamten, der es von versprengten Platzbesetzern räumen soll. Suchen Sie den ganzen Boden ab, drehen Sie Moospolster um, heben Sie Blättervorhänge. Irgendwo müssen die Kerle das verdammte Müsli doch versteckt haben....

    Auch die Kräuter, bei Rühlemann's in Bremen vor Monaten bestellt, trafen hier ein, als Paket mit grellrotem Warnkleber: "ACHTUNG! LEBENDE PFLANZEN", was wohl nicht nur mich an den kleinen Horrorladen mit seinem gefräßigen Wirsingkohl erinnerte. Und was es da alles gab! Aber auf After-eight-Pflanzen (Pfefferminze mit Schokoladearoma), kubanischen Origami und solche Scherze haben wir verzichtet. Etwas Schnittlauch, zweierlei Basilikum (dabei hatte ich schon ein ganzes Tablett voller Keimpflänzchen, die "pikiert" werden wollen), Liebstöckel, Estragon, Rosmarin und Salbei: Ein Teil kam in die Zinkwanne, ein Teil in den blechernen Eimer, Weiteres in den "Corona-Extra"-Sektkübel (Werbegeschenk). Japanisches Geißblatt und Zwerg-Hopfen (humulus lupulus), die wir auf Sichtschutz-Höhe klettern lassen wollen, wurzeln nun in einem veritablen Blumenfass vor den Balkon, so schwer, dass es keiner abschleppen kann. Drunten eingelegt: kinderfaustgroße Steine, zur Belüftung und Drainage, darüber ein Vliestuch, dann erst die mit Sand gemischte, weil sonst viel zu fette Balkonpflanzenerde, eingestreut etwas Hornspandünger, der wie lebendes Hornvieh riecht. Humus homini lupus - komisch, dass jedes Pflänzlein & Kräutlein seinen eigenen Namen hat, individueller als der Mensch, der als Gattung Mensch, als Einzelwesen immerzu verwechselbar Hänsel & Gretel, resp. heutzutage Jonas, Kevin, Nicole und Chantal heißt. Und manchen dieser Individuen würde man, höflich gesagt, in einer Bühnenaufführung von Hänsel & Gretel nicht die Rolle der Gretel geben... Wieso haben alle möglichen Promis, historische Gestalten, Haustiere etc. eigentlich facebook-Seiten, nicht aber Pflanzen? Aber vielleicht stellt sie ja doch jemand rein. Das müssen andere erforschen, ich hab mich von der Freunde-Vortäuschmaschine zurückgezogen; hat ganz schön Brust gekostet, bis so ziemlich alle meine Beiträge gelöscht waren. Meine "Gefällt-mir"-Freunde sind grün und einbeinig: Für 55 Cent eine Tomatenpflanze vom Toom-Markt, die mit Blättern und Trieben (!) prunkt, und selbst von den Aldi-Wattescheiben, die ich eigentlich schon aufgegeben hatte, gehen einige an - die vielfüßige Kresse sowieso, das war klar, aber das Warten auf Dill, Petersilie und Schnittlauch zehrt an den Nerven!

    Dann wäre da noch der Flieder, der uns wochenlang mit seinem romantischen, immer einen Tic zu aufdringlichen Parfum anwehte - lila, der letzte Versuch. Der verlangt ebenfalls besondere Zuwendung. Die krümeligen braunen Dolden, auch die in fünf Meter Höhe, wollen nach dem Verblühen abgeschnitten und weggeschafft werden. Das bedeutet einen elenden Tag auf der windschiefen, wackligen Leiter balancieren, von vorbeidefilierenden Viertelsnachbarn grinsend beäugt oder mit jovialen Witzchen bedacht. Zwischendurch kommt der Genossenschafts-Aufseher des Weges, an dem ein Fähnleinführer verlorengegangen ist - bestimmt führt er in der Freizeit christlich-sozialistische Zeltlager mit Jugendlichen durch - , und drückt einem jovial die Flosse: "Das sehen wir gerne! Eigeninitiative ist gefragt!" Man reckt sich und bückt sich und zieht die elastischen Zweige heran, um sie im unrechten Moment wieder losflitschen zu lassen - angeblich soll man die Dolden ganz leicht mit der Hand "herausdrehen", das kann ich nicht bestätigen, die Gartenschere muss immer im Anschlag sein. Handschuhe überstreifen, das Zeug ist klebrig wie Bierreste - und zack, kappt man an der Abzweigung und hofft, der befreit aufatmende Strauch lohnt es mit einer zweiten Blüte.

    Das wären einige erste Beispiele für mein derzeitiges Wirken. Wer mehr wissen will, lese von Karel Čapek und Josef Máder, Das Jahr des Gärtners von 1929 ("Das kleine drollige Buch macht sich über die Gärtnerei lustig", murrte Hermann 'Erdbrenner' Hesse), mit Zeichnungen von Josef Čapek. Auch hier kann passieren, dass aus diesen Mitteilungen eine Serie wird - aber ich lasse vorerst die eingeklammerte römische Eins hinter dem Titel weg.


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